Grüne Freiheit

Konferenzraum im Bundestag
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Forum auf dem Freiheitskongress der grünen Bundestagsfraktion

Die grüne Bundestagsfraktion diskutiert den Freiheitsbegriff. Doch welchen Stellenwert hat Freiheit in der grünen Politik? Anmerkungen von Ralf Fücks zum Freiheitskongress der grünen Bundestagsfraktion am 19. September 2014 in Berlin.

Abschlusskommentar zum Eröffnungsplenum

Wenn es um Bürgerrechte geht, um sexuelle Selbstbestimmung und um Freiheit statt Überwachung im Netz, sind die Grünen ganz mit sich im reinen. Die Herausforderung für eine freiheitliche grüne Politik liegt auf anderen Feldern, bei denen es einen starken Sog in Richtung Etatismus & Dirigismus gibt: Ökologie und Wirtschaftspolitik.

Wenn es darauf ankommt, die Menschheit vor der drohenden Katastrophe (Klimawandel, Ressourcenkrise) zu retten, wird daraus leicht ein Freibrief für Bevormundung und allumfassende Reglementierung. Pluralismus von Lebensstilen, Konsumfreiheit, Reisefreiheit, Gewerbefreiheit etc. erscheinen dann als frivoler Luxus. Aber auch für ökologische Politik gilt, dass der hehre Zweck nicht jedes Mittel heiligt. Freiheit ist mehr als die bloße Einsicht in die Notwendigkeit, Selbstbestimmung ist unteilbar und Demokratie ist ein Wert an sich, der nicht zugunsten eines grünen TINA-Prinzips ("There is no alternative") außer Kraft gesetzt werden darf.

Wie eine freiheitliche Ökologiepolitik aussieht, die der Versuchung zur Bevormundung und allumfassender Reglementierung entkommt, ist noch nicht ausbuchstabiert. Dazu gehört, dass es uns nicht um den "neuen Menschen" geht, sondern um die Transformation der Industriegesellschaft. Verbote und Verzicht sind nicht tabu. Aber sie sind nicht der Schlüssel für die Lösung der ökologischen Frage. Unsere wichtigste Ressource ist die Freisetzung von Kreativität und Innovation - auch in dieser Hinsicht sind Demokratien die bessere Alternative zu autoritären Regimen.

Der klassische Liberalismus postuliert den Zusammenhang zwischen politischer Freiheit (Demokratie) und einer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung. Für die Grünen ist das eher ein fremder Gedanke. Wenn das Stichwort "Markt" fällt, antworten wir mit "Regulierung", Unternehmertum verbinden wir gern mit Gier und Wettbewerb mit Rücksichtslosigkeit. Dafür gibt es allzu viele Belege. Dennoch verkennt diese Sicht die produktive Kraft, die in Marktwirtschaft und Unternehmergeist liegt. "Grüner Ordoliberalismus" könnte eine Antwort auf die Frage sein, wie Regulierung und Selbstverantwortung, Staat und Markt auszubalancieren sind.

Letzter Punkt: Taugt Freiheit auch als Richtschnur für grüne Außenpolitik? Der Lackmustest dafür ist heute die Ukraine. Es irritiert, wie wenig Empathie es in weiten Teilen der Republik für den freiheitlichen Aufbruch gibt, der sich in der Maidan-Bewegung manifestierte - und wie viel Verständnis für die autoritäre, illiberale und rundum zynische Politik der russischen Machtelite. Für eine freiheitliche Außenpolitik dürfte die Unabhängigkeit der Ukraine und ihre territoriale Integrität so wenig in Frage stehen wie ihr Recht, "ein europäisches Land sein zu wollen" (Poroshenko), also den Weg Richtung Rechtsstaat, Demokratie und moderner Marktwirtschaft zu gehen. Ähnliches galt und gilt übrigens auch für den Aufstand gegen Assad in Syrien, der als Freiheitsbewegung begann, bevor er von radikalen Islamisten gekapert wurde (weil der Westen die moderaten Kräfte im Regen stehen ließ). Idealismus allein ist noch keine Außenpolitik, und das Pathos der Menschenrechte ersetzt keine nüchterne Strategie. Aber man wünscht sich schon wieder etwas mehr von der Solidarität mit freiheitlichen Bewegungen, die zum Kern eines grünen Internationalismus gehört.