Frankreich: Rechte mobilisieren gegen die Gleichstellungspolitik

Der 18. Mai 2013 ist für Frankreich ein historisches Datum. An diesem Tag trat das Gesetz in Kraft, dass Personen des gleichen Geschlechts die Ehe ermöglicht. Damit wurde die rechtliche Diskriminierung beendet, von der Lesben, Schwule und ihre Kinder betroffen waren. Seitdem verfügen sie über den gleichen Rechtsanspruch wie alle anderen Bürger der Republik. Bedauerlicherweise brachte der sozialistische Präsident François Hollande das Gesetz, das auf sein Wahlversprechen Nr. 31 zurückgeht, nicht in den ersten 100 Tagen nach seinem Wahlsieg in die Nationalversammlung ein. Dies hätte großen Symbolwert gehabt.

Durch dieses Versäumnis verschaffte er der traditionellen Rechten die Möglichkeit, die Frage der Ehe für alle zu instrumentalisieren: Nach dem (nicht wirklich beendeten) Bruderkrieg zwischen Jean-François Copé und François Fillon, die um das Amt des Parteivorsitzenden der UMP und damit des Kandidaten der Partei für die nächste Präsidentschaftswahl streiten, gibt sie sich wieder den Schein der Reinheit, indem sie mit der extremen Rechten eine gegen Lesben, Schwule und deren Kinder gerichtete Allianz schmiedete. Dies ist für die betroffenen Personen unerträglich. Und erst recht für die Republik.

Wer die Debatte um die eingetragene Lebenspartnerschaft, den sogenannten PACS, verfolgt hat, wusste, dass mit heftigen Auseinandersetzungen zu rechnen sein würde. Aber dass sie diese Form annehmen könnten - damit hatte wohl keiner gerechnet. Während der Lesungen des Gesetzes in der Nationalversammlung und im Senat mussten wir erleben, wie ohne Unterlass Unwahrheiten und Lügen verbreitet wurden. Es fällt Abgeordneten leicht, verleumderische Hassreden zu halten, sind sie doch im Plenarsaal durch ihre parlamentarische Immunität geschützt. Doch es ist ein unwürdiges Verhalten für einen gewählten Vertreter der Republik. Außerhalb des Parlaments gab es eine Welle verbaler Gewalt, Beleidigungen und Angriffe auf die Menschenwürde. Damit wurde der Boden bereitet für eine homophobe Gewalt alarmierenden Ausmaßes.

Die Mehrheit der Franzosen ist für die Gleichstellung

Wir dachten, die gesamte Gesellschaft habe sich in dieser Frage weiterentwickelt. Für die große Mehrheit trifft dies auch zu. Davon zeugen regelmäßig die Meinungsumfragen, die belegen, dass die Mehrheit der Franzosen für eine Gleichstellung ist. Lediglich eine Minderheit hegt eine irrationale Feindseligkeit. Es handelt sich um die gleiche Gruppe, die gegen Schwangerschaftsverhütung, den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch und gegen einvernehmliche Ehescheidungen mobil macht. Zu dieser Minderheit gehören die katholischen Fundamentalisten, deren angeblich salonfähige Exponentin Béatrice Bourges ist. Sie steht in Verbindung mit der reaktionären, antirepublikanischen Vereinigung Ichtus und schreckt auch nicht vor Gewaltaufrufen zurück. Dieser Minderheit gehören auch traditionalistische Katholiken wie die Vorsitzende der Christdemokratischen Partei Christine Boutin an, die das Gesetz Gottes über die Gesetze der Republik stellt.

Hierher gehört auch die Komikerin Frigid Barjot, eine bekennende Papstanhängerin. Das Aktionsbündnis der Vereinigungen, dessen Sprecherin sie ist, hat es sehr gut verstanden, die Kommunikationsformen der linken Aktivisten zu übernehmen, in dem sie sich als Aufbruchsbewegung darstellen, um ihren reaktionären Fundamentalismus zu kaschieren. Der Rassismus, den sie verbreiten, ist die Homophobie. Schließlich gehören zur Scheitelwelle der drei B (Bourges, Boutin, Barjot) auch die alten rechtsextremen Netzwerke wie die Groupe union défense (GUD), der Bloc identitaire, die Renouveau français (Französische Erneuerung) und die Jeunesses nationalistes révolutionnaires (National-revolutionäre Jugend, JNR), denen nach dem gewaltsamen Tod von Clément Méric bei einer Auseinandersetzung zwischen antifaschistischen und nationalistischen Skinheads ein Verbot droht. All diese Organisationen schrecken vor Gewalt nicht zurück und haben sich machtvoll auf der politischen Bühne Frankreichs zurückgemeldet.

Die rechte Szene meldet sich machtvoll zurück

So hat man sie bei den Demonstrationen am 21. April und am 26. Mai 2013 Seite an Seite marschieren sehen: Gilbert Collard (Front National), Christine Boutin (PCD), Hervé Mariton (UMP), Henri Guaino (UMP) und Jean-Franeçois Fromentin (UDI) – um nur einige zu nennen. All diese Leute sind auf die Straße gegangen, damit andere nicht die gleichen Rechte bekommen wie sie. Man stelle sich vor, dass heutzutage die Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit in Frage gestellt werden könnte!
 
Dieses Bündnis der traditionellen Rechten (UMP) mit den Rechtsextremen reifte schon während der fünfjährigen Amtszeit von Präsident Nicolas Sarkozy heran. Heute bekommt es nicht zuletzt dadurch Zulauf, dass die Regierung von François Hollande enorm geschwächt ist. Dem Präsidenten mangelt es offensichtlich an Entschlossenheit. Er versteht anscheinend nicht, was vor sich geht. Da diese Aufständischen die Anwendung demokratisch verabschiedeter Gesetze in Frage stellen, müsste Hollande nun ordentlich mit der Faust auf den Tisch schlagen. Die gegenwärtige Situation ist sehr ernst und bedrohlich. Der Aufruhr hat sich trotz der Verabschiedung des Gesetzes am 18. Mai 2013 nicht gelegt.

Mehrere Bürgermeister haben öffentlich angekündigt, dass sie keine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen beurkunden werden. Das ist ein Straftatbestand und rechtfertigt eine Entlassung oder eine Amtsenthebung durch den Innenminister. Dessen Aufgabe ist es, den ersten Bürgermeister, der seine Drohung umsetzt und die Beurkundung einer gleichgeschlechtlichen Ehe verweigert, hart zu bestrafen.
 
Es ist bemerkenswert, welches Störpotential sich eine Minderheit extremistischer Feinde der Republik seit der Revolution bewahrt hat – man könnte glauben, manche hätten den Tod des Königs noch immer nicht verwunden. Ihre Kraft setzt sie dafür ein, eine demokratische Gesellschaft zu verhindern. Eine Gesellschaft, in der jeder seinen Platz hat und jeder ungeachtet aller Unterschiede gleich behandelt werden muss. Dieses Potential dieser Gruppen ist nicht zuletzt deshalb so groß, weil sie über beträchtliche finanzielle Mittel aus katholischen Quellen verfügt. Diese stehen der LGBT-Community freilich nicht zur Verfügung.
 
Die vorläufige Schlussfolgerung lautet: Die Debatte über die Homoehe hat der extremen Rechten die Tür ins Feld der Politik geöffnet. Das ist gefährlich. Und nicht nur Frankreich ist davon betroffen. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in Griechenland, in Ungarn, in Italien, ja sogar in Deutschland beobachten. Dies zeigt, dass Demokraten in ganz Europa in den nächsten Jahren alle Hände voll zu tun haben werden, um sich dieser Welle des Rassismus, der von Intoleranz durchdrungenen Xenophobie, entgegenzusetzen.


Caroline Mécary ist Anwältin bei der Anwaltskammer Paris und stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Copernic.
Übersetzung: Volker Weichsel, Berlin