„Ein gutes Leben ist nicht möglich“

Der Bürgerkrieg im Südsudan trieb bisher zwei Millionen Menschen in die Flucht. Vor allem die Kinder leiden darunter – etwa 400.000 können im eigenen Land nicht zur Schule gehen. Wer ins Ausland floh, muss dafür unglaubliche Strapazen auf sich nehmen.

Seit der friedlichen Abspaltung des Südsudans im Juli 2011 ist das Land weit hinter den Erwartungen der internationalen Staatengemeinschaft und vor allem der eigenen Bevölkerung zurückgeblieben. Am 15. Dezember 2013 eskalierte ein politischer Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem Rivalen, dem ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar zu einem Bürgerkrieg, unter dem mittlerweile fast jede/r Zweite im Südsudan leidet. Zehntausend Menschen sind laut Schätzungen ums Leben gekommen und fast zwei Millionen Menschen aus dem Südsudan sind auf der Flucht, berichtet das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Sie fliehen vor Gewalt, Krankheit und einer drohenden Hungersnot, von der bis zu vier Millionen Menschen bedroht sind.  Frauen und Kinder sind die Hauptleidtragenden der prekären Situation in und außerhalb der UN-Lager. Im Flüchtlingslager in der Hauptstadt Dschuba gibt es noch nicht einmal Platz für eine Schule. Eine Studie der Hilfsorganisation Save the Children im September fand heraus, dass 400.000 Kinder aus den vom Konflikt am schlimmsten betroffenen Bundesstaaten — Upper Nile, Unity und Jonglei — nicht zur Schule gehen.
Entweder sind Kinder und Lehrer auf der Flucht, oder die andauernde Gewalt lässt keinen Unterricht zu. Das könnte laut Jasmine Whitbread von Save the Children weitreichende Folgen haben: „Wir können nicht auf eine positive Zukunft des Landes hoffen, wenn die Kinder heute nicht ausgebildet werden.“

Die Friedensverhandlungen ziehen sich hin, es wird weiterhin unerbittlich gekämpft

Während sich die von dem ostafrikanischen Regionalverbund IGAD geführten Friedensverhandlungen zwischen Vertretern der beiden Rivalen mit gegenseitigen Anschuldigungen und unnachgiebigen Machtansprüchen seit Monaten hinziehen, wird in Teilen des Südsudans unerbittlich weitergekämpft.  Laut dem South Sudan Crisis: Humanitarian Snapshot vom 27. Oktober sind 1,4 Millionen Menschen auf der Flucht im eigenen Land, während 470.000 Menschen Schutz in den benachbarten Ländern suchen. Etwa 100.000 Menschen suchen Zuflucht in Lagern der UN Mission im Südsudan (UNMISS).

Die Bedingungen in den über das Land verteilten neun UN-Lagern sind alarmierend. Hilfsorganisationen ringen mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen, mit Überschwemmungen. Sie versuchen Trinkwasser und Nahrung bereitzustellen und kämpfen gegen Krankheiten wie Cholera und Malaria, die sich in den überfüllten Lagern leicht ausbreiten.

Die Situation der Flüchtlinge in den benachbarten Ländern ist oftmals kaum besser. Es mangelt an der Grund- und Gesundheitsversorgung, aber auch an geeigneten Bildungsstrukturen. In Uganda hat die Regierung zwar kürzlich beschlossen, dass alle Flüchtlingskinder aus dem Südsudan am Unterricht teilnehmen dürfen, doch das bedeutet für viele dieser Kinder lange Schulwege.  Kinder, die im Lager in Boroli in Norduganda untergekommen sind, müssen jeden Tag 15 Kilometer in die nächstgelegene Grundschule zurücklegen. Rachel Akot besucht die 6. Klasse in Boroli. Sie sagt, der Schulweg sei ein täglicher Kampf: „Ich habe keine Zeit zum Frühstücken und Mittagessen. Ich hungere bis zum Abend, und auf dem Heimweg bin ich manchmal so schwach, dass ich mich öfter unter einem Baum ausruhen muss.“  Experten erwarten mit dem Ende der Regenzeit noch eine Zuspitzung der Gewalt

Wie viele Flüchtlinge in den Lagern im Südsudan strahlen auch Rachel und viele andere Kinder in Boroli eine Entschlossenheit aus. Sie wollen überleben und hoffen, dass sie bald wieder nach Hause gehen können.„Ich bete dafür“, sagt Ayok Deng, der Schuhe im Lager in Boroli putzt, anstatt zur Schule zu gehen. „Ein gutes Leben auf der Flucht und im Lager ist nicht möglich, speziell nicht für uns Kinder.“ Die Kämpfe aber gehen weiter und mit dem Ende der Regenzeit erwarten viele Experten eine erneute Zuspitzung der Gewalt und eine Verschärfung der humanitären Krise. Um sie zu bekämpfen, verzeichnet die UN schon jetzt eine Finanzierungslücke von 700 Millionen US Dollar.  Doch es fehlt nicht nur an Geld, es fehlt auch an Druck von Seiten der Internationalen Gemeinschaft und der Südsudanesischen Menschen selbst — Druck auf die Konfliktparteien, sowohl den Präsidenten Salva Kiir und seine Regierung, als auch den Rebellenführer Riek Machar und seine Anhänger, den Teufelskreis aus Gewalt, Instabilität und Flucht im eigenen Land zu brechen.