«Wenn ich mir was wünschen dürfte? Unsere Landnutzung muss enkeltauglich werden!»

Ich möchte sie wieder erleben: historisch gewachsene, harmonische Kulturlandschaften, geprägt von tätigen Menschen mit täglicher Naturbegegnung, Naturerfahrung und daraus gewachsener Naturverantwortung.

Vor nunmehr über einem halben Jahrhundert wurde mit dem Buch von Rachel Carlson «Der Stumme Frühling» (1962) und dem folgenden Bericht des Club of Rome (1972) der Weltgemeinschaft deutlich aufgezeigt, dass die Zukunftsfähigkeit der menschlichen Zivilisation in Frage steht. Ausgelöst durch die Zerstörung der uns tragenden Ökosysteme, insbesondere durch die sich weltweit ausbreitende Agrar- und Forstindustrie, wird die Funktionstüchtigkeit des Naturhaushaltes massiv beeinträchtigt. Es gilt jetzt und sofort zu handeln, statt noch weiter zu Details zu forschen, zu verdrängen. Denn es gibt sie, die Projekte des Gelingens, die Vorbilder im wirklich nachhaltigen, enkeltauglichen Umgang mit unserer Lebensgrundlage Kulturlandschaft im so wunderbar ökologisch gebauten Haus Erde.

All das zwingt jedoch zu einschneidenden Veränderungen der Agrar- und Forstpolitik; ein «Weiter so» ist beim heutigen Zustand großer Teile unserer Nutzungslandschaft mit ihrem hochgradig gestörten Wasser-, Nährstoff- und Kohlenstoffhaushalt, der unerträglichen Pestizidbelastung, dem Verlust an natürlicher Bodenfruchtbarkeit (des Humus) nicht mehr hinzunehmen. Das gilt auch für den Verlust der in mehrtausendjähriger Koevolution des Menschen mit der von ihm genutzten Natur entstandenen Lebensfülle: der Biodiversität unserer historisch gewachsenen Kulturlandschaft. In ­meiner Kindheit auf dem Bauernhof erlebte ich sie noch: die Tiere als Haustiere, die Gärten mit ihrer Vielfalt an Arten, die Äcker, Wiesen und Weiden mit blühenden Wildkräutern und damit verbundenem ­Insekten- und Vogelreichtum.

Als Zehnjähriger beim Schafehüten entfaltete sich meine ­Liebe zur Natur, ich begriff aber auch schon ihre Verwundbarkeit. Die Landschaft wurde zur Heimat. Wenn ich heute in mein Dorf im östlichen Brandenburg zurückkomme, fühle ich den Verlust dieser Heimat mit ihrer Kultur der Landnutzung. Die vielen Feldteiche mit Fröschen, Kröten und Molchen, den Libellen und Gelbrandkäfern, mit Zwergtaucher und Teichhuhn sind heute vertrocknet, mit von den Äckern abgeschwemmten Oberböden gefüllt, von Brennnessel­fluren geprägt. Ein Kesselmoor auf unserem Acker, das mich in der Kindheit besonders beeindruckte, ist ebenfalls verschwunden. Es war über Jahrtausende gewachsen, ein geheimnisvoller Ort mit Torfmoosen und Wollgras, wo ich mein erstes Rohrweihennest fand. Die Greifvögel, die ich als Kind ständig am Himmel sah – Bussarde, Milane, Weihen – suche ich jetzt vergebens.

Die Nützlichkeit, Vielfalt und Schönheit unserer Kulturlandschaft zu erhalten ist das Gebot der Stunde. Besinnen wir uns ­wieder auf das Konzept einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft! Im Mittelpunkt allen Handelns muss das Gemeinwohl stehen. ­Unser Lebensstil muss sich in die ökologischen Grenzen einpassen. ­Fridays for Future gibt mir Hoffnung!

Ich möchte sie wieder erleben: historisch gewachsene, harmonische Kulturlandschaften, geprägt von tätigen Menschen mit täglicher Naturbegegnung, Naturerfahrung und daraus gewachsener Naturverantwortung. Befreit von Agrargiften und Überernährung durch mineralischen Dünger, mit Klarwasserseen, Bächen, aus denen ich noch trinken kann, wachsenden, lebenden Mooren, die ­wieder CO2 speichern … und das mit fröhlichen Menschen, die sich als Teil der Natur einfügen, mit Naturachtung, Spiritualität, Demut.

Kann es etwas Wichtigeres, etwas Schöneres geben?!


Prof. em. Dr. Michael Succow ist Biologe, Stifter (Succow-Stiftung) und Träger des «Right Livelihood Awards». International ist er vor allem als MoorÖkologe bekannt. Im nächsten Jahr wird er 80 Jahre alt.

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