Demokratisch und inklusiv

Weltweit kann beobachtet werden, dass eine fortschrittliche Umweltpolitik nur unter demokratischen und friedlichen Bedingungen möglich ist. Sie ist auch immer angewiesen auf inklusive Prozesse, Transparenz und offene Kritik. So haben in Deutschland und weltweit Umweltaktivist*innen entscheidend dazu beigetragen, eine ehrgeizige Umweltpolitik zu ermöglichen. Aber es warten noch große Herausforderungen – der Schutz des Klimas, der Meere und der biologischen Vielfalt. 

Wenn sich im Sommer die Weltgemeinschaft zur Jubiläumskonferenz Stockholm+50 trifft, gibt es leider nicht viel Grund zum Feiern. Denn trotz wichtiger Erfolge schreiten die Klimakrise, die Zerstörung der Natur und die Übernutzung der Ressourcen weiter voran. Wir haben die Grenzen des Planeten in vielen Bereichen bereits weit überschritten. Die Weltgemeinschaft kämpft noch immer mit der Coronapandemie und ihren Folgen. Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine hat unermessliches Leid über die Zivilbevölkerung gebracht. Er überschattet auch internationale Bemühungen, die globalen Probleme zu lösen.

Dabei ist eine nachhaltige Entwicklung in der Umwelt-, Klima-und Naturschutzpolitik in besonderem Maße angewiesen auf internationale Zusammenarbeit. 1972 wurde dafür in Stockholm der Grundstein gelegt. Seitdem konnten wichtige Meilensteine erreicht werden:

  • In Rio de Janeiro wurde 1992 das Prinzip nachhaltiger Entwicklung als internationales Leitbild anerkannt und die multilaterale Zusammenarbeit im Klimaschutz, im Kampf gegen Wüstenbildung, zum Schutz der biologischen Vielfalt und zum Waldschutz angestoßen.
  • Der Rio+20-Gipfel hat im Jahr 2012 das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) als Stimme der Umwelt deutlich aufgewertet.
  • 2015 gelang die Einigung auf das Pariser Klimaabkommen und die 2030-Agenda mit ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung, den SDGs.

Weitere Meilensteine liegen noch vor uns. Drei davon will ich hervorheben:

  • Das Artenaussterben ist eine weitere existenzielle Krise neben der Klimakrise - der bisher jedoch noch nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteilwird. Beide Krisen sind aufs Engste miteinander verbunden. Es geht um unsere Lebensgrundlagen, um Wasser, um die Luft zum Atmen, um unsere Lebensmittel. Die Weltgemeinschaft braucht dringend einen ambitionierten neuen globalen Rahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Dafür werde ich mich auf der Weltnaturkonferenz CBD COP 15 einsetzen.
  • Die letzte Weltumweltversammlung hat uns einem weiteren Meilenstein nähergebracht: einem rechtsverbindlichen Abkommen der Vereinten Nationen gegen Meeresmüll und Plastikverschmutzung. 
  • Ich will zudem eine Offensive für den Meeresschutz starten und setze mich in diesem Rahmen für neue globale Schutzzonen ein, für ein besseres nationales Management der Schutz-gebiete und für eine verbindliche deutsche Meeresstrategie. Die Verhandlungen zu einem Übereinkommen zum Schutz der Biodiversität der Hohen See sind hier ein wichtiger Prozess.

Die Konferenz Stockholm+50 stellt mit dem Motto «Ein gesunder Planet für den Wohlstand aller» das Thema Gesundheit in den Mittelpunkt. Ein Fokus ist die Verantwortung zwischen den Generationen. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Ansatzpunkt. Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zum Klimaschutzgesetz genau diese heutige Verantwortung zur Sicherung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen betont. Für junge Menschen spielen ökologische Themen und die notwendige Transformation eine herausragende Rolle. Sie müssen dementsprechend Gehör finden.

Natur- und Umweltschutz sind immer angewiesen auf inklusive Prozesse, Transparenz und offene Kritik. So haben in Deutschland und weltweit Umweltaktivist*innen entscheidend dazu beigetragen, ehrgeizige Umweltpolitik zu ermöglichen. Es ist auch ihr Erfolg, dass sich diese Regierung als Erste dazu bekannt hat, Klimaschutz als Querschnittsaufgabe zu begreifen. Heute kann weltweit beobachtet werden, dass eine fortschrittliche Umweltpolitik nur unter demokratischen und friedlichen Bedingungen möglich ist und nicht in Autokratien und Diktaturen – auch wenn demokratische Entscheidungsprozesse manchmal mühevoll und langwierig sind. Die Umweltbewegung ist Teil einer lebendigen Demokratie und oft sogar Teil und Treiber der Demokratisierung.

50 Jahre nach Stockholm sind viele Umweltprobleme noch immer ungelöst. Es ist aber gelungen, sie ganz oben auf die politische Prioritätenliste zu setzen. In einem nächsten Schritt muss der Schutz der biologischen Vielfalt genauso entschieden vorangetrieben werden wie der Klimaschutz und mit Maßnahmen gestützt werden, die uns beiden Zielen gleichermaßen näherbringen. Umwelt- und Klimaschutz haben heute eine wachsende Zahl von Mitstreiter*innen weltweit, die immer enger zusammenarbeiten. Darauf können wir aufbauen, um weiter daran zu arbeiten, die Lebensgrundlagen für uns und für künftige Generationen zu erhalten.


Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

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