Rede zur Verleihung des Petra-Kelly-Preises 2014

Ralf Fücks
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Ralf Fücks während seiner Ansprache zum Petra-Kelly-Preis 2014

Die Heinrich-Böll-Stiftung verleiht den Petra-Kelly-Preis 2014 stellvertretend für das Violations Documentation Center an vier syrische Menschenrechtsaktivist/innen, die seit dem 9. Dezember 2013 spurlos verschwunden sind. Ihre Namen lauten:

  • Razan Zeitouneh
  • Samira al-Khalil
  • Wael Hamada
  • Nazem Hamadi

Wir würdigen damit ihr mutiges humanitäres und politisches Engagement inmitten eines Krieges, in dem inzwischen an die zweihunderttausend Menschen getötet und Millionen in die Flucht getrieben wurden. Zugleich verbinden wir mit dieser Preisverleihung die Hoffnung, dass alle vier bald zu ihren Familien und Freunden zurückkehren können.

Das Violations Documentation Center dokumentiert Verstöße gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht, von welcher Konfliktpartei sie auch immer begangen werden. Es steht mit dieser Arbeit für zentrale Anliegen der demokratischen Bewegung in Syrien: Die Achtung von Würde, Freiheit und Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, des Geschlechts, der Herkunft und der Konfession.

Die Verschleppung der vier Aktivist/innen verdeutlicht auf tragische Weise die dramatische Situation in Syrien. Wir fordern ihre sofortige Freilassung und solidarisieren uns mit all jenen, die sich unter Lebensgefahr für die Einhaltung der Menschenrechte und ein Ende der Gewalt einsetzen.

Nicht zuletzt wollen wir mit dieser Ehrung der „Douma 4“ an die Millionen Menschen erinnern, die in Syrien unter Krieg und Verfolgung leiden. Die internationale Gemeinschaft hat der syrischen Tragödie lange weitgehend passiv zugeschaut. Erst seitdem der „Islamische Staat“ auf den Plan getreten ist, wird ernsthaft über die Notwendigkeit diskutiert, der Barbarei entgegenzutreten. Sie hat aber nicht erst mit dem IS begonnen. Schon seit Beginn der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung durch das Assad-Regime waren Massaker, Bombardements gegen die Zivilbevölkerung und Folter an der Tagesordnung.

Der Petra-Kelly-Preis
Die Heinrich-Böll-Stiftung verleiht den mit 10.000 Euro dotierten Petra-Kelly-Preis seit 1998 alle zwei Jahre an Personen oder Gruppen, die sich in herausragender Weise für die Achtung der universellen Menschenrechte, für gewaltfreie Konfliktlösungen oder den Schutz der natürlichen Umwelt einsetzen.

Wir wollen mit diesem Preis auch die Erinnerung an Petra Kelly wach halten. Sie war die treibende Kraft in der Gründungsphase der bundesdeutschen Grünen, eine herausragende Persönlichkeit der weltweiten Ökologie- und Friedensbewegung und eine große Europäerin. Wer sie kannte, hat sie als energiegeladene, leidenschaftliche und zugleich zerbrechliche Person in Erinnerung, die mit ihrem rastlosen Aktivismus oft über ihre eigenen Grenzen ging.

Die Solidarität mit unterdrückten Minderheiten, der Kampf für Menschenwürde und Menschenrechte war eine zentrale Triebfeder für ihr politisches Engagement. Wir wissen nicht, welche politische Haltung Petra heute zu der entfesselten Gewalt in Syrien und im Irak einnehmen würde. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob sie auch jetzt ihrer pazifistischen Grundhaltung treu bleiben oder ob sie sich der Forderung nach Waffen für die Kurden oder der Errichtung einer Schutzzone für die Zivilbevölkerung annähern würde.
Wir können aber sicher sein, dass sie laut hörbar mehr Empathie mit den Millionen Flüchtlingen einfordern würde, die verzweifelt nach einem sicheren Hafen suchen, in dem sie Atem holen und ihr Leben neu aufbauen können. Ein Europa, das seine Herzen und seine Grenzen vor diesem Drama verschließt, ist ganz bestimmt nicht das Europa, von dem Petra geträumt hat.

Die Preisträger/innen
Ich möchte abschließend noch an die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger erinnern, die alle auf ihre Weise für die Wert stehen, für die Petra Kelly sich eingesetzt hat:

1998: Unrepresented Nations and Peoples Organization, UNPO
2000: Berta und Nicolasa Quintreman Calpán, indigene Aktivistinnen, Chile
2002: Ingrid Betancourt, ehemalige grüne Politikerin, Kolumbien
2004: Wangari Maathai, Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, Kenia
2006: Juri Schmidt, Menschenrechtsanwalt, Russland
2008: Zhang Sizhi, auch er ein Anwalt, China
2010: Marianne Fritzen, Symbolfigur der Anti-Atom-Bewegung, Deutschland
2012: Ales Bialiatski, Menschenrechtsaktivist, Belarus (Weißrussland) – Auch an ihn wurde der Preis in Abwesenheit verliehen, weil er damals als politischer Häftling gefangen gehalten wurde. Seit Juni 2014 ist er wieder auf freiem Fuß, was uns außerordentlich freut. Wir werden ihn im kommenden Januar hier in der Stiftung zu Gast haben.

 

Video-Mitschnitt der Preisverleihung am 27. November 2014



 

Fotos von der Preisverleihung

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