Programmatik der G20 zur Korruptionsbekämpfung

Programmatik der G20 zur Korruptionsbekämpfung

Für das Ziel der G20, inklusives Wachstum zu generieren und einen transparenten, sichereren und nachhaltigeren Wirtschaftsrahmen zu schaffen, ist Korruptionsbekämpfung eine entscheidende Voraussetzung. Intransparenz im globalen Finanzsystem verschleiert korrupte und zuweilen kriminelle Machenschaften wie z. B. Steuer- oder Vermögensflucht, Bestechung und Geldwäsche. Der grenzübergreifende Charakter des Problems verlangt nach globalen Lösungen, die die G20 voranbringen muss.

Die Staatsoberhäupter der G20 haben 2010 die Einrichtung einer neuen G20-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung beantragt. Deren Aufgabengebiet sollte unter anderem folgende Bereiche umfassen:
„die Verabschiedung und Durchsetzung entschlossener und effektiver Regelungen zur Bekämpfung von Bestechung, die Bekämpfung der Korruption im öffentlichen und privaten Sektor, die Zusammenarbeit durch Verweigerung der Einreiseerlaubnis, die Auslieferung und die Einziehung von Vermögensgegenständen sowie den Schutz von Informant/innen, die Korruption nicht hinnehmen wollen“.[1] 
Die G20 verabschiedete 2010 ihren ersten Zwei-Jahres-Aktionsplan zur Korruptionsbekämpfung. Dieser wurde 2012 aktualisiert. Im November 2014 einigten sich die G20-Mitgliedsstaaten auf einen modifizierten dritten Aktionsplan für den Zeitraum 2015–2016 und einen ersten detaillierten Umsetzungsplan. Im September 2016 wurde in Hangzhou ein vierter Aktionsplan für 2017–2018 vereinbart, für den ein detaillierter Umsetzungsplan voraussichtlich Ende 2016 angenommen wird.

Konkrete Ziele

Der G20-Aktionsplan zur Korruptionsbekämpfung für 2017–2018 setzt folgende Prioritäten:

  1. Praktische Zusammenarbeit: Die G20 ist bestrebt, die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten zu verbessern, um die Gesetze zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche grenzüberschreitend durchzusetzen und die Rückführung veruntreuten Vermögens zu ermöglichen. Unter der chinesischen G20-Präsidentschaft wurden weitere Schritte ausgearbeitet, die verhindern sollen, dass korrupte Amtsträger/innen im Ausland Zuflucht finden.
  2. Transparenz wirtschaftlicher Eigentümerschaft: Das Sammeln, Überprüfen und Teilen von Informationen über die tatsächlichen Eigentümer/innen von Firmen, also über jene Personen, die ein Unternehmen in Wirklichkeit besitzen und kontrollieren und nicht nur als Strohmänner oder Scheinfirmen fungieren, erschwert es korrupten Individuen, ihre Identität bei Transaktionen zu verschleiern. Die G20 verpflichtet sich zu intensiveren Bemühungen um die Einhaltung globaler Transparenzstandards, denen die meisten Länder derzeit nicht gerecht werden.
  3. Transparenz und Integrität im privaten Sektor: Die G20 verpflichtet sich zur Unterstützung von integritätsfördernden Bestrebungen im privaten Sektor, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen und im nichtfinanziellen Dienstleistungssektor (z. B. Rechtsanwält/innen, Steuerberater/innen, Immobilienmakler/innen).
  4. Bestechung: Die G20 verpflichtet sich, in- und ausländische Bestechung unter Strafe zu stellen und die Umsetzung entsprechender Gesetze sicherzustellen. Zudem verpflichtet sich die Gruppe, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, dass die vier noch fehlenden G20-Länder die OECD-Konvention zur Auslandsbestechung ratifizieren.
  5. Transparenz und Integrität im öffentlichen Sektor: Die G20 verpflichtet sich, die Transparenz und Rechenschaftspflicht im öffentlichen Sektor zu verbessern. Das umfasst künftige Anstrengungen zur Einbeziehung der Zivilgesellschaft, die Stärkung von Antikorruptionsbehörden, öffentlich-private Partnerschaften, Interessens- und Immunitätskonflikte und die Verfügbarkeit und Nutzung frei zugänglicher Daten entsprechend den Open-Data-Grundsätzen der G20.
  6. Korruptionsanfällige Sektoren: In der Vergangenheit hat die G20 sich auf sogenannte korruptionsanfällige Sektoren konzentriert, darunter fielen die Rohstoff- und Holzverarbeitungsindustrie, die Fischereiwirtschaft sowie das Zollwesen und die Baubranche. Die G20 verpflichtet sich, ihre Arbeit bezüglich der korruptionsanfälligen Sektoren fortzuführen, aber es ist noch nicht klar, welche Branchen künftig darunterfallen werden.
  7. Internationale Organisationen: Die G20 verpflichtet sich, internationale Organisationen bei der Ausweitung ihrer Antikorruptionsbemühungen zu unterstützen.
  8. Kapazitätsaufbau: Die G20 verpflichtet sich, Länder bei der Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) – die das erste weltweite, rechtsverbindliche Übereinkommen der UN zu diesem Thema darstellt – und anderer Initiativen zur Korruptionsbekämpfung zu unterstützen und hierbei fachlichen Beistand zu leisten.

Begrenzte Verbindlichkeit

Die G20 ist aus mehreren Gründen ein wichtiges Entscheidungsgremium. Sie hat zu einer Reihe von Themen Leitfäden, Studien und Grundsätze ausgearbeitet, darunter die folgenden:

Zudem spricht die G20 legislative Empfehlungen und Verpflichtungserklärungen aus. Zivilgesellschaft und andere Interessengruppen können die G20 zu deren Einhaltung zumindest auffordern, die Umsetzung überprüfen und die internationale Messlatte damit höher setzen, wie die drei folgenden Beispiele zeigen:

  • „Die fehlenden drei G20-Mitgliedsstaaten werden die UNCAC so bald wie möglich ratifizieren und in vollem Umfang umsetzen.“
  • „Die G20-Mitgliedsstaaten, die noch keinen gesetzlichen Schutz für Informant/innen haben, werden Regeln zum Schutz derselben erlassen und in Kraft setzen.“
  • „Wir sind weiterhin bestrebt, in unseren Rechtssystemen keinerlei Schlupflöcher und Zufluchtsorte für korrupte Amtsinhaber/innen und jene, die sie korrumpieren, zuzulassen.“[5]

Allerdings sind die Prinzipien der G20 nicht bindend. Obwohl es im Laufe der Zeit Fortschritte gegeben hat, ist die Umsetzung der Verpflichtungserklärungen durch die G20-Mitgliedsstaaten unzureichend. Transparency International hat den Stand der Umsetzung der G20-Prinzipien zur Transparenz in Bezug auf den/die wirtschaftlich Berechtigte/n[6] ein Jahr nach deren Verabschiedung überprüft und festgestellt, dass nur ein Land (Großbritannien) über ein effektives Verfahren verfügte. Ähnlich verhält es sich mit der OECD-Konvention zur Auslandsbestechung. Seit der Einsetzung der Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung wurden von der G20 Verpflichtungserklärungen veröffentlicht, mit denen alle Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert werden, diese Konvention zu ratifizieren. Vier Länder haben das immer noch nicht getan: Indien, Indonesien, China und Saudi-Arabien.

Im Laufe der Zeit erzielte Fortschritte

  • In den letzten drei Jahren haben Indien und Saudi-Arabien den Verpflichtungserklärungen entsprochen und die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert, nur Japan fehlt also noch. 15 der 17 Länder, die sich einer Überprüfung unterzogen haben, beziehen die Zivilgesellschaft in die Korruptionsprävention und -bekämpfung mit ein.
  • Bis auf die vier Länder China, Indien, Indonesien und Saudi-Arabien haben alle G20-Mitgliedsstaaten die OECD-Konvention gegen Auslandsbestechung ratifiziert. Russland stimmte dem Abkommen 2012 in vollem Umfang zu. China, Indien und Indonesien haben inzwischen diesbezüglich mit der OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung Gespräche aufgenommen.
  • Mehrere G20-Mitgliedsstaaten haben entsprechend den Verpflichtungserklärungen der G20 Gesetze zum Schutz von Informant/innen eingeführt oder verschärft. Die allgemeine Umsetzung ist aber nach wie vor unzureichend.
  • Die G20 haben 2014 die Hochrangigen Prinzipien zur Transparenz in Bezug auf den/die wirtschaftlich Berechtigte/n verabschiedet (s. o.) und damit, zunächst innerhalb ihrer Mitgliedsstaaten, Maßnahmen gegen die Verschleierung der Eigentumsstrukturen von Unternehmen gefordert. Deren Umsetzung lässt generell zwar noch zu wünschen übrig, aber Frankreich, Südafrika und Australien haben bereits zugesagt, öffentlich zugängliche Register, die internationalen Standards entsprechen, mit Informationen über wirtschaftlich Berechtigte einzuführen bzw. deren Einführung in Erwägung zu ziehen. Großbritannien hat bereits ein eigenes öffentliches Verzeichnis eingeführt.

Blick in die Zukunft

Die Einzelheiten zur Umsetzung des neuen G20-Aktionsplans zur Korruptionsbekämpfung für den Zeitraum 2017–2018 sollen Ende 2016 von der G20-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung veröffentlicht werden. Klar ist aber bereits, dass die G20 dem Themenkatalog „Transparenz“ besondere Aufmerksamkeit schenken wird. So unterstützt sie Umsetzungsbestrebungen für die Prinzipien zur Transparenz im Vergabewesen und für die Open-Data-Prinzipien in der öffentlichen Finanzverwaltung.

Dadurch reduziert sich künftig die Gefahr, dass Steuergelder durch Korruption in schlecht geführten bürokratischen Systemen verloren gehen. China hat die Auslieferungsforderung von „flüchtigen Verdächtigen“ auf die Tagesordnung gesetzt und erwartet von den G20-Mitgliedsstaaten verbindliche Zusagen über zügige Anstrengungen in diese Richtung: Mutmaßlich korrupte ehemalige Amtsinhaber/innen sollen nirgendwo Zuflucht finden, sondern in ihre Herkunftsländer ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt werden.

Die Rolle der Beteiligungsgruppen[7]

Die Business 20 (B20) wurde 2012 gegründet, um eine Plattform für den Austausch zwischen großen Unternehmen und den Regierungsvertreter/innen der G20-Mitgliedsstaaten zu schaffen. Die B20 hat eine Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung gegründet, die parallel zu den entsprechenden Arbeitsgruppen der G20 und Civil 20 (C20) arbeitet. Transparency International berät als Fachorganisation seit der mexikanischen Präsidentschaft im Jahr 2012 diese Arbeitsgruppe. Unter der chinesischen G20-Präsidentschaft wurde die Arbeit dieser Arbeitsgruppe zeitweilig ausgesetzt. Die deutsche Präsidentschaft beabsichtigt jedoch die erneute Fortsetzung dieser Arbeit.

Die Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung der C20 wurde 2013 unter der russischen G20-Präsidentschaft gegründet und als Governance-Arbeitsgruppe sowohl unter der australischen als auch unter der türkischen G20-Präsidentschaft fortgeführt. Auch die Arbeit dieser Arbeitsgruppe wurde unter der chinesischen G20-Präsidentschaft ausgesetzt.
Transparency International beabsichtigt die Arbeit mit der G20-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung und mit anderen Partnern fortzusetzen, um entsprechende Aktivitäten der G20 während der deutschen Präsidentschaft voranzutreiben.

Dieser Artikel ist ein Beitrag aus unserem Dossier "G20 im Fokus".

Quellen:

[1] Siehe: Arbeitsübersetzung der Bundesregierung zur Erklärung des G20-Gipfeltreffens in Toronto vom 26./27. Juni 2010; S. 12.

[2] Die Prinzipien finden Erwähnung im Bericht der Bundesregierung über den G20-Gipfel in Los Cabos vom 18.-19. Juni 2012; auf S. 9. Dort werden „die von der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) verabschiedeten Prinzipien zur Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse von hochrangigen Amtsträger/innen” als “von der G20 indossiert” erwähnt. Sie sind hier in Englisch in einem Dokument der nachfolgenden russischen Präsidentschaft nachlesbar.

[3] Dieser Link führt zum “Kommuniqué der Staats- und Regierungschefs des G20-Gipfeltreffens in Antalya, 15. bis 16. November 2015”. Die betreffenden Grundsätze werden dort lediglich gebilligt, nicht publiziert. Sie sind hier in englisch nachzulesen.

[4] Hierbei handelt es sich um die deutsche Fassung des “Kommuniqué der Staats- und Regierungschefs des G20-Gipfeltreffens in Antalya, 15. bis 16. November 2015”, wo die besagten Grundsätze erwähnt, aber nicht publiziert werden. Sie sind hier in Englisch nachlzulesen.

[5] Alle Zitate sind Übersetzungen d. Herausgeber von Auszügen aus: G20 Anti-Corruption Action Plan 2013-2014.

[6] Wirtschaftlich berechtigte Personen sind juristische oder Privatpersonen, die tatsächlich Inhaber eines Unternehmens oder Verfügungsberechtigte über ein Vermögen sind, nicht Strohmänner oder Briefkastenfirmen.

[7] Siehe Serie „Die Grundlagen #4“ zu den Beteiligungsgruppen.