Kampf um gestohlenes Land

Sie alle erleben, wie Unternehmen die Ressourcen ihres Landes ausbeuten, ohne für die Folgen Verantwortung zu übernehmen. Wie die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört und sie aus ihren angestammten Gebieten vertrieben werden. Aktivist*innen der unterschiedlichsten Initiativen und Organisationen haben sich entschieden, das nicht hinzunehmen. Sie kämpfen gegen mächtige Unternehmen und gegen die Tatenlosigkeit ihrer eigenen Regierung. Und vor allem dafür, dass die Menschen ihren Mut nicht verlieren und erkennen, dass sie nicht rechtlos sind. Sechs Beispiele aus sechs Ländern.

«Wir wollen in unseren angestammten Gebieten würdig leben können.»

Fabiola Vargas, Umweltingenieurin, Cochabamba, Bolivien

Illustration: Fabiola Vargas & Geuza da Cunha Morgado
Fabiola Vargas & Geuza da Cunha Morgado

Ich arbeite im Centro de Comunicación y Desarrollo Andino (CENDA), einer Nichtregierungsorgani­sation in Bolivien, die indigenen ­Bauerngemeinden hilft, unter würdigen Bedingungen in ihren angestammten Gebieten leben zu können. Der bolivianische Staat kümmert sich wenig um die Rechte der Menschen hier. Stattdessen unterstützt er die Interessen des Bergbausektors. Im Bezirk Poopó zum Beispiel kontrolliert er die Entsorgung von Bergbauabfällen nur sehr mangelhaft. Flüsse, die früher für den täglichen Wasserverbrauch und für die Landwirtschaft genutzt wurden, sind mit Schwermetallen vergiftet. Etwa 50 Familien sind allein dort betroffen. Sie können keine Lebensmittel mehr anbauen, die Tiere werden krank oder kommen deformiert zur Welt. Die Menschen ­müssen ihr Wasser von weit entfernten Orten holen, viele geben ihre Grundstücke schließlich auf und ziehen in die Stadt. Wir brauchen mehr Menschen, die sich organisieren – damit wir endlich gehört werden. Mail an CENDA.


«Wir zeigen unsere Schmerzen, aber auch unsere Erfolge.»

Geuza da Cunha Morgado, Aktivistin, Marabá, Brasilien

Ich bin Mitarbeiterin der Pastoralen Landkommission (CPT) in Marabá im brasilianischen Bundesstaat Pará. Wir unter­stützen Menschen auf dem Land, insbesondere Frauen, die unter dem größten Eisenerzbergbau der Welt leiden, betrieben von VALE S.A. Wir stellen die große Erzählung in Frage, dass Bergbau Entwicklung und Fortschritt für Familien und Gemeinden bringt, insbesondere was Frauen, Ältere und Kinder angeht. Denn in Wirklichkeit werden viele von uns wegen der Interessen großer Konzerne aus unseren Gebieten vertrieben. Bergbau verändert die lokale Wirtschaft, wir Frauen verlieren unser Land, unseren Platz zum Anbau von Nahrungsmitteln und heilenden Substanzen. Männer bekommen die lukrativen Jobs; Einkommen und Wohlstand konzentrieren sich in den Händen mächtiger Unternehmen. Wir ermutigen Frauen, ihre Schmerzen zu zeigen, aber auch ihre Erfolge. Wir erinnern sie daran, dass sie Rechte haben. Das bereitet mir große Freude. Mail an CPT.


«So vieles habe ich lange nicht gewusst!»

Hannah Pilgrim, Sozialwissenschaftlerin und Humangeographin, Berlin

Illustration: Hannah Pilgrim & Heinrich Jung
Hannah Pilgrim & Heinrich Jung

Ist Ihnen bekannt, dass Deutschland zu den größten Verbrauchern metallischer Rohstoffe, wie zum Beispiel Eisen, Kupfer oder Aluminium, gehört? Wussten Sie, dass wir metallische Rohstoffe, die im Bergbau gewonnen wurden, nahezu vollständig aus dem Ausland beziehen? Wussten Sie, dass gerade im Bergbau auf viel­fältige Weise die Rechte von Betroffenen und der Natur verletzt werden? Mir waren diese Fakten lange Zeit nicht bekannt. Die deutsche Politik unterstützt bei den Metallen seit Jahren hauptsächlich die Interessen der Industrie. Seit 2020 engagiere ich mich im Netzwerk «AK Rohstoffe» bei PowerShift, das vor zehn Jahren von Umweltschützer*innen und Menschenrechtler*innen gegründet wurde. Wir kämpfen für die Rohstoffwende: runter mit den zu hohen Metallverbräuchen in Deutschland und der EU, rasche Umsetzung geschlossener und reduzierter Stoffkreisläufe und Schutz der Menschen entlang metallischer Rohstofflieferketten. Mail an Hannah Pilgrim.


«Unsere Berufswahl entscheidet über den CO2-Footprint.»

Heinrich Jung, Elektromeister, Ingelheim

Ich lebe in Ingelheim. Vor 40 Jahren habe ich meinen Betrieb «Blitzblume» (Blitz steht für den Elektroberuf und Blume für Ökologie) gegründet. Die Betriebsgründung war die Antwort auf die simple Frage: Was kann ich als Elektromeister für den Umweltschutz tun? Ich repariere Konsumgüter und bewirke damit, dass wir wertvolle Ressourcen sehr viel länger nutzen können. Die Industrie macht das nie und nimmer. Die Unternehmen wollen verkaufen. Als Individuum hat man einige Möglichkeiten, sich für Nachhaltig­keit zu engagieren: durch persönlichen Konsum, bei Wahlen oder durch ein Engagement in Initiativen. Wir können uns fragen: ­Welchen CO2-Footprint verursache oder hinterlasse ich? Und eine persönliche Entscheidung ist besonders wichtig für die eigene ­Wirkung auf die Zukunft dieser Welt: unsere Berufswahl. Hier ­entscheidet sich, welchen Impact oder Benefit unsere Arbeit hat – und das Berufsleben ist eine sehr lange Zeit! Mail an Heinrich Jung.


«Trotz des Widerstandes haben wir wichtige Erfolge erzielt.»

Beatriz Olivera, Direktorin ENGENERA A.C., und Dolores Rojas, Heinrich-Böll-Stiftung, Mexiko-Stadt

Illustration: Beatriz Olivera & Khosi Nomnqa
Beatriz Olivera & Khosi Nomnqa

Zu unserer Initiative «¡Cambiémosla ya!» (Ändern wir es jetzt!) gehören Nichtregierungsorganisationen, Gemeinden und Akademiker*innen. Wir wollen eine Reform des Bergbaugesetzes aus dem Jahr 1992, das in den letzten 30 Jahren wirtschaftliche und extraktive Interessen begünstigte. Wir haben dafür ­Studien vorbereitet, Diskussionsveranstaltungen organisiert und Entscheidungsträger*innen im Kongress sensibilisiert. Trotz des Widerstands aus Wirtschaft und Politik haben wir schon einiges erreicht. Bergbaulizenzen sollen nun unter strengeren Auflagen vergeben werden, sozial-ökologische Belange müssen berück­sichtigt und Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien erstellt werden; indigene Gemeinden bekommen ein Recht auf Konsul­tationen und in Naturschutzgebieten darf kein Bergbau genehmigt werden; Unternehmen haben zudem die Pflicht, Sanierungs-, Schließungs- und Nachsorgepläne für Minen aufzustellen. Es ist noch ein langer Weg hin zur sozial-ökologischen Transformation im Land, aber unsere Erfolge sind ein erster wichtiger Schritt. Mail an Beatrix Olivera. Mail an Dolores Rojas.


«Keine Entscheidungen über Frauen ohne uns Frauen!»

Khosi Nomnqa, Feministin und Aktivistin, Johannesburg, Südafrika

Ich bin seit 2015 Mitglied von WAMUA/MACUA (Women Affected by Mining United in Action/Mining Affected ­Communities United in Action). Die Hauptlast der negativen Folgen der Bergbauindustrie in Afrika tragen Frauen. Sie haben kaum Chancen, im Bergbau eine Arbeit zu finden, und tragen doch die Kosten und Mühen der Pflegearbeit, die mit der Verschmutzung von Luft und Wasser verbunden sind. Kleinbäuerinnen ver­lieren ihr Land aufgrund von Bergbauvorhaben, werden sexuell belästigt und missbraucht. Frauen sollten das Recht haben, Land zu erben, sie sollten an Entscheidungen beteiligt werden, die ihr Leben betreffen. Die Menschen im Globalen Norden, die vom Bergbau in Südafrika profitieren, könnten wichtige Verbündete sein. Sie könnten ihre Regierungen auffordern, zu verhindern, dass sich Unternehmen an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligen, insbesondere an solchen, die Frauen betreffen. Mail an MACUA.


Illustrationen: Georgette Smith

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