Gerüchte im Libanon rund um die syrische Präsidentschaftswahl

Flüchtlingscamp im Libanon
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Das Verhältnis der Libanes/innen zu den syrischen Flüchtlingen ist stark beeinflusst durch kursierende Gerüchte

Im Juni 2014 fanden in Syrien Präsidentschaftswahlen statt. Gerüchte um die Macht des Regimes haben auch geflüchtete Syrerinnen und Syrer im Libanon an die Urnen getrieben - obwohl sie die Wahlen als illegitim betrachteten.

Die syrische Präsidentschaftswahl hatte für Syrer wie Libanesen besondere Bedeutung, weil sie die humanitäre und politische Krise, unter der die Syrer sowie auch die Staaten, in denen sie im Exil leben, leiden, weiter in die Länge zieht. Erstmals durften auch im Ausland lebende Syrer wählen. Die syrische Botschaft im Libanon verkündete stolz, dass dort bereits am ersten Wahltag 80.000 Menschen ihre Stimme abgegeben hätten. Bedenkt man, wie viel Zeit und was für Räumlichkeiten zur Verfügung standen, dürfte eine Zahl zwischen 20.000 und 30.000 der Wahrheit näher kommen.

Bilder von Gedrängel auf den Straßen sowie, dass die Sache eher als Event, denn als Wahl gesehen wurde, führte zu heftigen Diskussionen: ‚Wie können Menschen, die aus ihrem Land fliehen mussten, nur an so einer Schmierenkomödie teilnehmen?’ fragten sich die einen. Andere sagten: ‚Wie können die bloß einen Präsidenten wählen, der sie im schlimmsten Fall verfolgen ließ und sie im besten Fall nicht beschützt?’

Einige, die zur Wahl gingen, taten dies, weil es ihr Wunsch war. Andere fürchteten, sollten sie nicht wählen, könne dies ernste Folgen nach sich ziehen. Entsprechende Gerüchte machten die Runde. In diesem Artikel soll untersucht werden, wie es dazu kommen konnte, dass solchen Gerüchte Glauben geschenkt wurde, und wie die Menschen reagierten.

Angst vor dem Verlust der Staatbürgerschaft

Als sich der Konflikt in Syrien verschärfte (in Folge der überzogenen Gewalt des Regimes gegen Bürgerinnen und Bürger ist, die friedlich für politische Veränderungen demonstrierten), kamen Gerüchte auf, denen zufolge Bashar al-Assad und seine Gefolgsleute planten, Syrien in eine Reihe von Einzelstaaten aufzuspalten. Zwar wurden solche Behauptungen nie bestätigt, sie führten aber dazu, dass sehr viele syrische Flüchtlinge fürchteten, das Regime plane im Geheimen, ihnen die syrische Staatsbürgerschaft zu entziehen – da sie sich als illoyal erwiesen hätten – und, da es ihm nicht gelinge, ganz Syrien zu beherrschen, einen Staat nach seinen Wünschen zu schaffen.

Solche Ängste, die viele der Flüchtlinge teilten, bereiteten den Boden dafür, dass jedem Gerücht, das die Angst zu bestätigen schien, man könne nicht in die Heimat zurückkehren, Glauben geschenkt wurde. Vor diesem Hintergrund verstärkte die Behauptung, es gebe bereits entsprechende Gesetzentwürfe, jene Gerüchte, die die Menschen dazu bringen sollten, zur Wahl zu gehen. Die wichtigsten Gerüchte über derartige angebliche Gesetzentwürfe waren:

1. Drohende Staatenlosigkeit

Ende 2013 machten Gerüchte die Runde, in Damaskus arbeite man an einem Gesetz, durch das all jenen die syrische Staatsbürgerschaft entzogen werde, die sich in oder außerhalb von Syrien gegen das Assad-Regime betätigten, indem sie zu Waffen griffen, entsprechende Umtriebe finanzierten oder zu ihnen aufriefen, sie organisierten oder begünstigten. Diese Behauptung fiel auf fruchtbaren Boden, da manche Flüchlinge glaubten, das Gesetz, das die Einreise nach und den Aufenthalt von Nicht-Syrern in Syrien regelt, gelte auch für sie, und man werde sie dementsprechend wie Fremde im eigenen Land behandeln.

Zwar stimmt das nicht, dennoch glauben manche im Ausland lebende Syrer dies immer noch und verbreiten das Gerücht weiter, da sie davon überzeugt sind, das Regime werde ein derartiges Gesetz nutzen, um sich politischer Gegner zu entledigen und Druck auf jene Staaten auszuüben, die syrische Flüchtlinge aufnehmen (denn ohne Statsbürgerschaft müssten die Flüchtlinge in den Gastländern bleiben). Die Angst, die Staatsangehörigkeit zu verlieren, ist auch deshalb nicht ganz gegenstandslos, da eine wachsende Zahl von Syrern im Ausland festhängt, weil das syrische Regime sich weigert, ihre Pässe zu verlängern.

2. Neue Ausweise – aber für wen?

Während einer Sitzung des Parlaments sagte Syriens Innenminister im März 2014, man bereite die Ausgabe neuer Ausweise für die zweite Jahreshälfte vor, sobald die nötigen Mittel eingegangen wären. Zwar wiesen Regierungsvertreter darauf hin, dieses Projekt sei bereits vor der Krise erörtert worden und habe mit der aktuellen Lage nichts zu tun. Dennoch glaubten viele Menschen, etwas anderes stecke dahinter, denn ein solches Vorhaben ist teuer (die geschätzten Kosten belaufen sich auf 28 Millionen €), speziell für ein Land in einer akuten Wirtschaftskrise. Da nicht dargelegt wurde, wie und in welchem Zeitrahmen das Vorhaben umgesetzt werden soll, sehen manche einen Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl, da nur treue Gefolgsleute des Regimes in vom ihm kontrollierten Gebieten solche Ausweise erhalten werden. Andere vermuten, dass hierdurch die Rückkehr von Flüchtlingen und Exilanten verhindert werden soll, und man zugleich jene, die sich vor dem Militärdienst drücken, erfassen und festsetzen will. Viele glauben, es werde so versucht, der Hälfte aller Syrer die Staatsangehörigkeit zu entziehen – und zwar überwiegend jenen, die das Regime ablehnen.

3. Warum werden Immobilien beschlagnahmt und weitervermietet?

Im Mai 2014 schlug das Justizministerium vor, Häuser und andere leerstehende Immobilien weiterzuvermieten, nachdem ihre Besitzer das Land verlassen hatten. Gerechtfertigt wurde dieser Vorschlag damit, dass man das Leiden der vielen obdachlos gewordenen Syrer verringern wolle, indem man ihnen eine Unterkunft verschaffe. Zwar hatte das Regime schon früher Flüchtlingen in der Region geholfen, darunter  im Jahr 2006 Menschen aus dem Libanon. Aber dies war die erste derartige Anstrengung während des aktuellen Konflikts. Bislang hatten Regierungsvertreter noch nicht einmal Kontakt zu Binnenflüchtlingen gesucht, geschweige denn zu solchen im Ausland. Nun schienen sie zu versuchen, einer Gruppe von Flüchtlingen auf Kosten einer anderen zu helfen.

Vorgeschlagen wurde, die Höhe der Mieten durch einen Ausschuss bestimmen zu lassen, und diese dann in einen speziellen Fond einzuzahlen, damit der Ausschuss später die Eigentümer, sollten sie zurückkehren, entschädigen könne. Da dieser Vorschlag jedoch sehr vage ist und auch mit der Präsidentschaftswahl zusammenfiel, kam der Verdacht auf, es handele sich um eine Maßnahme gegen Widersacher des Assad-Regimes. So wurde beispielsweise nicht darauf eingegangen, ob das Einverständnis der Eigentümer eingeholt werden müsse, ob man Kontakt zu Verwandten oder Vertretern der Eigentümer in Syrien oder im Ausland aufnehmen würde, welcher Anteil der Mieteinnahmen dem Staat zukäme, wie die Verträge genau aussehen sollten oder was mit den Möbeln und anderem Besitz in diesen Häusern und Wohnungen geschehen würde. All dies schürte die Angst, hier werde versucht Zehntausende von Syrern, die wegen der Unruhen ins Ausland geflohen waren, per Gesetz zu enteignen. Eine Angst, die noch dadurch verstärkt wurde, dass das Regime bekannterweise seinen Anhängern allerlei Privilegien einräumt.

Vorfälle, die zu Ausbreitung der Gerüchte beitrugen

1. ‚Selbst hier im Libanon sind sie hinter uns her...’

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete, syrische Flüchtlinge im Libanon hätten berichtet, Männer durchstreiften die Flüchtlingslager im Bekaa-Tal, fragten die Menschen, für wen sie stimmen würden und schrieben deren Namen auf. Dem Bericht zufolge gaben sich diese Männer als Mitglieder einer libanesischen Partei aus, die Bashar al-Assad unterstützt. Ihre Anwesenheit in den Lagern zeigte über eine Million syrischen Flüchtlingen, dass sie auch hier in Reichweite des Regimes sind.

Einige Flüchtlinge sprachen auch davon, muskelbepackte Männer in Limousinen mit verdunkelten Fenstern gesehen zu haben, die sie nach ihren Ausweisen gefragt und persönliche Angaben notiert hätten. Sie behaupteten, am Wahltag würden Fahrzeuge die Flüchtlinge abholen und zur Botschaft fahren. Alle, die sich weigerten ihre Stimme abzugeben, dürften nie wieder nach Syrien zurück.

Reuters fügte hinzu, dass man zwar während der zwölf Interviews, die man geführt habe, keine Beweise gesehen habe, dass Flüchtlinge eingeschüchert werden. Aber die bloße Gegenwart von Männern, die im Besitz von Papieren mit dem Siegel der syrischen Botschaft seien, genüge, um viele einzuschüchtern, da das Regime über lange Zeit im Libanon brutal vorgegangen sei und dort über mächtige Verbündete verfüge. Alle Syrer erinnern sich auch nur zu gut an die in Syrien allgegenwärtigen Muchabarat (Nachrichtendienste), deren Mitarbeiter in Zivil auftreten und versuchen als normale Bürger durchzugehen, deren Identität man aber „Meilen gegen den Wind“ riechen könne.

Die Zeitung Mustaqbal, die der Allianz des 14. März nahesteht, berichtete, syrische Flüchtlinge und im Libanon ansässige Syrer suchten die Botschaft ihres Landes nicht freiwillig auf, sondern weil sie von Hisbollah und anderen Verbündeten des syrischen Regimes zuhause oder auf der Arbeit eingeschüchtert und dazu gezwungen werden. Ein Syrer, der in Beirut als Wachmann arbeitet, sagte der Zeitung, Mitglieder der Allianz des 8. März seien in das Haus, in dem er wohnt, gekommen und hätten ihn und seine Familie aufgefordert, am nächsten Tag zu einem Sammelpunkt zu kommen, von wo aus man sie per Bus in die Botschaft fahren werde.

Der Mann sagte, den meisten anderen Syrern, die er kenne, sei es ähnlich ergangen und sie hätten sich einschüchtern lassen, da sie um ihre Arbeitsplätze und Wohnungen fürchteten. Gewährsleute vor Ort sagten Mustaqbal, die Ausweispapiere einer Reihe syrischer Flüchtlinge seien beschlagnahmt worden, um sicherzustellen, dass sie wählen gehen. Andere habe man erpresst, indem man ihnen zum Beispiel sagte, die Reisegenehmigungen all derer, die nicht für Assad stimmten, würden nicht erneuert und sie nicht zurück nach Syrien gelassen.

Andere Flüchtlinge sprachen der Website NOW News gegenüber davon, Libanesen seien in ihre Wohnungen eingedrungen und hätte sie gezwungen, an pro-Assad-Demonstrationen teilzunehmen:

„Wir sind mit Bildern von Bashar al-Assad auf die Straße gegangen, weil sie uns andernfalls öffentlich in den Dreck gezogen hätten. Sie zwangen uns auch, für ihn zu stimmen. Wir hatten keine Wahl. Wir mussten tun, was sie verlangten, denn uns schützt keine Regierung.“

In einem Interview mit Al Nahar sagte Ninette Kelly, die Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) im Libanon, man habe Berichte erhalten, denen zufolge „es Flüchtlinge gab, die verunsichert waren als die Wahl in Syrien näherrückte. Man hatte sie unter Druck gesetzt und sie fühlten sich bedroht.“
 

2. „Nicht drängeln!“

Als Massen von Syrern vor der syrischen Botschaft in Yarzeh eintrafen – in speziell gemieteten Bussen und Lastwagen – kam es zu einem Verkehrschaos. Der Stau erstreckte sich über mehrere zentrale Plätze der Stadt, worauf eine ganze Reihe wahlwilliger Syrer die Reise zu Fuß fortsetzten, wobei sie Bilder Assads und Hisbollah-Fahnen trugen und Parolen für das Regime und die Hisbollah skandierten. Viele derer, die im Stau feststeckten – und speziell Assad-Gegner – machte das wütend, und es kam zu Auseinandersetzungen zwischen festsitzenden Autofahrern und Demonstranten.

Medienberichte über diesen „Wahlstau“ erhöhten den Druck auf jene Syrer, die noch nicht wussten, ob sie zur Wahl gehen sollten. Einige Medien übertrieben zudem die Zahl der Wahlwilligen, wodurch sich dieses Gerücht noch rascher verbreitete und glaubhafter wurde. Einige warfen der libanesischen Regierung vor, im Vorfeld nichts gegen diese erwartbaren Vorfälle unternommen zu haben, andere glaubten, der Stau sei absichtlich herbeigeführt worden, indem man die Fahrzeuge, welche die Syrer transportierten, gleichzeitig losschickte, und es sei Absicht gewesen, ein Verkehrschaos zu verursachen, damit die Medien über die hohe Zahl von Wahlwilligen berichten und so den Druck auf die Nichtwähler weiter verstärken würden.

Reaktionen im Libanon

1. „Geht doch nach Hause“

„Diese Leute haben keinen Funken Würde. Mir tun die nicht leid – die sollten alle plattgemacht werden.“
„Geht zurück in euer Land, ihr Deppen.“

Diese Zitate sind nur zwei Beispiele für das, was Libanesen in sozialen Netzwerken schrieben – aus Protest gegen die Folgen der Wahl in Syrien für den Libanon. Die Wut über die Syrer im Allgemeinen und speziell gegen jene, die Assads Bild durch die Straßen getragen und pro-Assad-Parolen skandiert hatten, beschränkte sich nicht nur auf die Straße. Auch libanesische Parteien, und besonders diejenigen, die gegen Assad sind, bezogen Stellung.

Ein führendes Mitglied der Allianz des 14. März, Mustafa Allouch, sagte Al Naher gegenüber: „Die Allianz des 14. März denkt, dass Menschen, die Bashar al-Assad unterstützen und verehren, nicht als Flüchtlinge anerkannt werden sollten. Der libanesische Staat muss durchgreifen und sie zurück in ihre Heimat schicken.“ Arbeitsminister Sejaan Kazzi sagte derselben Zeitung, dass

„die Menge an Menschen, die sich vor der syrischen Botschaft im Libanon versammelte zeigt, diese Leute sind keine Flüchtlinge, sie sind eher eine Armee, so wie einst die Syrian Deterrent Force. Wenn man es mit Tausenden von Menschen zu tun hat, die das Regime in Syrien unterstützen und es wählen wollen, bedeutet das, diese Menschen können umgehend in die vom Regime kontrollierten Gebiete zurückkehren. Ich werde das Kabinett bitten, klar Stellung zu beziehen und diese Leute baldmöglichst zurück nach Syrien zu schicken.“

Viele Medienvertreter und Künstler, die der Allianz des 14. März nahestehen, forderten gleichfalls die Abschiebung der Syrer. In der satirischen Nachrichtensendung DNA rief Moderator Nadim Koteich zum „Widerstand“ gegen die syrischen Flüchtlinge auf und forderte, „sie aus dem Libanon auszuweisen“. Bemerkenswert ist, dass die Gegner Assads in ihren Stellungnahmen weitgehend die Gerüchte und die Drohungen gegen die Flüchtlinge ignorierten, und damit auch deren Angst, nicht wieder nach Syrien einreisen zu können oder von den syrischen Behörden kein Visum mehr zu erhalten.

Die Wut vieler Libanesen lässt sich zum Teil durch das Verkehrschaos erklären, zu dem es kam, als Massen von Syrern zu den Wahlurnen drängten, aber sie ist auch Ausdruck des Abscheus, die viele Libanesen bei dem Gedanken überkommt, dass Syrer Assad wiederwählen wollen, ungeachtet all der Verbrechen, denen er sich in Syrien und im Libanon schuldig gemacht hat und immer noch schuldig macht. Die Reaktionen im Libanon beschränken sich aber nicht auf Abscheu und Unmut über die Verbündeten des Regimes. Einige haben versucht, die Vorkommnisse auf eine Art zu erklären, die nicht den Opfern die Schuld gibt – was die eigentlich Schuldigen entlastet. Dennoch hasst ein großer Teil der libanesischen Bevölkerung und der syrischen Assad-Gegner jene, die Assad ihre Stimme geben. Bei Hetzreden ist es allerdings nicht geblieben, es kam zu Gewalt und Racheakten, und in der Gemeinde Jdita im Bekaa-Tal wurde, zwei Tage nach der Wahl, ein Flüchtlingslager in Brand gesteckt, in dem 200 Syrer lebten.

2. Den Flüchtlingstatus aberkennen
Anfang Juni 2014 sagte der libanesische Innenminister Nihad Machnouk, er werde Syrern im Libanon, die wieder nach Syrien einreisten, den Status als Flüchtling entziehen. Dies geschah kurz nach der Kontroverse über die Beteiligung syrischer Flüchtlinge an der Präsidentschaftswahl. In der Erklärung des Ministers hieß es:

„Im Rahmen der laufenden Maßnahmen, die dazu dienen, die Ein- und Ausreise syrischer Staatsbürger zu regeln, fordern wir alle syrischen Flüchtlinge sowie die vom UNHCR erfassten Personen dazu auf, ab dem 1. Juni 2014 nicht mehr syrisches Gebiet zu betreten, andernfalls verlieren sie ihren Status als Flüchtling. Wir verfolgen hierdurch das Ziel, die Sicherheit des Libanon zu wahren, und die Verhältnisse zwischen syrischen Flüchtlingen und Libanesen in den Auffanggebieten so zu gestalten, dass es nicht zu Spannungen und wechselseitigen Feindseligkeiten kommt.“

Diese Erklärung sorgte unter syrischen Flüchtlingen im Libanon für Unruhe, denn einige von ihnen reisen regelmäßig nach Syrien, unter anderem um ihre Wohnberechtigung zu erneuern, nach ihrem Eigentum zu sehen, offizielle Dokumente zu erhalten, Verwandte zu besuchen, günstig Medikamenten einzukaufen, und schließlich auch, um zu sehen, ob die Verhältnisse eine Rückkehr zulassen. Der Vorschlag des Ministers unterscheidet nicht zwischen Flüchtlingen, die aus wichtigen Gründen zurück nach Syrien müssen, und jenen, die im Libanon gemeldet sind, tatsächlich aber in Syrien leben.

Angemerkt werden muss hier, dass die libanesischen Einreisevorschriften für Flüchtlinge sich nicht von denen unterscheiden, die für Syrer gelten, die nicht auf der Flucht sind. In beiden Fällen gelten Verträge zwischen Syrien und dem Libanon. Die syrischen Flüchtlinge fürchten, dass sie, entzieht man ihnen ihren Status, keine Hilfsleistungen (in erster Linie vom UNHCR) mehr empfangen werden.

Krieg der Gerüchte

Manche versuchten, die vom Regime gestreuten Gerüchte dadurch zu bekämpfen, dass sie ihrerseits das Gerücht verbreiteten, der UNHCR werde all jenen, die wählen gingen, den Status als Flüchtling aberkennen. Diese Behauptung wurde versehen mit dem UNHCR-Logo über soziale Netzwerke verbreitet, beispielsweise über WhatsApp. Folgende Erklärung machte auf Facebook die Runde:

„An alle Syrer, die sich an der Präsidentschaftswahl beteiligt haben, da sie fürchten, anderenfalls nicht nach Syrien zurückkehren zu können: Die Botschaften Syriens beabsichtigen, der UNO die Namen sämtlicher Wähler zu übermitteln, um zu zeigen, wie populär Bashar al-Assad ist. Die Namen der Wähler wird der UNHCR mit denen der registrierten Flüchtlinge abgleichen, und all jene, die gewählt haben, werden in Zukunft keine Hilfe mehr erhalten, da diese, entsprechend des humanitären Grundsatzes der ‚Heimatlosigkeit’, allein für jene bestimmt ist, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können, weil sie vor dem Regime geflohen sind.“

Nicht viele syrische Flüchtlinge erfuhren von diesen Gerüchten, was daran lag, dass die Mehrheit von ihnen keinen Zugang zu den sozialen Netzwerken und Chat Apps hat, über welche sich diese Storys vor allem verbreiteten. Zudem fürchten die syrischen Flüchtlinge das Regime mehr als den Verlust der UNCHR-Hilfe und der UNHCR sandte ein Dementi an alle registrierten Flüchtlinge.

Fazit

Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie sehr sich die Gerüchte auf die Wahlbeteiligung der syrischen Flüchtlinge im Libanon ausgewirkt haben, augenscheinlich haben ihnen aber zumindest einige Syrer Glauben geschenkt, was auch mehrere Artikel und Reportagen bestätigen. Der Einfluss, den diese Gerüchte auf die Wahl hatten, war jedoch nicht so wichtig wie ihre Folge für das Verhältnis zwischen syrischen Flüchtlingen und Libanesen. Weitere Gerüchte führten dazu, dass sich die öffentliche Meinung im Libanon gegen die Syrer wandte, was sich auch daran zeigt, dass zahlreiche libanesische Politiker, Persönlichkeiten und Stars dafür eintraten, die syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat abzuschieben.
 

Aus dem Englischen von Bernd Herrmann.

Dieser Text erschien in der englischsprachigen Ausgabe "Rumours" der Reihe Perspectives Middle East.