Die Schöpferin der lächelnden Sonne

Teaser Bild Untertitel
Gorleben: Eine Sonne kommt selten allein

1975 entwarf die damals 21-jährige Aktivistin Anne Lund das "Atomkraft? Nein Danke"-Logo. Im Interview erzählt die Dänin über ihre persönlichen Erfahrungen mit Kernenergie und der Anti-Atomkraft-Bewegung sowie über die Entstehung der weltbekannten lächelnden Sonne.  


Lara Röscheisen: Am 26. April ist der 30. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. Was verbinden oder assoziieren Sie mit diesem Datum? Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie über die Katastrophe gehört und wie Ihre ersten Reaktionen waren?


Anne Lund: Ich kann mich nicht erinnern, wie genau ich davon gehört habe, aber ich kann mich erinnern, dass ich sehr beunruhigt und besorgt war. Ich wusste, dass ein großes Risiko mit der Nutzung von Kernenergie verbunden ist, aber natürlich geht man nicht davon aus, dass so ein Unglück tatsächlich passiert. Als die Katastrophe von Tschernobyl geschah, war ich sofort sehr besorgt, weil ich über die Konsequenzen und Folgen Bescheid wusste. Wir informierten Menschen über die Risiken von Atomkraft, als ich in der Kampagne gegen Atomkraft in Dänemark mitgewirkt habe. Ich machte mir vor allem Sorgen darüber, was mit den Menschen geschehen würde, die um das gesamte Gebiet von Tschernobyl lebten. Das Schlimmste, was man erwarten konnte war geschehen und es war eine Katastrophe. Ich erinnere mich auch kleine Dinge wie Warnungen über das Essen von Rentierfleisch in Nordschweden und Norwegen. Das Weideland der Rentiere wurde aufgrund von Winden und radioaktiven Wolken mit radioaktiver Strahlung verseucht.


Porträt Anne Lund


1975 waren Sie ein Aktivistin in der Lokalgruppe "Organisation für Aufklärung über Atomkraft" (OOA) und entwarfen, das jetzt weltweit bekannte Logo gegen Atomkraft. Wie kamen Sie auf die Idee der lachenden Sonne?


Ich arbeitete bereits seit mehreren Monaten an der Idee, ein Symbol für die Bewegung zu entwerfen. Es war ein wenig wie eine Reaktion auf die meisten der Symbole, die in der Zeit verwendet wurden, die nur die Angst vor Atomkraft signalisierten. Ich dachte es wäre besser, eine positive Alternative zu zeigen. Die Sonne erzeugt nicht nur Solarenergie, sondern symbolisiert auch die Kräfte der Natur, wie Wind und Wasser, die die ganze Existenz der Erde bestimmen.


Vor allem der Slogan "Atomkraft? Nej Tak" gewann internationale Beliebtheit und wurde in mehr als 50 verschiedene Sprachen übersetzt. Wie wurde der Slogan entwickelt?


Ich glaube es gibt ihn mittlerweile sogar in mehr als 60 Sprachen! Vor allem im Jahr 1975 gab es in Dänemark eine große Debatte über Kernkraft. Die Bewegung gegen Atomkraftwerke wuchs und wir wollten ein Symbol schaffen, das jede Person verwenden konnte um zu zeigen, dass sie gegen Atomkraft war. Die Anti-Atomkraft-Bewegung wurde in Dänemark gestartet, indem wir Leute gefragt haben, wie sicher sie sich mit Atomkraft fühlten. Das sollte die Leute darüber zum Nachdenken bringen, ob sie Atomenergie befürworteten oder nicht.


Die Reflektion über die Konsequenzen, Unsicherheiten und andere Fragen rund um die Sicherheitsstandards von Atomkraft waren zentrale Themen der Debatte zu der Zeit. Genau diese aufkommenden Fragen werden mit dem Fragezeichen im Slogan symbolisiert. Die Farben die im Logo verwendet sind, Gelb und Schwarz, sind an das Gefahrensymbol von Atomkraft angelehnt. Indem ich eine orange, lächelnde Sonne hinzugefügt habe, wird die Gefahr in etwas Positives umgewandelt. Der Slogan sagt "Nein" zu Atomkraft und verneint sie auf eine höfliche Weise. Genau in der Art, in der man auch in einer Konversation etwas höflich ablehnen würde. Wir wollten zum Dialog einladen und in ein friedliches Gespräch über das Thema kommen. Das war also die Grundidee um unsere Ansichten in dem Slogan zu signalisieren: Eine Debatte auf informierter Grundlage zu führen und eine demokratische Diskussion zu führen.


Haben Sie noch die Originalzeichnungen von dem Logo?


Nein, die gibt es leider nicht mehr. Aber es gibt Buttons und Fotos von den ersten Zeichnungen, die sich jetzt im Dänischen Nationalmuseum befinden.

 
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie das Logo in der Öffentlichkeit oder in den Nachrichten sehen?


Es ist ein unglaubliches Gefühl. Viele Menschen haben eine Menge Anstrengungen bewältigt und zusammen ist es uns gelungen etwas zu verändern. Es zeigt, dass die öffentliche Meinung zählt und dass Entscheidungen, die auf einer informierten Plattform getroffen werden etwas verändern können. Es ist ein sehr gutes Gefühl und ich werde dieses Gefühl für den Rest meines Lebens haben. Als einzelne Person, ist es oft schwierig etwas zu bewirken, aber wenn man zusammenarbeitet, kann sehr viel erreicht werden.


Stört es Sie, wenn die Leute etwas an der Zeichnung ändern oder ihre eigenen kreativen Ideen in den Slogan hinzufügen?


Generell denke ich, dass es gut ist wenn Menschen etwas tun und Dinge auf ihre eigene Art und Weise erledigen. Da es zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden ist, das von vielen Ländern adaptiert wurde, müssen wir etwas vorsichtig sein, um sicherzustellen, dass das Symbol als ein klares Symbol gehalten wird. Wenn es in zu vielen verschiedenen Kontexten verwendet wird, dann wird es als Symbol irgendwann nicht mehr wirken. Ich mache mir keine Sorgen, wenn es auf eine witzige Art auf ein Plakat oder Wand gemalt wird, und ich mache mir auch keine Gedanken über Änderungen im  Gesicht von der Sonne. Aber wenn das Symbol für etwas anderes verwendet wird, also nicht für den eigentlichen Zweck, oder sogar in eine entgegengesetzte Richtung verwendet wird wie "Atomkraft - ja bitte", dann ist es falsch. Wir haben einige Bemühungen unternommen, damit das Symbol als Symbol der Anti-Atomkraft Bewegung erhalten bleibt, und ich denke, das dies notwendig ist.


Sie haben daran mitgewirkt, Atomkraft in Dänemark abzuschalten. Was können Energieaktivist/innen von der Anti-Atom-Bewegung lernen?


Zunächst einmal denke ich, dass Aktivismus etwas sehr lokales ist. Daher ist es wichtig, die lokalen Gegebenheiten zu kennen und mit ihnen arbeiten. In diesem Sinne würde ich sagen, dass es uns gelungen ist die Debatte um Atomenergie aufrechtzuerhalten, indem wir darauf bestanden haben, dass die Diskussion auf einer informierten Basis stattfand. Das war das erste Grundanliegen: wir informierten über den Sachverhalt. Das zweite Anliegen war der gewaltfreie Widerstand in der Bewegung. Dies hatten wir natürlich von jemand anderem gelernt: Ghandi. Ich denke, dass der Gewaltfreie Protest in der Anti-AKW-Bewegung sehr wichtig war, denn sonst hätte es eine Gegenreaktion gegeben. Eine gewaltfreie Bewegung ermöglicht die Öffnung für einen Dialog über das Thema und bildet die Grundlage für eine demokratische Diskussion.


Haben Sie eine Schlüsselbotschaft zu Kernenergie oder zur Anti-Atomkraft-Bewegung?


Ich denke, dass der Widerstand von großer Bedeutung ist. Es ist wichtig, den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerke aus mehreren Gründen einzustellen: Erstens, wegen der unmittelbaren Gefahr, zweitens, wegen dem entstehenden hochradioaktiven Atommüll und drittens, was vorher noch nicht so klar war, aber jetzt sehr offensichtlich ist: Es besteht die Gefahr der Verbreitung von Kernwaffen und das Risiko von nuklearem Terrorismus. Ich denke, dass das Problem immer noch sehr präsent ist und Atomenergie nicht mehr verwendet werden sollte. Es gibt so viele andere gute Alternativen, bei denen erneuerbare und nachhaltige Energiequellen zur Energiegewinnung genutzt werden. Die letzten 30 Jahre haben gezeigt, was die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie bewirken kann. Es ist beeindruckend. Auch ich bin beeindruckt!


Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers zum 30. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl.