Kinderbuch: Der kluge Fischer

Zeichnung: Fischer und Tourist im Boot

Viele sagen, Heinrich Böll sei nicht nur schon lange tot, sondern seine Texte würden uns auch nichts mehr geben. Die "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral" ist in der Tat ein halbes Jahrhundert alt. Böll schrieb sie zum Tag der Arbeit 1963, mitten im bundesdeutschen Wirtschaftswunder. Er war ein Mann mit Humor. Der französische Zeichner Emile Bravo hat sich der Böllschen Anekdote nun angenommen und sie in ein Kinderbuch verwandelt.

Für alle, die die Geschichte nicht parat haben, hier die Kurzfasssung: Auch im Urlaub am Meer kann der Mensch nicht abschalten, er versucht, die Ferne zu genießen, aber dann hat er doch was auszusetzen und macht ein bisschen auf Entwicklungshilfe. Ein Fischer, der mitten am Tag in einem Boot am Hafen döst, der könnte doch, wenn er noch mal raus führe, viel mehr Fisch fangen, einen Kutter haben und dafür Leute anstellen, ein Kühlhaus bauen, eine Marinadenfabrik und und und. Wozu das alles? Na, damit er in Ruhe und Zufriedenheit mitten am Tag in einem Boot am Hafen dösen kann.

Emile Bravo ist so alt wie der Text, den er illustriert hat. Himmel- und Mittelmeerblau, Flaschengrün und Silber dominieren, wir denken an Sommer und Sonne und riechen ein ganz anderes Leben. Der Verlag hat den Titel geändert – von der Senkung der Arbeitsmoral zum klugen Fischer, damit auch keiner denkt, der Fischer blicke nicht durch. Nun ja. Empfohlen ist "Der kluge Fischer" ab fünf Jahre. Kann sein, der Nachwuchs zuckt die Achseln, wenn er die klaren, einfachen Zeichnungen betrachtet und fragt sich, warum der Tourist so nerven muss. Vielleicht haben die Kinder Mitleid mit ihm und denken, dass der bestimmt neidisch ist auf den entspannten Fischer. Die Eltern und die anderen, die das Buch vorlesen dürfen, die werden schmunzeln oder überrascht sein, weil Heinrich Böll so aktuell, so einfach und so witzig ist.

Emile Bravo, Heinrich Böll
Der kluge Fischer
Fester Einband, 40 Seiten, 14,90 €
ISBN 978-3-446-24298-2
Carl Hanser Verlag
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