Ihr tägliches Brot

Der Fotograf Gregg Segal hat Kinder aus aller Welt fotografiert – inmitten der Lebensmittel, die sie in einer Woche zu sich nehmen.

Wie unterscheidet sich der Speiseplan von Kindern in unterschied­­lichen Ländern oder Kulturen? Für „Daily Bread“ hat der ­Fotograf Gregg Segal ­Jungen und Mädchen in Nord- und Südamerika, Europa, Asien und ­Afrika getroffen und sie inmitten der ­Lebensmittel, die sie in einer Woche zu sich nehmen, fotografiert. Jedes der ­Kinder musste eine Woche lang die Speisen aufschreiben, die es zu sich genommen hat – Foodstylisten und Köche reproduzierten die ­Gerichte dann für das Shooting. Die Kinder sollten dafür ihr Lieblingsoutfit tragen, zu jedem Land wählte der Fotograf einen passenden Stoff als Hintergrund. Abgelichtet wurden sie dann aus der Vogelperspektive.

Fotografien: Gregg Segal / Texte: Martin Reichert

01_c-Gregg-Segal_72dpi.jpg

Sira Cissokho, 11,

lebt in Tambacounda, nördlich von Dakar (Senegal). Sie ist eines von neun Kindern, der Vater ist Musiker, die Mutter Hausfrau. Nicht immer bekommt Sira genug zu essen. Die Familie bezieht ihre Lebensmittel zum Großteil aus dem eigenen Garten, auch ­Hirse und Erdnüsse gedeihen dort. Sie hat gelernt Ngalakh zu kochen, ein ­typisches Hirsegericht aus dem Senegal. Zu ­besonderen Anlässen bereitet die Mutter ­Siras Lieblingsessen: Hühnchen. Sira träumt davon, ihren Eltern eine Reise nach Mekka schenken zu können.


02_c-Gregg-Segal_72dpi.jpg

Rosalie Durand, 10,

lebt in Nizza (Frankreich). Seitdem sich ihre Eltern getrennt haben, ist sie mal beim ­Vater, mal bei der Mutter. So kann sie sowohl das Mittelmeer als auch die Alpen von zu Hause aus sehen. Rosalie ernährt sich gesund, isst viel frischen Fisch. Ihr Vater, ein Restaurateur, hat ihr beigebracht, wie man Crepes, Salat und Linseneintopf kocht – ihr Lieblingsgericht. Was sie nicht mag: Ratatouille, Spinat und Gurken. Umso lieber mag sie Thai-Kickboxen und Klettern. In Rosalies Leben fehlt eigentlich nichts. Aber wenn sie genug Geld hätte, würde sie gerne ein Segelboot oder eine Yacht kaufen.


03_c-Gregg-Segal_72dpi.jpg

Davi Ribeiro de Jesus, 12,

lebt in Brasilia (Brasilien). Zusammen mit Vater, Stiefmutter und zwei Geschwistern wohnen sie in einem Einraumhaus in der Favela von Santa Luzia, gleich nebenan von Lateinamerikas größter Müllhalde. Der Vater ist auf Arbeitssuche, als Bergarbeiter. Die Mutter kümmert sich um das Essen. Davi isst alles außer bitterem Gemüse, meistens gibt es Bohnen und Reis, manchmal mit ­etwas Schwein – er muss nie hungrig zu Bett gehen. Selbst kann er Eier kochen, Porridge und Pasta. Sein Vater hat ihm gerade beigebracht, wie man Auto fährt. Nun träumt er davon, einen Chevy zu besitzen. Und Polizist möchte er werden, wenn er mal groß ist.


04_c-Gregg-Segal_72dpi.jpg

Anchal Sahani, 10,

lebt in Chembur, Mumbai (Indien), mit ­ihren Eltern und zwei Geschwistern in einer kleinen Hütte auf einer Baustelle. Der Vater verdient weniger als 5 Dollar am Tag, ­gerade genug, damit die Mutter Currys aus Okraschoten und Blumenkohl zubereiten und Fladenbrot backen kann. Sie träumt davon, auf die Farm zurückzukehren, auf der sie früher gelebt haben – und wieder zur Schule zu gehen. Eigentlich würde sie  gerne später einmal als Lehrerin arbeiten.


05_c-Gregg-Segal_72dpi.jpg

Marek Strojvus Jr., 7,

lebt in New Haven, Connecticut (USA). ­Marek lebt mit seinem Vater zusammen – der alleinerziehende Elektroingenieur ­wurde durch seine Vaterschaft ernährungsbewusster. Marek hilft seinem Vater bei der Zubereitung der Mahlzeiten, schnibbelt ­Gemüse, püriert Hummus, formt Hack­bällchen aus Putenfleisch. Mareks früheste Kindheitserinnerung ist ein gemeinsam mit der Großmutter in der Slowakei ­gegessenes Eis. Wenn sie dort zu Besuch sind, ­helfen sie ihr bei der Gartenarbeit – und zur Belohnung gibt es für alle einen deftigen Eintopf mit Schafskäse und Speck. Sein Lieblings­essen aber sind Äpfel, Erdbeeren mit Nussbutter und Crepes mit Schokolade. Er träumt davon, später mal einen Bugatti Veyron zu fahren, das stärkste Auto der Welt.


06_c-Gregg-Segal_72dpi.jpg

Nino Khaburzania, 6,

lebt in West Hollywood, Kalifornien (USA) mit ihrer kleinen Schwester, dem Vater (Schachspieler) und der Mutter (Ultraschall-Technikerin) – rund um das Apartment wachsen Palmen. Ihre Ernährung ist ein Mix aus Großmutter Tisianas georgischen Spezialiäten (etwa Khachapuri, einem mit Käse gefülltem Brot) und Klassikern der amerikanischen Fast-Food-Küche. Pizza, ­Quesadillas, Happy Meals von McDonald’s, ­Double Doubles von In-N-Out-Burger, Subway Sand­wiches und alles von der Cheesecake Factory. Nino wäre gerne eine berühmte Persönlichkeit. Und wenn Nino Geld hätte, würde sie gerne Bücher und Spielzeug für bedürftige Kinder kaufen.

This article is licensed under Creative Commons License