Jeder nach seiner Façon

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Kundgebung vor der Flüchtlingsunterkunft in Hellersdorf, Berlin

Wie viele Duschen braucht ein Heim? Wie werden Frauen geschützt? Wo können die Kinder spielen und wie kommen sie zur Schule? Deutschland kennt keine verbindlichen Standards, wie ein Flüchtlingsheim auszusehen hat. So werden die Menschenrechte der Flüchtlinge in vielen Fällen faktisch ausgehöhlt.

Die Bilder der Misshandlungen von Flüchtlingen im nordrhein-westfälischen Burbach im Oktober dieses Jahres haben einen besonders erschreckenden Einblick in die Zustände deutscher Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Aber schon lange ist bekannt, dass es in Deutschland nicht genügend und vor allem nicht ausreichend zumutbare Unterkünfte für Asylsuchende gibt. In München ließ die Landesregierung die Situation der Flüchtlinge in der Phase der ersten Aufnahme über Monate tatenlos eskalieren, bis sogar Kinder obdachlos und ohne Decke im Freien übernachten mussten.

Diese Zustände lassen sich nicht mit der zweifellos richtigen Feststellung rechtfertigen, dass immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Zum einen war diese Entwicklung seit geraumer Zeit absehbar. Zum anderen gibt es diese katastrophalen Zustände in einigen Unterkünften nicht erst, seit die Zahlen so deutlich gestiegen sind. Schon zuvor haben etwa Wohlfahrtsverbände immer wieder auf solche Zustände hingewiesen. Elementare Rechte der nach Deutschland geflohenen Menschen aber finden keine Beachtung.

Unmissverständlich festgehalten sind diese Rechte etwa im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, in der UN-Frauenrechtskonvention oder der UN-Kinderrechtskonvention. Deutschland hat diese Verträge ratifiziert. Damit sind sie geltendes Recht, das von sämtlichen Staatsorganen auf der Ebene des Bundes, der Länder bis hin zu den Kommunen zu beachten ist. Die Rechte der Flüchtlinge aber haben keine Priorität auf der politischen Agenda dieses Landes.

Manche Bundesländer haben Standards, manche nicht

Das Problem ist: Es gibt es keine einheitlichen, bundesweit verbindlichen Standards, die vorgeben, wie ein Heim aussehen und wie es betrieben werden soll. Solche Standards aber wären die Voraussetzung, damit die Rechte der Flüchtlinge überhaupt greifen können. Das beginnt schon bei der Wahl des Standortes: Werden die Heime an den Rändern von Städten eingerichtet, kann - zum Beispiel - das Recht auf Bildung faktisch untergraben werden. Denn der Weg zur Schule muss für die Kinder zu schaffen sein. Manche Bundesländer haben Standards festgelegt, manche nicht. Und wenn es Regelungen gibt, sind sie wiederum sehr unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland.

Zu den Rechten zählt auch das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung; es müssen also ausreichend Toiletten und Duschen zur Verfügung stehen. Das Recht auf Schutz vor Gewalt und sexuellen Übergriffe erfordert, dass sich insbesondere alleinstehende Frauen sicher bewegen und zum Beispiel in separaten Zimmern wohnen können. Aus dem Recht auf Familienleben ergibt sich, dass Verwandte in Sammelunterkünften gemeinsam unterkommen und unter sich bleiben können. Aus dem Recht der Kinder auf Spiel und aktive Erholung folgt, dass Spielzimmer wie auch Außenanlagen zur Freizeitgestaltung angeboten werden müssen.

Die Realität sieht bekanntlich anders aus: Die Menschen leben häufig auf engstem Raum. Bedürfnisse von Einzelnen oder Familien nach Wohnraum, nach Privatsphäre, aber auch Austausch untereinander werden häufig nicht berücksichtigt. Gerade auch die Sicherheit ist oft nicht gewährleistet. Besonders alleinstehende Frauen sind der Gefahr von Belästigungen und sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Kinder haben kaum Möglichkeiten, ungestört zu spielen oder sich zu bewegen

Flüchtlinge müssen aufgeklärt werden, wo sie sich beschweren können

Wenn die öffentliche Hand privaten Anbietern das Betreiben von Flüchtlingseinrichtungen überträgt, ließe sich auch hier durch Mindeststandards verhindern, dass sich die günstigsten Anbieter durchsetzen, ohne für menschenwürdige Bedingungen sorgen zu müssen. Gegenwärtig spielen bei Ausschreibungen häufig allein Kosten die ausschlaggebende Rolle.

Alle Standards aber nützen nichts, wenn sie nicht überprüft werden, das heißt: Die Heime müssen regelmäßig kontrolliert werden. Und die Flüchtlinge selbst sollten aufgeklärt werden, wo und wie sie sich über unzumutbare Zustände in Einrichtungen und insbesondere über gewalttätige Übergriffe beschweren können.

Der Aufenthalt in Flüchtlingsunterkünften ist aus menschenrechtlicher Perspektive grundsätzlich problematisch; er sollte daher nur vorübergehend sein. In der Realität bleiben Menschen häufig über Jahre hinweg dort, was nicht zumutbar ist. Sie sollten möglichst schnell Zugang zum Wohnungsmarkt erhalten. Ein Wohnraummanagement könnte sie bei der Wohnungssuche unterstützen.

Nicht zuletzt: Warum sollte es nicht auch Privatpersonen erlaubt sein, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen? Insbesondere in Fällen, in denen es schon Bindungen oder Kontakte zu hier lebenden Menschen gibt, etwa zu Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten, wäre das doch eine denkbare Konstellation.