Bodendegradation: Wir brauchen mehr Bodenschutz

Atlas

Böden sind mehr als der Dreck unter unseren Füßen – gesunde Böden sind die Grundlage unserer Existenz. Doch sie sind bedroht: Weltweit verschlechtert sich ihr Zustand. Vor allem landwirtschaftliche Flächen sind betroffen. Die Politik reagiert darauf zu zögerlich.

Degradation entzieht Menschen vor allem in ländlichen Regionen, wo viele von Landwirtschaft abhängig sind, den Boden ihrer Existenz
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Degradation entzieht Menschen vor allem in ländlichen Regionen, wo viele von Landwirtschaft abhängig sind, den Boden ihrer Existenz

Böden speichern und reinigen Wasser, bieten Lebensraum für große und kleine Organismen, sind Nährstofflieferanten und Heimat für Pflanzen. Auch binden sie enorme Mengen Kohlenstoff, dienen als Rohstoffquelle, kultur- und landschaftsgeschichtliches Archiv und nicht zuletzt als Fundament menschlicher Siedlungen und Infrastruktur. Doch die Ökosystemleistungen, die der Boden uns bietet, sind bedroht. Insbesondere durch landwirtschaftliche Nutzung ist der Boden immer größerem Druck ausgesetzt. Weltweit nimmt Bodendegradation seit Jahrzehnten zu. Degradation leitet sich ab aus dem lateinischen Wort für „herabsetzen“. Bezogen auf Böden meint es die Verminderung oder den vollständigen Verlust ihrer Struktur und zentralen Funktionen. 

Bodenatlas 2024 Cover

Der Bodenatlas 2024

Der Bodenatlas beleuchtet in 19 Kapiteln nicht nur die Folgen des weltweiten Verlusts an fruchtbarem Boden, sondern zeigt auch die Potentiale nachhaltiger und gerechter Bodennutzung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt.

Bodendegradation ist prinzipiell ein natürlicher Prozess. Wenn das Ausmaß jedoch die Kapazitäten des Bodens überschreitet, sich zu regenerieren, ist die Ursache in der Regel menschlicher Eingriff. Degradation tritt in verschiedenen Formen auf, zum Beispiel als Verlust von Nährstoffen und organischer Substanz beziehungsweise Humus, als Versalzung, Versauerung, Kontamination mit Schadstoffen oder Verdichtung. Flächenversiegelung und der Verlust von biologischer Vielfalt im Boden sind weitere Formen der Degradation. Die extremste Form von Bodendegradation ist Desertifikation – das Entstehen unfruchtbarer, wortwörtlich wüster Landschaften. Weltweit ist circa ein Viertel der globalen, eisfreien Landfläche von menschlich verursachter Degradation betroffen. Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist die Situation noch dramatischer: mehr als ein Drittel sind degradiert.

Die häufigste Ursache von Bodendegradation auf landwirtschaftlichen Flächen ist Erosion, ausgelöst durch Wind oder Wasser. In der Europäischen Union (EU) erodieren jedes Jahr fast eine Milliarde Tonnen Boden. Das entspricht einem Meter Boden der Grundfläche Berlins – und übersteigt die Bodenneubildungsrate deutlich. Von den landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland weisen mehr als ein Drittel eine mittlere bis hohe Erosionsgefährdung auf. Wassererosion betrifft dabei eher die Hanglagen in Mittel- und Süddeutschland, Winderosion die offenen, häufig sandigeren Flächen Norddeutschlands.

Nur ein begrenzter Teil der Erde kann für Landwirtschaft genutzt werden. Durch zunehmende Bodendegradation wird diese Fläche noch kleiner
Nur ein begrenzter Teil der Erde kann für Landwirtschaft genutzt werden. Durch zunehmende Bodendegradation wird diese Fläche noch kleiner

Viele Faktoren verursachen und begünstigen Bodendegradation. Anfällig für Degradation sind zum Beispiel kahle Böden ohne Pflanzenbedeckung: Der obere Bodenhorizont wird nach und nach durch Wind oder Wasser abgetragen. Dadurch geht wertvoller Humus verloren. Dies hat nicht nur negative Folgen für die landwirtschaftliche Produktion, sondern führt auch dazu, dass weniger Kohlenstoff gespeichert und mehr des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO₂) freigesetzt wird. Humus und feine, mineralische Partikel sind außerdem wichtig, damit Boden Wasser filtern und speichern kann.

Wird Boden schonend bewirtschaftet, erhält das die Bodenfunktionen und damit auch die Ertragsfähigkeit. Die Leitfäden zur „guten fachlichen Praxis“ (GfP) von Behörden und Fachverbänden enthalten Handlungsempfehlungen für die Landwirtschaft, zum Beispiel für Düngung, Pestizideinsatz und Erosionskontrolle. Die GfP ist zwar im Bundesbodenschutzgesetz enthalten. Eine verbindliche Definition, geschweige denn eine Kontrolle der im Gesetz vorgeschriebenen Vorsorgepflicht zur Vermeidung schädlicher Bodenveränderungen gibt es aber nicht. Daher sollte die anstehende Novellierung des Gesetzes hier klarere Vorgaben machen. Auch auf europäischer Ebene darf Bodenschutz nicht länger kleingehalten werden. Aktuell schrumpft das als umfassendes Bodenschutzgesetz angekündigte EU Soil Health Law zu einem Gesetz zusammen, das nur noch auf bloßes Monitoring des Zustands der Böden abzielt. Das ist fatal: Es ist in unser aller Interesse, gesunde Böden zu erhalten und Degradation zu minimieren. Es bedarf eines sehr großen Aufwands, um Boden zu regenerieren – anstatt ihn mit Füßen zu treten, sollten wir ihn ganz besonders wertschätzen. 

Die offenen Agrarflächen Norddeutschlands sind besonders von Winderosion bedroht. Sie mindert Bodenqualität und langfristig die Ernte
Die offenen Agrarflächen Norddeutschlands sind besonders von Winderosion bedroht. Sie mindert Bodenqualität und langfristig die Ernte