Indiens Nuklearwaffenprogramm: Vom Mythos der Mäßigung

Seitdem Indien im Jahre 1998 fünf Atomtests durchführte, bemüht sich die Regierung hartnäckig, den Anschein einer Politik der nuklearen Mäßigung aufrecht zu erhalten. Diese Politik basiert auf der Vorstellung von einer glaubwürdigen Minimalabschreckung und dem Verzicht auf einen atomaren Erstschlag. Offensichtlich will man mit dieser Art Rechtfertigung von der neuen radikalen Haltung Indiens zu diesem Thema ablenken. Dies wird so auch von der Bharatiya Janata Regierungspartei (BJP) propagiert, indem sie einerseits vorgibt, die nuklearen Fähigkeiten beschränken zu wollen, doch andererseits aktiv an ihrem Ausbau arbeitet.

Wie alle Rechtfertigungen dient auch diese nur dazu, die Wirklichkeit zu verschleiern: nämlich, dass Indien ein nukleares Wettrüsten eingeleitet hat in einer der ärmsten und instabilsten Gegenden der Welt, in der es seit 1947 eine anhaltende, strategische Feindseligkeit mit wiederholten Kriegen zwischen Indien und Pakistan gibt.

Wie wir im Laufe dieses Artikels sehen werden, gibt es nur sehr wenig Klarheit über Indiens Doktrin der nuklearen Abschreckung. Dies trägt offenkundig zu Verunsicherung und Destabilisierung in der Region bei. Darüber hinaus haben der Kalte Krieg und die Konfrontation Indiens und Pakistans im Jahre 1999 und zwischen 2001 und 2002 gezeigt, wie Abschreckung ein Land ins Wanken bringen kann.
 

1998: Indiens Kehrtwende in der Nuklearpolitik

Über Jahrzehnte hinweg war Indien ein Verfechter der globalen nuklearen Abrüstung und verurteilte die nukleare Abschreckung als Wegbereiter eines ruinösen Rüstungswettlaufs und somit als moralisch unhaltbar. Rajiv Gandhi, der einen Plan für die vollständige weltweite nukleare Abrüstung bei den Vereinten Nationen im Jahre 1988 vorstellte, nannte die nukleare Abschreckung den “ultimativen Ausdruck einer Philosophie des Terrorismus”. 1995 plädierte Indien vor dem Internationalen Gerichtshof für ein Verbot von Atomwaffen.

Eine grundlegende Änderung dieser Haltung zeigte sich plötzlich 1996, als sich Indien dem Kernwaffenteststopp-Vertrag (CTBT) widersetzte, den es 1954 selbst mit auf den Weg gebracht und wiederholt als ein angemessenes Mittel bezeichnet hatte. Dies änderte den Ton in der heimischen Atomdebatte vollständig und ebnete 1998 den Weg für Tests, inmitten eines Ausbruchs des militanten Nationalismus, angeführt durch die rechte Hindupartei BJP und Kohorten.

Die Regierung unter dem Kongressführer Manmohan Singh, seit 2004 an der Macht, führte die Nuklearpolitik ihres Vorgängers fort, obwohl Singh 1998 selbst scharf die Atomtests vor dem Parlament kritisiert hatte und behauptete, die öffentliche Meinung zur Atompolitik werde missachtet.
 

Internationale Legitimation der Nuklear- und Raketenprogramme Indiens

Im Rahmen der wachsenden Freundschaft zwischen den USA und Indien als strategische Partner hat Präsident George Bush 2005 Indien de facto die Legitimation für seine Atomwaffen erteilt, indem er den US-indischen Kooperationsvertrag zur Nutzung der zivilen Atomenergie, gemeinhin Nuclear Deal genannt, unterzeichnete. Darin wird Indien speziell von den Auflagen der internationalen Nuklearregelung befreit. Es erlaubt Indien den Import ziviler nuklearer Reaktoren und Materialien unter der Inspektion der internationalen Atomenergie-Organisation, der IAEO, und dass, obwohl Indien noch nicht den Atomwaffensperrvertrag oder das CTBT unterzeichnet hatte.

Das Abkommen wurde 2008 von der IAEO und der 46-köpfigen Nuclear Suppliers Gruppe abgesegnet und besitzt weltweit Gültigkeit. Pakistan und China waren über diese Ausnahme, die Indien eingeräumt wurde, verärgert. Islamabad fühlte sich durch die neue strategische Annäherung Amerikas zu Indien düpiert. Dies ist einer der Gründe für die verschärfte Rivalität zwischen Indien und Pakistan. Seitdem bauen nun beide Staaten wie wild ihre Kernwaffenarsenale und Raketensysteme aus.
 

Indien und Pakistan: Ein Vergleich der Arsenale

Indien hat es zu 90-110 Atomwaffen gebracht, Pakistan zu 100-120. China besitzt etwa 250 Atomwaffen. Über 50 der indischen Nuklearwaffen sind vermutlich einsatzbereit. Indien ist aktiv darum bemüht, seine nuklearen Kapazitäten weiter auszubauen, und so sind die Zahlen im Steigen begriffen.

Indien und Pakistan haben seit 1998 siebzehn neue Träger für nukleare Sprengköpfe entwickelt und getestet, das ist durchschnittlich mehr als ein neuer Träger pro Jahr. Im Gegensatz zu den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China produzieren und lagern Indien und Pakistan immer größere Mengen an waffentauglichem Plutonium und beachtliche Mengen an hochangereichertem Uran. Dies geschieht in Betriebsanlagen, die nicht den Sicherheitsregeln der IAEO unterliegen und von ihr kontrolliert werden.

Indiens Atomwaffenprogramm basiert in erster Linie auf Plutonium, wovon Indien schätzungsweise 54 ± 0,18 Tonnen besitzt. Nur drei bis acht Kilogramm sind für einen Sprengkopf in der Stärke der Nagasaki-Bombe notwendig.

Indiens Plutonium wurde in dem 40 Megawatt-CIRUS Wärmereaktor, der mit kanadischer und US-amerikanischer Hilfe errichtet wurde, produziert, sowie in der 100 Megawatt-Dhruva-Anlage. Beide Reaktoren befinden sich bei Mumbai. CIRUS wurde im Jahr 2010 abgeschaltet und von einem größeren Reaktor ersetzt. Darüber hinaus plant Indien ein weiteren 100-Megawatt (MW) Reaktor in Andhra Pradesh.

Indiens hochangereicherte Plutoniumbestände werden auf 2,4 ± 0,9 Tonnen geschätzt. Sie werden hauptsächlich genutzt, um die nuklearbetriebenen U-Boote anzutreiben, von denen das erste sich bereits auf Testfahrt befindet. Das Plutonium wird in einer Zentrifugenanlage in Mysore Karnataka produziert. Diese wird nun erweitert. Berichten zufolge entsteht noch eine weitere Anreicherungsanlage in Karnataka.

Indiens Raketenentwicklungsprogramm wird indes durch die Rivalität zu Pakistan und China weiter angeheizt. Mittlerweile hat Indien weitere Raketen mit nuklearen Sprengköpfen entwickelt: angefangen von der nuklearen Kurzstreckenrakete Prithvi (Reichweite 150-250 km) bis hin zu den Mittel- und Langstreckenraketen der Agni-Serie. Mit der Agni III, die über eine Reichweite von 3.000-3.500 km verfügt, und Agni V, mit einer Reichweite bis zu 5.000 km, hat man speziell China im Blick, während die übrigen Raketen mehr nach Pakistan ausgerichtet sind.

Agni I und Agni III wurden nach nur wenigen Testflügen in das Waffenarsenal der indischen Armee aufgenommen. Der erste Testflug von Agni V fand im April 2012 statt; weitere Testflüge sind geplant. Es wird spekuliert, dass derzeit an Agni VI gearbeitet wird – diese könnte sogar noch größere Strecken zurücklegen.

Indien entwickelt auch ein U-Boot-gestütztes Raketenabwehrsystem, K-15-Sagarika genannt. Es wurde im Januar 2013 eingeführt und verfügt über eine Reichweite von 750 km. Die landgestützte Version, die Shourya, befindet sich noch in der Entwicklungsphase.
Hinter Indiens Atomwaffen- und Raketenprogramm steckt die neu entfachte Angst, Pakistan können einen Vorsprung bekommen, was die plutoniumanreichernden Reaktoren, die Uranzentrifugen und auch die Zielgenauigkeit der Raketen betrifft. Die Beschleunigung entsprechender Entwicklungsprogramme ist höchst destabilisierend für die Sicherheit Südasiens, denn es ist ohnehin schon durch das konventionelle Wettrüsten bedroht. In den letzten Monaten konnte ein potenziell sogar noch gefährlicheres Wettrüsten beobachtet werden – und zwar auf dem Feld der taktischen, nuklearen Gefechtswaffen: Berichten zufolge soll Pakistan beachtliche Fortschritte in der Entwicklung dieser Waffen erzielt haben. Indiens Reaktion kam umgehend, indem es mit einer Reihe von neuartigen Kurzstreckenraketen antwortete, die gegen Militärstützpunkte und bewaffnete Einheiten eingesetzt werden können. Dazu gehören die ballistische Rakete Prahaar mit einer Reichweite von 150 km und das mehrläufige Raketensystem Pinaka.

Indien entwickelt auch Marschflugkörper wie die BrahMos und Nirbhay. BrahMos ist in Kooperation mit Russland entstanden und soll bald einsatzbereit sein, wenn es nicht schon im Einsatz ist. Er ist nuklearfähig, hochpräzise und hat eine Reichweite von 300-500 km.
 

Nukleare Rivalität: China im Visier

Die wachsenden nukleare Rivalität auf dem Subkontinent ist begleitet von der Unklarheit über Indiens Nukleardoktrinin und Bekräftigungen wie “minimale glaubhafte Abschreckung" und "Erstschlagverzicht". Es gibt nur eine kurze öffentliche Erklärung zu Indiens Doktrin, in der noch nicht einmal definiert wird, was mit einer “minimalernuklearen Abschreckung” oder “Glaubwürdigkeit” gemeint ist. Und sie sagt nichts darüber aus, ob sie gegen Pakistan oder China gerichtet ist.

Angesicht der Größe von Chinas Nukleararsenal und den weitab im Osten gelegenen, strategischen Stützpunkten bräuchte Indien China gegenüber ein noch viel größeres Abschreckungspotenzial als im Vergleich zu Pakistan. Somit variieren die Erfordernisse für eine  "minimale Abschreckung" und für die „Glaubwürdigkeit“. Was als “glaubwürdige” Abschreckung gegenüber China gelten kann, stellt keine “minimale” Abschreckung gegenüber Pakistan dar – und umgekehrt. Eine minimale Abschreckung gegenüber Pakistan kann auch nicht als glaubwürdige Abschreckung in Bezug auf China angesehen werden.

So baut Indien sein nukleares Waffenarsenal mit Blick auf China weiter aus, wobei ein Konflikt mit Pakistan eher auf der Hand läge.
Indien fehlt wahrscheinlich immer noch eine starke, zuverlässige und glaubwürdige Mindestabschreckung gegenüber China. Die Agni III und Agni V-Raketen sind noch nicht hinreichend getestet worden, um ihre Genauigkeit zu belegen und um als zuverlässig und robust gelten zu können. Doch Agni III wurde bereits von der Defence Research und Development Organisation (DRDO) – die zu voreiligen und übertriebenen Aussagen neigt -  als einsatzfähig erklärt.

Die DRDO behauptet auch, an einer Technologie für seine Agni Raketen zu arbeiten, die unabhängig zielende Mehrfachwiedereintrittskörper (MIRV) enthält. Eine einzige MIRV Rakete kann mehrere Sprengköpfe tragen, die auf verschiedene Ziele ausgerichtet werden können. Es ist jedoch unklar, ob die DRDO hierfür die politische Unterstützung besitzt und wie erfolgreich dieses Programm überhaupt ist.

Vieles ist unklar – eines jedoch nicht: Indiens Raketenentwicklung steht unter dem Druck, seine Programme zu erweitern und zu verbessern. So soll eine wirksame Abschreckung gegenüber China erreicht werden – einem Land, dessen Ökonomie drei Mal so stark wie die indische ist. Dies wird die finanziellen Ressourcen Indiens weiterhin schwer belasten. Der Rüstungshaushalt hat sich seit 1988 ohnehin schon verdreifacht. Seit 2006 ist Indien zum größten Waffenimporteur weltweit aufgestiegen und ist mittlerweile für ein Zehntel aller globalen Waffenimporte verantwortlich.

Indien hat vor kurzem mehrere Militär- und Überwachungssatelliten in die Umlaufbahn gebracht. Es scheint in einen Rüstungswettlauf mit China in Hinblick auf Antisatellitenwaffen (ASAT) und Abwehrraketen gezogen zu werden. 2007 hat China einen alten Satelliten mit ASAT zerstört. Indien zog nach und arbeitet nun ebenfalls an neuen Antisatellitenwaffen.

Indien hat zudem mehrere Testflüge seines noch nicht voll ausgereiften BMD-Systems durchgeführt, dabei zerstörte ein Abfangjäger eine angreifende Rakete in einer Höhe von 120 km. Eine noch größere Angriffshöhe wird angestrebt. Gemeinsam mit den USA und Israel versucht Indien, sein BMD-System weiterzuentwickeln.

Diese Programme werden wahrscheinlich den bitteren Widerstand Chinas provozieren. Indien und China müssen ins Gespräch zu kommen, um die Rivalitäten auf diesem gefährlichen Terrain einzudämmen.
 

Indiens zweideutige Nukleardoktrin

Indiens Nukleardoktrin ist voller Zweideutigkeiten. Dazu gehört besonders, dass die in der “Draft Nuclear Doctrine” gegebene Zusicherung aufgeweicht wird. Diese sieht vor, dass auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen (NFU- no-first-use) verzichtet wird und diese ausschließlich als Vergeltungsmaßnahme im Falle eines atomaren Angriffs durch einen Atomstaat (NWS) einzusetzen sind. Ein solcher Vergeltungsschlag würde massiv sein und darauf abzielen, dem Gegner einen nicht tragbaren Schaden zuzufügen. Nuklearwaffen würden niemals gegen einen Nicht-Atomstaat eingesetzt werden, es sei denn, dieser ist mit einem Atomstaat verbündet.

Der offizielle Standpunkt aus dem Jahr 2003, modifiziert diese Haltung jedoch erheblich: „Indien wird sich die Option einer Vergeltung mit nuklearen Waffen auch für den Fall vorbehalten, wenn es zu einen massiven Angriff auf Indien oder die Indische Armee mit biologischen oder chemischen Waffen kommt.“ Diese Äußerungen wecken ernsthafte Zweifel an Indiens Leitsatz der nuklearen Mäßigung.

All dies setzt voraus, dass die nukleare Abschreckung verlässlich funktioniert: dass Klarheit über die nuklearen Ressourcen besteht, um "untragbare Schäden" abzuwenden, dass es nie zu Missverständnissen oder Unfällen kommt, zu keinem politisch nicht-autorisierten Einsatz von Nuklearwaffen, zu keiner unbeabsichtigten Konflikteskalation – selbst in einer extrem angespannten Lage. Eine weitere entscheidende Annahme ist, dass kein konventioneller Krieg mit einer Atommacht stattfinden wird, weil es nach der nukleare Abschreckungsdoktrin einen solchen Krieg zwischen NWS-Staaten nicht geben kann.

Doch Indien und Pakistan trugen bereits ein Jahr, nachdem sie sich zu Atomstaaten erklärt hatten, einen erbitterten konventionellen Krieg in Kargil (Kaschmir) aus. An diesem Krieg waren 40.000 mit modernsten Waffen ausgerüstete indische Soldaten beteiligt, hunderte von ihnen verloren ihr Leben auf dem Schlachtfeld. Noch beängstigender war dabei, dass beide Staatsoberhäupter unverhohlen mit dem Einsatz ihrer Atomwaffen drohten und diese wahrscheinlich schon in Stellung gebracht hatten. Dem Einschreiten der USA ist es zu verdanken,dass dieser Konflikt entschärft wurde.

Eine ähnliche Situation entstand, als das Indische Parlament im Dezember 2001 von Terroristen angegriffen wurde: eine Attacke, für die sofort Pakistan verantwortlich gemacht wurde. Eine Million Soldaten marschierten auf beiden Seiten auf und standen sich zehn Monate lang direkt gegenüber. Mindestens zweimal wäre es fast zum einem Gefecht gekommen, dass in Anbetracht der vorausgegangenen Kriegsrhetorik und militärischer Vorbereitungen, schnell zum Nuklearkrieg hätte eskalieren können.

Indien und Pakistan sind Länder, in denen es aufgrund geringer Sicherheitsstandards schnell zu Unfällen kommt, auch in ihren militärischen Einrichtungen. Der Sicherheitsindex für Nuklearmaterialien der Nuclear Threat Initiative ordnet den beiden Staaten in einer Bewertung mit 25 Ländern, die mindestens ein Kilo waffenfähiges Nuklearmaterial besitzen, die untersten Ränge 23 und 22 zu. Auf der Rangliste befindet sich Indien noch unter Pakistan, was Sicherheitsstandards, Kontrollmaßnahmen, nationale Verpflichtungen und Fähigkeiten betrifft, und weist insgesamt eine langsameres Tempo bei Verbesserungen vor.

Die indischen und pakistanischen Militärs sind bekannt für strategische Fehleinschätzungen, die schon oft zu Eskalationen von Konflikten führten. Vermutlich sind sie sich uneins darüber, was „untragbare Schäden“ sein könnten. Im Falle eines Krieges genießen die Militärs ohnehin eine große Unabhängigkeit von der politischen Führung, was das Risiko eines Nuklearkrieges noch weiter erhöht.

Dies macht zwingend notwendig, dass sich Indien und Pakistan über Maßnahmen zur Risikominimierung verständigen. Hierzu gehört ein Abkommen über die Nichtstationierung von Raketen in Grenznähe; die Lagerung von Gefechtsköpfen separat von Trägerraketen; ein bilaterales Testverbot; Besichtigungen von kerntechnischen Anlagen der jeweils anderen Seite; sowie eine Erklärung Kaschmirs zur atomwaffenfreien Zone (NWFZ).

Der Vorschlag, Kaschmir zur atomwaffenfreien Zone zu erklären, wird von der regierenden Partei im pakistanischen Teil Kaschmirs unterstützt und könnte helfen, die Forderung nach eineratomwaffenfreien Zone in Südasien wiederzubeleben. So könnten Nachbarstaaten moralisch-politischen Druck auf Indien und Pakistan ausüben.
 

Ein Blick nach vorn: Ist eine Verlangsamung des nuklearen Wettrüstens in Sicht?

Die Weltgemeinschaft täte gut daran, Indien und Pakistan zu einer atomaren Risikominimierung und Ergreifung vertrauensbildender Maßnahmen zu ermutigen. Dazu sollten auch Verhandlungen gehören, die unabhängig von internationalen Gesprächen zu einem Produktionsstopp von spaltbarem Material führen. Indien muss ermahnt werden, den überarbeiteten Rajiv-Gandhi-Plan für globale Abrüstung zu veröffentlichen und hierzu eine internationale Konferenz einzuberufen.

Eine Opposition gegen Atomwaffen findet man in Indien in erster Linie bei den Linksparteien unter Führung der Kommunistischen -Marxistischen Partei Indiens und der Koalition für nukleare Abrüstung und Frieden (CNDP). Letztere entstand im Jahr 2000 aus mehr als 200 zivilgesellschaftlichen Gruppen. Weder CNDP noch die Linke haben Einfluss auf politischer Ebene, aber sie könnten in der öffentlichen Aufklärung und Meinungsbildung einwirken, besonders wenn ihre Aktivisten sich auch noch in anderen Bürgergruppen engagieren.

Es ist unwahrscheinlich, dass Indien seine Atomwaffenpolitik ändern wird, wenn die gegenwärtige Allianz wieder an die Macht kommt. Gewinnt eine Koalition unter Führung der rivalisierenden BJP, so wird sich Indiens Standpunkt sogar noch weiter verhärten. Allerdings könnte der Sieg einer Koalition, die sich aus regionalen Parteien konstituiert, wie der neuen Aam Aadmi Party, Möglichkeiten für eine echte Initiative zur nuklearen Mäßigung und Ergreifung risikominimierender Maßnahmen eröffnen.
 

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"Indien im Wahljahr – Aufbruch oder Stagnation?".