Die Wege zur grünen Transformation der Wirtschaft

Windmills Ocean
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Winkpark vor der Küste Koppenhagens, Dänemark

Der Green New Deal ist die Alternative zur einseitigen Sparpolitik. Für die nötigen privaten Investitionen muss die Politik Anreize schaffen und gleichzeitig die Finanzmärkte gemäß der ökologischen Agenda reformieren.

Die ökologische Bewegung hat viel erreicht: Der Atomausstieg in Deutschland ist mittlerweile gesellschaftlicher Konsens, und die Energiewende ist auf den Weg gebracht, auch wenn sie derzeit unter Schwarz-Rot stockt. Die große Aufgabe liegt aber noch vor uns: die grüne Transformation unserer Wirtschaft. Der Klimawandel und der Verlust an Biodiversität, z.B. durch die Monopolisierung von Saatgut in den Händen weniger, zwingen uns zu dieser Kurskorrektur.

Wenn man von grüner Transformation der Wirtschaft spricht, suggeriert das oft einen riesigen Investitionsbedarf, der mit enormen Kosten verbunden ist. Das kann zwar durchaus der Fall sein, doch mindestens genauso üblich ist es, dass sich Transformationen des Wirtschaftsmodells aus dem Markt heraus ergeben. Marktwirtschaften unterliegen kontinuierlich Veränderungen, die von der Innovationskraft der Unternehmen selbst ausgelöst und getragen werden. Die IT-Revolution ist dafür vielleicht das prominenteste Beispiel in jüngerer Zeit. Unternehmen der IT-Branche investierten in neue Produkte und waren damit am Markt erfolgreich.

Das Resultat dieser Revolution war eine tiefgreifende Veränderung der Zusammensetzung der Wertschöpfung, die auch andere Branchen erfasste. Unternehmen aller Branchen kauften und nutzten IT-Produkte. Das änderte ihre Art zu wirtschaften, in Einkauf, Produktion und Vertrieb. Ganze Wertschöpfungsketten und Strukturen sind dadurch neu entstanden. Es gibt nun neue Unternehmen, die Dienstleistungen webbasiert anbieten, die es vorher nicht gab. Anstatt einer Bestellung über Anruf können Taxis über Apps gebucht werden. Das Cloud-Computing erlaubt uns faktisch überall Zugriff auf unsere Daten. Dies sind nur einzelne Beispiele für den tiefgreifenden Wandel, der unser Wirtschaftssystem erfasste.

War diese Transformation eine bewusste gesellschaftliche Entscheidung, die politisch forciert wurde? Nein. War und ist sie eine gigantische Umwandlung? Ja.

Die Kosten? Eine Billion Dollar US-Dollar pro Jahr

Wie alle Transformationen benötigen solche Veränderungen vor allem immense Investitionen. Niemand hat allerdings vor der IT-Revolution ausgerechnet, wie viele Investitionen für diese Transformation nötig gewesen wären. Niemand hat dann entschieden, dass es gesellschaftlich sinnvoll wäre, diese Investitionen zu tätigen. Es war – bei aller Unterstützung durch militärische Forschung und anderen staatlichen Aktivitäten – letztlich eine marktgetriebene Entwicklung.

Die grüne Transformation der globalen Wirtschaft hat mit diesem Prozess Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Gemeinsamkeiten liegen in den gigantischen Investitionssummen, um diesen Umbau zu finanzieren, und in den enormen Veränderungen, die dadurch für wirtschaftliche Strukturen und Wertschöpfungsketten entstehen. Der zentrale Unterschied liegt in der bewussten politischen Gestaltung dieses Prozesses, in der Ratio, lieber jetzt in eine solche Veränderung zu investieren, als die Kosten der Zerstörung unserer Ökosysteme zu schultern.

Ein Beispiel: Das Bundesumweltministerium schätzt das notwendige Investitionsvolumen in den nächsten zehn Jahren auf rund 200 Milliarden Euro, um den Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland zu verdoppeln. In Bezug auf die globale Ebene geht das jüngste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltfragen sogar davon aus, dass jedes Jahr rund eine Billion US-Dollar investiert werden müsste, um die Energieerzeugung klimafreundlich umzubauen.

Nun verleiten solche Zahlen manchmal zu der Vorstellung, dass diese Mittel zusätzlich zu bereits ständig getätigten Investitionen mobilisiert werden müssten und dass das ein Problem wäre. Dann wird gerne auf den Mangel an langfristigem Kapital in Deutschland verwiesen. Gerade in der Finanzindustrie wird die Notwendigkeit der ökologischen Transformation gerne als Argument für kapitalfreundliche Politik missbraucht.

Die deutsche Investitionslücke

Hier muss allerdings klar gesagt werden, dass es zunächst einmal um eine Umlenkung des Kapitals, also eine Verschiebung von bereits bestehendem Investitionskapital gehen muss, weg von fossilen Energien und ressourcenintensiven Technologien und hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Vor allem aber ist die Mobilisierung zusätzlicher privater und öffentlicher Investitionen nicht ein Problem der ökologischen Transformation, sondern eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, der wir uns stellen müssen. Die ökologische Frage der Transformation verlangt daher eine Antwort auf die Frage, wie wir aus der Investitionsschwäche herauskommen können.

Bevor es deshalb um die konkrete Frage gehen soll, wie man den Finanzsektor reformieren kann, um Anreize für eine Kapitalverschiebung hin zur grünen Transformation zu setzen, möchte ich kurz auf die niedrige deutsche Investitionsquote und somit das Potenzial zusätzlicher Investitionen eingehen.

Die deutsche Investitionsquote ist im internationalen Vergleich sehr gering, und sie sinkt weiter. Im Jahr 1999 lag sie bei rund 21,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, heute sind es nur noch 17,7 Prozent. Damit wird in Deutschland weniger investiert als im Durchschnitt der Eurozone. Selbst in Ländern mit gegenwärtig schwierigem wirtschaftlichem Umfeld wie Spanien, Frankreich und Italien liegt im Moment die Investitionsquote höher als in Deutschland.

Vergleicht man die Investitionen in Deutschland seit 2000 mit dem hypothetischen Pfad, der sich ergeben hätte, wenn Deutschland in den Jahren nach 2000 dieselben Investitionsquoten erreicht hätte wie das übrige Europa, dann ergibt sich eine kumulierte „Investitionslücke“ für Deutschland von etwa 831 Milliarden Euro. In Deutschland hat sich gar die Situation ergeben, dass die öffentlichen Investitionen niedriger liegen als die Abschreibungen auf öffentliche Anlagegüter. Kurz: Deutschland lebt von der eigenen Substanz, während die Infrastruktur verrottet.

Ein Green New Deal gegen die Sparpolitik

Gleichzeitig zeigte sich über die letzten Jahre, dass in Deutschland durchaus viel Sparkapital für zusätzliche Investitionen vorhanden wäre. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss – oft als Zeichen enormer deutscher Wettbewerbsfähigkeit angepriesen – hat auch eine Kehrseite: Er zeigt an, dass inzwischen rund 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Ausland investiert werden, da in Deutschland die Anlagemöglichkeiten zu unattraktiv sind. Diese Investitionen im Ausland erwiesen sich für deutsche Sparer als sehr unrentabel. Seit dem Jahre 2000 wurden auch aufgrund der Eurokrise 269 Mrd. Euro an Sparkapital, das ins Ausland floss, vernichtet. Das entspricht ca. 10 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.

Das Kernproblem ist also nicht ein Mangel an Kapital, sondern vielmehr ein Mangel an realen Investitionsmöglichkeiten. Auf europäischer Ebene spiegelt sich dieser Umstand in den niedrigen langfristigen Zinsen wider, die – entgegen einer weitverbreiteten Ansicht – von der Europäischen Zentralbank kaum kontrolliert werden können. Sie sind letztlich Ausdruck eines Überhangs an Sparkapital relativ zur Investitionsnachfrage.

Der Grundgedanke des Green New Deal, diesen Überhang für ein gezieltes Investitionsprogramm zu nutzen, um die Wertschöpfungsstrukturen in Europa zu transformieren und den drastischen sozialen Konsequenzen der einseitigen Sparpolitik entgegenzusteuern, bleibt damit richtig.

Angesichts dieses Befundes sind die rund 200 Milliarden Euro, die laut Bundesumweltministerium in den kommenden zehn Jahren notwendig wären, eine Summe, die mobilisiert werden kann und uns geradezu bescheiden erscheint, wenn man bedenkt, dass laut Schätzungen alleine der deutsche Staat aufgrund übermäßig vergünstigter Refinanzierungen in den Jahren 2009 bis 2013 88 Mrd. Euro durch die Euro-Krise sparen konnte. Allerdings macht die derzeitige Bundesregierung den gleichen Fehler wie die Regierungen mancher südeuropäischer Staaten vor 2008, dass nämlich die Vorteile niedriger Zinsen nicht für die Bewältigung von Zukunftsaufgaben genutzt, sondern für kurzfristig populäre Politik verschenkt werden.

Ich will beispielhaft zwei Vorschläge nennen, die effektiv dazu beitragen könnten, inländische Investitionen zu steigern:

  • Höchste Energieeffizienz zum Standard machen:

Die Setzung von Branchenstandards muss sich deutlich stärker an ehrgeizigen ökologischen Zielen orientieren. Durch den sogenannten „Top Runner“-Ansatz würden in wenigen Jahren große Summen in die Energieeffizienz fließen. Der Ansatz sieht vor, zu einem Stichtag eine Marktübersicht z.B. von Elektrogeräten zu erstellen. Der Verbrauch des effizientesten Geräts würde dann zum Standard für die ganze Branche erhoben, der zu einem Zeitpunkt in der Zukunft erreicht werden müsste, ob nun binnen drei, fünf oder sieben Jahren.

  • Öffentlich-rechtliches Basisprodukt zur Altersvorsorge, um privates Kapital zu mobilisieren:

In Schweden bietet die öffentliche Hand ein Standardprodukt zur Altersvorsorge an, das in direkter Konkurrenz zu privaten Angeboten steht. Ein solcher Pensionsfonds ist nicht nur aus Verbraucherschutzgesichtspunkten sinnvoll: In Schweden zeigt sich, dass privates Sparkapital so nicht in intransparenten Vertriebsstrukturen versickert, sondern tatsächlich für inländische unternehmerische Investitionen genutzt wird. In Deutschland wird das Gros des Altersvorsorgekapitals von Lebensversicherungen in Staatspapiere angelegt. Ein solcher Pensionsfonds würde in Deutschland also nicht nur für mehr Konkurrenz für private Altersvorsorgeprodukte sorgen, sondern auch mehr Kapital aus Vertriebsstrukturen in realwirtschaftliche Unternehmungen lenken.

Anreize für ressourcenschonendes Wirtschaften

Im Gegensatz zur IT-Revolution ist die grüne Transformation politisch zu organisieren, wenn auch die nötigen Investitionen und Innovationen nicht im Einzelnen staatlich geleistet werden können oder sollen. Schließlich geht es darum, öffentliche Güter wie das Klima und die Artenvielfalt zu schützen. Bei dieser Aufgabe versagen Märkte. Es ist deshalb nötig, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, um eine Neuausrichtung der Wirtschaft auf nachhaltige Wertschöpfungsstrukturen zu forcieren. Wenn politisch deutlich gemacht wird, dass soziale und ökologische Kosten auch tatsächlich als Kosten behandelt werden, dann besteht auch Klarheit über die Notwendigkeit neuer Wertschöpfungsstrukturen, die eine Umlenkung des Kapitals zur Folge haben wird.

Es muss an dieser Stelle deutlich gemacht werden, dass das Setzen von Rahmenbedingungen nicht heißen darf, eine Umlenkung des Kapital dadurch zu forcieren, dass der Staat den Privaten die Risiken von grünen Investitionen abnimmt. Solch ein Vorgehen wäre letztlich nichts anderes als eine staatliche Finanzierung der grünen Transformation, die nicht im Staatshaushalt auftaucht. In Einzelfällen mag solch ein Vorgehen angebracht sein, doch sicherlich nicht, um den hohen Investitionsbedarf zu decken. Zu oft hat sich gezeigt, dass solche Geschäfte letztlich die Steuerzahler belasten.

Bei einer Neuausrichtung ist vielmehr der erste und logische Weg, die Preisrelationen in der Realwirtschaft zu verändern und somit Anreize für private Investitionen in die grüne Transformation zu setzen. Dieser Weg ist mit dem EEG, das trotz aller bestehenden Probleme im Grundsatz richtig ist, beschritten worden. Dieser Gedanke stand Pate beim Grünen Punkt und der Bepreisung von Müll. In beiden Fällen wurden – mit unterschiedlichem Erfolg – durch die Einpreisung der ökologischen Kosten tatsächlich Anreize für ressourcenschonendes Wirtschaften gesetzt. Mit solchen Maßnahmen können lohnende Anreize gegeben werden, um auf nachhaltige Technologien zu setzen.

Unternehmen, die an Green Economy interessiert sind, beklagen häufig hohe Markteintrittsbarrieren und feindselige Wirtschaftspolitik. Zum Beispiel durch die Besserstellung umweltschädlicher Technologien großer Konzerne. Das jüngste Beispiel hierfür ist die Automobilbranche: Kanzlerin Merkel hat sich in Europa gegen CO2-Grenzwerte für große Spritfresser eingesetzt. Die Summe, die dadurch nicht in nachhaltige Technologie fließt, dürfte – wenn auch kaum abschätzbar – beträchtlich sein.

Die Konsequenz: Umweltschädliche Subventionen müssen abgebaut werden, eine ökologische Steuerreform und ökologische Regulierung müssen als Anreize für „grünes Verhalten“ geschaffen werden.

Ein aufgeblähter Finanzsektor hat keinen Platz

Neben diesen wirtschaftspolitischen Rahmensetzungen ist für die Frage nach der Finanzierung der grünen Transformation letztlich entscheidend, ob es gelingt, die Finanzwirtschaft wieder in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen. Das Ziel muss sein, dass es sich wieder mehr lohnt, in gesellschaftlich produktive Innovationen zu investieren, anstatt Geld mit Geld zu verdienen. Momentan werden eher gegenteilige Tendenzen sichtbar, nämlich dass die Realwirtschaft in den Dienst der Finanzwirtschaft gestellt wird: Wenn die Rendite- und Gehaltsunterschiede so sind, dass es sich eher lohnt, in ein neues Transatlantikkabel für den Hochfrequenzhandel zu investieren als in energiesparende IT, dann werden realwirtschaftliche Kapazitäten für einen Zweck genutzt, der keinen gesellschaftlichen Mehrwert bringt. Die gesamte Programmatik der Finanzmarktregulierung muss daher Teil einer ökologischen Reformagenda sein. Ein aufgeblähter Finanzsektor, der hohe Renditen für volkswirtschaftlich nutzlose Finanzmarktaktivitäten auslobt, hat in einer ökologischen Transformationsperspektive keinen Platz.

Für finanzwirtschaftliche Reformen bieten sich die Bereiche der Veröffentlichungspflichten und des Unternehmensrechts an. Solch ein Ansatz ist nicht sektorspezifisch, er zielt nicht auf ganz spezielle Veränderungsziele, sondern versucht in der Breite für die gesamte Volkswirtschaft zu wirken.

Zunächst muss es einfach darum gehen, Verbraucherinnen und Verbrauchern die Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um ökologische, soziale und ethische Kriterien mit in ihre Investitionsentscheidungen einfließen zu lassen, so sie dies wollen. Das heißt, dass man eben gerade nicht in die Entscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern eingreifen sollte. Das wäre paternalistisch. Vielmehr muss es Augenhöhe zwischen allen Akteuren geben, damit marktwirtschaftliche Prinzipien greifen können. Zum anderen muss dafür gesorgt werden, dass Unternehmen, die sich durch unethische und ressourcenintensive Produktionsprozesse Kostenvorteile verschaffen, auch genau offenlegen müssen, welche externen Effekte dabei entstehen.

Hier einige konkrete Maßnahmen, die vielversprechend wären:

  • Unternehmen: Bilanzierungsregeln

Wir brauchen eine Standardisierung von nichtfinanziellen Schlüsselindikatoren bezüglich Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit für Unternehmen. Zwar gibt es bereits verschiedene Projekte zur Selbstverpflichtung, mit denen Unternehmen ihre Berichterstattung um soziale, ökologische und ethische Kriterien erweitern. Beispielsweise die Global Reporting Initiative (GRI)-Richtlinien, die über 120 Indikatoren und Kennzahlen zu wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten der Unternehmen vorschlägt. Die Qualität und Vergleichbarkeit der veröffentlichten Daten ist aber nicht sichergestellt. Schließlich handelt es sich hierbei ausschließlich um freiwillige Initiativen. Solche Berichterstattungspflichten zielen darauf ab, den nicht-finanziellen und darunter den ökologischen Indikatoren einen gleichwertigen Stellenwert mit finanziellen Indikatoren einzuräumen. Das heißt, Emissionszahlen und Stoffdurchsätze sollen so wie die Abschreibungen in der Bilanz auftauchen, testiert und gleichberechtigter Bewertungsmaßstab für Unternehmensleistung werden.

Mittelfristig müssen solche Standards auf europäischer Ebene festgesetzt werden. Die EU-Kommission hat im April 2013 einen Vorschlag zur Harmonisierung der nicht-finanziellen Berichterstattung auf EU-Ebene vorgelegt. Dieser kann jedoch nur als erster Schritt bezeichnet werden: Statt verbindlicher und einheitlicher Auskünfte soll es den Anbietern überlassen bleiben, wie sie die nicht-finanziellen Kennziffern offenlegen – und sie können es sogar ganz unterlassen, wenn sie dies begründen („comply or explain“). Selbst dieser weiche Vorschlag wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung im Rat abgelehnt. Die SPD war in der letzten Legislaturperiode stärkeren Transparenzpflichten aufgeschlossen. Seit sie in dieser Legislaturperiode Regierungsverantwortung übernimmt, ist davon allerdings nichts mehr zu merken.

  • Privathaushalte: Definition für „nachhaltige Geldanlagen“

Heute nennt jeder Anbieter Geldanlagen dann nachhaltig, wenn er es für richtig hält. Kriterien gibt es nicht. Für die Verbraucherin und den Verbraucher herrscht daher völlige Intransparenz. Eine Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu Investmentfonds, die sich nachhaltig nennen, bestätigte dieses Bild: In den Portfolios der Fonds befanden sich Hersteller von Hubschraubern und Maschinenpistolen wie auch Betreiber von Uranminen, Atomkraftwerken, Ölbohrungen und viele weitere Wirtschaftszweige, die mit dem Label „nachhaltig“ herzlich wenig zu tun haben.

Darum brauchen wir, ähnlich dem Biosiegel bei Lebensmitteln, eine gemeinsame Definition und ein Label für nachhaltige Geldanlagen. Als Vorbild hierfür kann das österreichische „Umweltzeichen“ für nachhaltige Finanzprodukte herangezogen werden. Solch ein Siegel für nachhaltige Geldanlagen muss insbesondere Investitionen in Atomkraft und Rüstung ausschließen, die Einhaltung von Normen wie die ILO-Kernarbeitsnormen und Umweltstandards sicherstellen und ausbeuterische Kinderarbeit untersagen. Zudem müssen Investitionen in Personenminen und Streumunition ausdrücklich verboten werden.

  • Staat: Förderung der privaten Altersvorsorge an Nachhaltigkeitskriterien binden

Insbesondere in Fällen, in denen Anlageprodukte staatlich gefördert werden, muss von staatlicher Seite verlangt werden, dass Berichtspflichten über ökologische, soziale und ethische Kriterien umfassend wahrgenommen werden. Momentan können Versicherer, die staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte (Riester-Rente) anbieten, sich mit der einmaligen Angabe, dass ihre Produkte keine ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien berücksichtigen, von dieser Berichtspflicht befreien. Dieses Schlupfloch muss geschlossen werden und solche Berichtspflichten zudem für alle Versicherungsgeber, die einen Kapitalstock aufbauen, gelten.

All diese Maßnahmen setzen an der Überlegung an, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nur das in ihre Entscheidungen einbeziehen können, was sie wissen, also was gemessen und veröffentlicht wird. Dieser Ansatz ist also von einem großen Optimismus geprägt, dass eigentlich schon heute, bei Heranziehen der richtigen Informationen, öfter die ökologisch vorteilhafte Variante gewählt würde. Diese Ansätze sind also nicht paternalistisch oder staatsorientiert, sondern sehr marktwirtschaftlich, da sie darauf abzielen, Informationsgleichheit aller Beteiligten herzustellen.

Neben diesen auf transparente Informationsbereitstellung abzielenden Maßnahmen, sind eine Reihe weitere Finanzmarktreformen notwendig:

  • Öffentliche Banken: Legitimation durch Marktführerschaft bei der grünen Transformation

Öffentliche Banken haben sich in den vergangenen Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es darum ging, ein Gegengewicht zu Privatbanken darzustellen. Die Skepsis der Bevölkerung, dass öffentliche Banken eine Vorreiterrolle für nachhaltige Investitionen einnehmen können, ist daher nachvollziehbar. Die ökologische Transformation birgt allerdings enormes Potenzial, hier gegenzusteuern und öffentliche Banken wieder in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen. Dafür muss allerdings ihre gesamte Geschäftspolitik konsequent an ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien ausgerichtet wird. Die Sparkassen und Landesbanken können so zu den Financiers der ökologischen Transformation gemacht und damit zur Maßstab für den privaten Finanzsektor werden. Auch staatliche Kreditförderungsbanken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) müssen sich bei ihren Investitions- und Förderungsentscheidungen an den Klimazielen der EU orientieren.

  • Staat: Regulierung anpassen an grüne Transformation

An manchen Stellen wird zu Recht beklagt, dass ökologisch sinnvolle Investitionen regulatorisch benachteiligt sind, weil sie nicht in den bisherigen Regulierungsrahmen passen. Erst kürzlich wurde ein solcher Fall wieder bekannt, als die Richtlinie für Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) in Deutschland umgesetzt werden sollte. Die dort geregelten Anforderungen hätten zur Folge gehabt, dass bürgerschaftliche Beteiligungen an der Energiewende, etwa durch Bürgergenossenschaften, quasi unmöglich geworden wären. Hier wurde nachgebessert, doch es gibt eine Reihe anderer Bereiche, in denen dieser Anpassungsbedarf noch besteht.

Auch bei der Banken- und Versicherungsregulierung werden grüne Investitionen zu Teilen strukturell benachteiligt. Dass darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Vielzahl an grünen Investitionen tatsächlich mit finanziellen Risiken behaftet ist und in der Regulierung auch so behandelt werden muss. Sonderregelungen, die die finanziellen Gefahren von grünen Investitionen nicht adäquat abbilden, wären hier gefährlich. So wird teilweise die Forderung nach einer geringeren Risikogewichtung (und einer damit verbundenen geringen Eigenkapitalunterlegungspflicht) von Krediten erhoben, die im Zusammenhang mit der Energiewende stehen. Derlei Ausnahmen sind abzulehnen. Die Notwendigkeit grüner Investitionen darf nicht zu Lasten einer adäquaten Risikobewertung ausfallen.

Das gleiche gilt für den Anlegerschutz: Anlegerinnen und Anleger müssen auch im Bereich der Erneuerbaren Energien vor „schwarzen Schafen“ geschützt werden. Effektive Regelungen für ein hohes Anlegerschutzniveau dürfen nicht deshalb zurückstehen, nur um Investitionen in Erneuerbare Energie zu ermöglichen.

  • Die Unternehmen neu ausrichten

Unternehmen sind heute fast immer als Kapitalgesellschaften auf die Mehrung des Vermögens der Eigentümer ausgerichtet. Das ist eigentlich eine pathologische, die Bedürfnisse von Stakeholdern und Umwelt ignorierende Zielvorgabe. Entsprechend muss das Unternehmensrecht so weiterentwickelt werden, dass Unternehmen andere Zielgrößen in den Blick nehmen. Das Buch Corporation 2020 des Autors Pavan Sukhdev gibt wichtige Hinweise, wie eine solche Transformation aussehen könnte. In seinen Forderungen ist der ehemalige Manager der Deutschen Bank sehr nahe an dem, was auch die Grünen für nötig erachten. Er erkennt klar die Notwendigkeit, externe Effekte in den Bilanzen offenzulegen, verstärkt den Ressourcenverbrauch zu besteuern, und die Fremdkapitalaufnahme zu begrenzen, um Kapitalgesellschaften wieder dem Gemeinwohl zu verpflichten. Diese Maßnahmen reichen allerdings nicht aus. Die Zielsetzung der Gemeinwohlorientierung muss sich auch im Unternehmensrecht widerspiegeln. Dazu gehört auch ein aktives Aktionärstum. Alle institutionellen Investoren, Fondsmanager etc. müssen verpflichtet werden, die Stimmrechte ihrer Anteilseigner bei den Hauptversammlungen der Unternehmen wahrzunehmen und darüber zu berichten. Darüber hinaus können Aktionäre, Forderungen an das Unternehmen stellen und so Veränderungen im Sinne eines nachhaltigeren Wirtschaftens bewirken („Engagement“).

Business as usual in Grün?

Die Debatte, wie Investitionen für eine ökologische Transformation der Wirtschaft mobilisiert werden können, greift allerdings zu kurz. Man darf auch aus ökologischer Perspektive die Notwendigkeit eines Strukturwandels der Wirtschaft nicht auf die „Vergrünung“ von Wertschöpfungsprozessen und deren Finanzierung reduzieren.

30 Jahre Neoliberalismus haben eine Konzentration von wirtschaftlicher Macht hervorgebracht, die marktwirtschaftliche Strukturen außer Kraft setzt; Strukturen, in der die bessere Leistung für den Kunden nicht mehr unbedingt zum Erfolg auf dem Markt führt. Die ökologische Transformation braucht aber funktionierende Märkte. Deswegen ist es unerlässlich wettbewerbspolitische Reformen anzustoßen.

30 Jahre Neoliberalismus und Finanzkapitalismus haben darüber hinaus eine Konzentration von Vermögen hervorgebracht, eine Schieflage in den Verteilungsrelationen, die eine Hürde für den ökologischen Wandel darstellt. Wie sollen Preissignale wirken, wenn manche auf den Preis überhaupt nicht mehr reagieren, weil sie so reich sind, dass sie sich alles leisten können, und andere gar nicht mehr langfristig richtige ökonomische Entscheidungen treffen können, weil sie kurzfristig darum kämpfen müssen, über die Runden zu kommen? Wie soll in einer Gesellschaft, in der die Erträge wirtschaftlicher Entwicklung nur wenigen zugutekommen, eine Mehrheit für eine neue Entwicklungsrichtung zustande kommen? Das Versprechen, dass es uns dann allen besser geht, glaubt nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte niemand mehr.

Wirtschaftliche Macht erzeugt politische Macht. Vermögen erzeugt politische Macht. Mit diesen Aussagen stehe ich in Übereinstimmung mit Walter Eucken beziehungsweise mit jüngeren Veröffentlichungen der OECD zum Zusammenhang von Vermögenskonzentration und politischer Einflussnahme. Und diese Tatsachen haben eine Bedeutung für die ökologische Transformation, denn wie soll es stabile ökologische Leitplanken geben, wenn sich Politik an den Interessen finanzstarker Gruppen orientiert? Es wäre fahrlässig, die Erkenntnisse der ökonomischen Forschung zum „rent-seeking“ zu ignorieren.

Wenn ein Investor für eine Eishockey-Halle die Stadt Mannheim dazu bringt, eine seit Jahren verteidigte Frischluftschneise zubauen zu lassen, oder wenn Angela Merkel in zeitlicher Nähe zu großen Spenden einer Aktionärsfamilie die Interessen bestimmter deutscher Autokonzerne über die Klimaschutzziele stellt, dann ist das jeweils mehr als nur ein einmaliger politischer Unfall. Das sind Beispiele, die für eine problematische Konstellation stehen. In der Summe zeigen sie deutlich, dass ökologische Transformation eine Machtfrage ist, die in einem Umfeld starker ökonomischer Machtkonzentration, in einem Umfeld der Schwäche des Staates gegenüber den wirtschaftlichen Mächtigen, nicht zu gewinnen ist.

 

 

Der vorliegende Text ist eine leicht gekürzte Fassung aus der Publikation "Geld für den Wandel", die am 17. September 2014 auf boell.de erschienen ist.