Klimawandel und Anpassungsstrategien in arabischen Städten

Überschwemmung in Jeddah am 26. Januar 2011. Foto: Yousef Raffah Lizenz: CC-BY-NC Original: Flickr

3. Dezember 2012
Amal Dababseh
Städte in arabischen Ländern wachsen derzeit rasch – 56 Prozent der Bevölkerung der arabischen Welt lebt heute in Städten und urbanen Zentren, und es wird erwartet, dass die Bevölkerungszahl der Städte bis 2050 um 75 Prozent steigen wird. Neben natürlichen Phänomenen wie Trockenperioden haben verbesserte Sozialdienstleistungen und Infrastrukturen in den Städten zur Beschleunigung des Verstädterungsprozesses und der Migration von ländlichen Gebieten in die Städte beigetragen. Die neuesten Daten lassen erkennen, dass der Grad der Verstädterung zwischen verschiedenen Ländern stark variiert. Manche Länder sind fast völlig urban geworden – so lebt 98 Prozent der Bevölkerung Kuwaits in städtischen Gebieten – wohingegen in Ägypten, Mauretanien, Somalia und dem Jemen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung auf dem Land lebt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Rekordtemperaturen von über 53 Grad

Allgemein herrscht die Ansicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Städte geringer sind als auf den ländlichen Raum, da die Lebensgrundlagen in den Städten weniger stark von der natürlichen Umwelt abhängig sind. Jedoch sind arabische Städte nicht mehr vor dem Klimawandel und dem Temperaturanstieg geschützt – das Jahr 2010 war das heißeste Jahr seit Ende der 1880er Jahre: In 19 Ländern, darunter fünf im arabischen Raum, wurden Rekordtemperaturen gemessen. In Kuwait beispielsweise stieg die Temperatur im Jahre 2011 auf den Rekordwert von 52,6°C, gefolgt von einem weiteren Rekord von 53,5°C.

Die Bevölkerung der arabischen Welt ist es gewohnt, sich an extreme Hitze und Dürre anzupassen. Allerdings sind Städte mit größeren und umfassenderen Herausforderungen konfrontiert, denn die Prognosen zum Klimawandel sagen für die gesamte Region einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 3°C bis 2050 voraus sowie einen Anstieg der nächtlichen Temperatur um weitere 3°C aufgrund des städtischen Wärmeinsel-Effekts. Bei der arabischen Region handelt es sich um diejenige Region der Welt, die von steigenden Temperaturen am stärksten betroffen ist. Dies ist der hohen Sonneneinstrahlung sowie der Bodenart, die Hitze aufnimmt und speichert, zuzuschreiben. Außerdem gibt es die Effekte der urbanen Hitze-Inseln und schlechte Luftqualität in den Städten, die schließlich zu einem massiven Temperaturanstieg führen werden. Für die meisten Bewohnerinnen und Bewohner arabischer Städte wird dies ein Problem sein, denn sie setzen noch heute auf passive Kühlung, um Temperaturen in Innenräumen zu senken.

Die Interaktionen zwischen natürlichen Risiken, Auswirkungen des Klimawandels, Wasserknappheit und mangelnder Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in der arabischen Welt sind eine ernsthafte Herausforderung für Politiken und Planungen in arabischen Ländern und Städten. Im Laufe der letzten drei Jahre haben klimabedingte Katastrophen ihren Schatten auf etwa 50 Millionen Menschen in der arabischen Region geworfen, und die Kosten dieser Katastrophen belaufen sich auf 11,5 Milliarden US-Dollar. Obgleich dieser Betrag hoch erscheinen mag, spiegelt er die realen Ausmaße der Kosten und der erlittenen Verluste nicht wider. Typischerweise werden die Schadenskosten von nur 17 Prozent der Katastrophen gemeldet, und das Leid aufgrund von Todesfällen und der Vernichtung von Lebensgrundlagen wird nicht erfasst.

Todesfälle bei Sturzfluten

Trockenperioden und Überschwemmungen sind für 98 Prozent der Opfer klimabedingter Katastrophen verantwortlich. Bei diesen Katastrophen besteht kein klarer Trend, weder hinsichtlich der Häufigkeit ihres Eintretens noch bezüglich ihrer Folgen in Form enormer saisonaler Schäden. Der hohe Grad an Urbanisierung in der Region, insbesondere in Küstenbereichen, verschärft meist die Auswirkungen von Dürren, Stürmen, Sturzfluten und Erdrutschen. Überdies gefährdet die steigende Häufigkeit von Überschwemmungen und Dürren etwa 25 Million Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass mehrere Faktoren für die steigende Häufigkeit von Sturzfluten in vielen arabischen Städten verantwortlich sind: Steigende Niederschlagsmengen in begrenzten Zeiträumen, der verbreitete Einsatz von Betondächern, die kein Wasser aufnehmen, ineffiziente und verstopfte Abwassernetze sowie das Bauen in Gebieten mit niedrigen Abhängen und in Tälern. Im Ergebnis ist die in arabischen Städten von Überschwemmungen betroffene Bevölkerungszahl in den letzten zehn Jahren auf 500.000 Menschen in der gesamten Region hochgeschnellt. Bei Sturzfluten in der saudi-arabischen Stadt Jeddah im Jahre 2009 kamen mehr als 116 Menschen ums Leben, und die finanziellen Verluste beliefen sich auf mehr als 427 Millionen US-Dollar. In der Stadt Fes in Marokko starben 30 Menschen bei Überschwemmungen, und im Jahre 2012 kamen mehr als 48 Menschen bei Überschwemmungen in mehreren Städten Algeriens ums Leben. Im Sultanat Oman waren Monsune und Überschwemmungen 2007 für mehr als 30 Todesfälle in Küstenstädten verantwortlich. Im Oktober 2012 gab es in der jordanischen Stadt Akaba Sturzfluten, die zwei Menschen in den Tod rissen und mehrere Häuser und Grundstücke zerstörten.

Es bestehen zwei Möglichkeiten, um diese Risiken zu mindern und die Kapazität von Städten für den Umgang und die Anpassung an die Herausforderungen des Klimawandels zu steigern: Die erste Maßnahme besteht darin, die Stadtplanung zu verbessern und städtische Dienstleistungen bereitzustellen, die die prognostizierten Klimaveränderungen berücksichtigen, denn eine große Zahl arabischer Städte haben sich bislang an die gegenwärtigen Umstände nicht angepasst und sind nicht in der Lage, mit diesen Veränderungen umzugehen. Auf Städte bezogen bedeuten die grundlegenden Schritte eine Konzentration auf den Kapazitätsaufbau. Dazu sollen Studien und Szenarien zum Klimawandel als Grundlagen der Stadtplanung betrachtet werden, und die Stadtplanung soll den Maßstab und die Häufigkeit von klimabedingten Naturkatastrophen besonders bei der Planung von Infrastruktur und des Regenwasserkanalsystems berücksichtigen. Die Durchsetzung bestehender Vorschriften wie Bauordnungen und Flächennutzungsplanungen sollte ein weiterer Schwerpunkt sein. Von klimabedingten Katastrophen gefährdete Gebiete sollten identifiziert und als hochsensibel betrachtet werden. Große, strategische oder exponierte Gebäude sollten folglich nicht in gefährdeten Gebieten errichtet werden. Außerdem sollte die Entscheidungsfindung umfassender dezentralisiert werden, um es den Stadtverwaltungen zu ermöglichen, Szenarien des Klimawandels finanziell wie technisch in die Stadtplanung zu integrieren.

Anpassungen an den Klimawandel

In diesem Kontext sollte herausgestellt werden, dass seit 1990 bedeutende Fortschritte bei der Erarbeitung einheitlicher Baugesetze erzielt wurden. Dazu gehören nationale Gesetze für grünes Bauen, etwa das Estidama Pearl Rating System in den Vereinigten Arabischen Emiraten, das sich auf ökologisch nachhaltige Gesellschaften konzentriert, sowie besondere Programme zur gleichzeitigen Begrünung von Städten, Begrenzung von Treibhausgasemissionen und Anpassung an Klimaveränderungen, etwa das Programm für grünes Wachstum im Oman. Dieses Programm nimmt verschiedene Elemente auf, die Auswirkungen auf Klimaveränderungen auf der Ebene der Stadt haben – und die umgekehrt durch sie beeinflusst werden. Es verknüpft eine Begrenzung des Klimawandels einerseits mit Anpassungsmaßnahmen andererseits, und zwar durch Planung und Umsetzung eines Bündels an Projekten in den Sektoren nachhaltiger Verkehr und grüne Landwirtschaft sowie durch den Einsatz erneuerbarer Energie und die Steigerung der Energieeffizienz bei der Beleuchtung von Gebäuden und Straßen. Weitere Elemente sind die Wiederverwendung von Ab- und Grauwasser, um Grünflächen in der Stadt auszuweiten, und die Verwendung dürreresistenter Pflanzen.

Insbesondere die zweite Maßnahme ist eine Antwort auf die Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Diese Maßnahme umfasst eine Bewertung der Gefährdung durch den Klimawandel, um lebensnotwendige Infrastruktur zu ermitteln und den Grad ihrer Gefährdung durch Klimarisiken festzustellen, sowie die Identifizierung von Optionen zur Anpassung. Außerdem sollte eine Kostenkurve für Anpassungsmaßnahmen erarbeitet werden, die einheitlichere Vergleiche zwischen den Vorteilen der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen und der Kosten ihrer kurz- bzw. langfristigen Nicht-Umsetzung ermöglichen würde. Mehrere arabische Städte, insbesondere Küstenstädte, haben bereits damit begonnen, Klimawandelszenarien in ihre langfristige Planung aufzunehmen. Dies ist derzeit in Tunis (Tunesien), Casablanca (Marokko) und Alexandria (Ägypten) der Fall; dort wurden detaillierte analytische Studien durchgeführt, um die Größenordnung langfristiger Klimaveränderungen und die natürlichen klimabedingten Auswirkungen und Risiken zu prognostizieren. Diese Studien und Szenarien wurden dann in Stadtplanungsprozesse integriert.

Letztlich hängt der Erfolg von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in arabischen Städten davon ab, dass Politiken zum Klimawandel umgesetzt werden, und zwar in verschiedenen Sektoren (Wasser, Verkehr, Landwirtschaft, Tourismus, Planung, Energie) und in Kooperation zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, zwischen der Zentralregierung und den Kommunalverwaltungen sowie zwischen Städten und der Zivilgesellschaft.

 

DOSSIER

Seasons of Change: Klima-, Energie- und Ressourcenpolitik in der MENA-Region

In Mitten turbulenter Zeiten im Nahen Osten und Nordafrika ist die Regierung von Katar Gastgeberin der 18. UN-Klimakonferenz. Unser dreisprachiges Webdossier präsentiert Analysen und Perspektiven zu den Zusammenhängen von Klimawandel, Ressourcen- und Energiepolitik sowie politischen und sozialen Umbrüchen.