Warum das Brexit-Referendum bei Donald Trump neue Hoffnung schürt

Trump kissing Johnson: Street Art against the Brexit decision

Hillary Clinton sollte gewarnt sein: Trumps Wahlkampf setzt, ähnlich wie die Brexit-Bewegung, auf eine Stimmung gegen Einwanderer und die Wut auf „politische Eliten“ und „Mainstream-Medien“.

Wie in vielen anderen Ländern zeigten sich Beobachter/innen in den USA überrascht über den Ausgang des Brexit-Referendums. Die Reaktionen der Präsidentschaftskandidat/innen hätten nicht unterschiedlicher sein können: Während die demokratische Kandidatin Hillary Clinton staatsmännisch erklärte, dass sie das Ergebnis anerkenne, zog der republikanische Spitzenreiter Donald Trump Vergleiche zu seinem eigenen Wahlkampf. In der Tat bestehen Ähnlichkeiten zwischen der Kampagne der Brexit-Befürworter/innen und der Donald Trumps.

Präsident Barack Obama, der einen Verbleib Großbritanniens in der EU befürwortete, erklärte, dass er das Ergebnis des Referendums respektiere. Sichtlich darum bemüht, die Situation zu beruhigen, warnte Obama vor Hysterie und versicherte, dass sich an der transatlantischen Allianz und der besonderen Beziehung zwischen den USA und Großbritannien nach einem möglichen britischen EU-Austritt nichts ändern werde. Großbritannien könne ähnliche Beziehungen mit der EU aufbauen wie Norwegen, das – obwohl kein Mitglied – eng mit der EU verbunden ist. Auch Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, versicherte, dass das Vereinigte Königreich ein unverzichtbarer Verbündeter bleibe und die besondere Partnerschaft mit den USA durch das Referendum nicht betroffen sei.

Einige US-Kommentatoren kritisierten, dass die Obama-Regierung (darunter auch die ehemalige Außenministerin Clinton) durch den außenpolitischen „Schwenk nach Asien" und die Abkehr von Europa in den letzten Jahren für das Resultat des Brexit-Referendums mitverantwortlich sei. Diese Annahme ist fraglich, da die Brexit-Anhänger/innen weder für Einmischung von Seiten der EU noch für sonstige ausländische Einflussnahme in die britische Politik offen zu sein scheinen. Das zeigte sich bereits im Zusammenhang mit Barack Obamas Besuch in Großbritannien im April, als er warnte, dass es nach einem Brexit in absehbarer Zeit kein bilaterales Handelsabkommen zwischen Großbritannien und den USA geben werde. Viele Brexit-Befürworter/innen zeigten sich empört darüber, dass der US-Präsident zum britischen Referendum Stellung bezog – und tatsächlich haben Obamas Warnungen der „Remain“-Kampagne nicht geholfen.

Das Erbe der Tea-Party-Bewegung

Nach dem Referendum erklärte Hillary Clinton, dass das Ergebnis des Referendums die Notwendigkeit einer „ruhigen, beständigen, erfahrenen Führung im Weißen Haus“ unterstreiche – eine nicht sonderlich subtile Werbung für ihre eigene Präsidentschafts-Kampagne. Im Gegensatz zu Obamas und Clintons vergleichsweise diplomatischen Reaktionen auf das Referendum freute sich Donald Trump, dass die Briten durch einen EU-Austritt ihre Unabhängigkeit zurückerlangten und zog Parallelen zu seiner eigenen Kampagne. Tatsächlich profitiert Trumps Wahlkampf, ähnlich wie die Brexit-Bewegung, von einer Anti-Einwanderer-Stimmung und der Wut vieler US-Bürger/innen über den vermeintlichen Souveränitätsverlust und über die Bevormundung durch die „politischen Eliten“ in Washington, DC und die amerikanischen „Mainstream-Medien“.

Während viele Brexit-Anhänger/innen die aus der EU-Mitgliedschaft resultierende Freizügigkeit von Arbeitnehmer/innen ablehnen, die Arbeitsuchenden aus Süd- und Osteuropa die Arbeit in Großbritannien ermöglicht, unterstützen viele Trump-Anhänger/innen dessen Vorschlag, strengere Grenzkontrollen einzuführen und eine Mauer entlang der mexikanischen Grenze zu bauen, um illegale Einwanderung zu verhindern. Beide Kampagnen profitieren von wachsender Fremden- und insbesondere Islamfeindlichkeit. Während Brexit-Unterstützer/innen befürchten, dass das Land durch die EU-Mitgliedschaft letztlich zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und anderen (überwiegend muslimischen) Ländern gezwungen werden könnte, befürworten viele Trump-Anhänger/innen dessen Vorschlag, Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten.

Eine gleichfalls wichtige Gemeinsamkeit beider Kampagnen ist die Ablehnung der politischen Eliten und Bürokrat/innen, oft als „Establishment“ bezeichnet, in den fernen Hauptstädten. Während viele Brexit-Anhänger/innen „ungewählte Bürokraten“ in Brüssel verachten, die sich ständig in den Alltag der Brit/innen einmischen, stellt sich Trump gegen die vermeintlichen Eliten in Washington. Dabei profitiert er von einem populistischen Trend, der seit einigen Jahren die Politik der USA beeinflusst und auch Grund für den Aufstieg der Tea-Party-Bewegung ist.

Ihr Erfolg beruht auf dem Misstrauen vieler Wähler/innen gegenüber den politischen Repräsentant/innen in Washington, die nicht genügend die Interessen der Bürger/innen vertreten. Es überrascht deshalb nicht, dass auch einige der bereits ausgeschiedenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten das Ergebnis des britischen Referendums begrüßten und Vergleiche zu den USA zogen. So argumentierte beispielsweise Senator Ted Cruz, dass das Referendum den „internationalistischen Bürokraten in Brüssel und Washington“ als Weckruf dienen sollte, dass einige freie Nationen ihre nationale Souveränität bewahren wollen.

Trump wird Clinton weiterhin als „Establishment-Kandidatin“ darstellen

Ben Carson twitterte, dass die Brit/innen, ähnlich wie die Amerikaner/innen, sich dazu entschieden hätten, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Beide beziehen sich dabei auch auf die von Trump propagierte Auffassung, dass die USA durch unkontrollierte Einwanderung, Verstrickung in internationale Handelsabkommen und Organisationen, wie die NATO, die Kontrolle über ihre nationale Souveränität und Selbstbestimmung verloren haben. Der Wunsch nach der Rückerlangung nationaler Souveränität erklärt wohl auch Trumps Sympathien für Wladimir Putin, den viele Nationalisten in den USA und Europa als erfolgreichen Verteidiger der russischen Souveränität und nationalen Identität sehen.

Das Brexit-Referendum wurde offensichtlich von vielen Wählerinnen und Wählern als Chance gesehen, um gegen die Cameron-Regierung zu protestieren. Ähnlich kann Trump von der regierungskritischen Stimmung unter seinen Anhänger/innen profitieren, von denen viele glauben, dass nur ein „Außenseiter“ wie er das manipulierte System der USA verändern kann. Während viele britische Politikerinnen und Politiker lange Zeit die Gefahr verkannt haben, dass die Brexit-Kampagne Erfolg haben könnte, hat auch die republikanische Führungsriege lange Trumps populistische Kampagne unterschätzt und stattdessen auf „Establishment-Kandidaten“ wie Jeb Bush gesetzt. Nachdem sie nun erkannt haben, dass sie den Kontakt zu weiten Teilen der traditionellen republikanischen Wählerschaft verloren haben, können sie sich schwer mit der Tatsache abfinden, dass Trump der Spitzenkandidat der eigenen Partei ist.

Hillary Clinton und die demokratische Partei sollten gewarnt sein: Donald Trump wird Clinton auch weiterhin als „Establishment-Kandidatin“ darstellen, die seit Jahrzehnten im Politikbetrieb tätig ist und die Sorgen der Bevölkerungsmehrheit nicht versteht. Präsident Obama räumte unlängst ein, dass die Brexit-Kampagne durch populistische Wut geschürt wurde, riet den US-Wählern und Wählerinnen aber davon ab, für Trump zu stimmen, um ihrer Frustration Ausdruck zu verleihen. Trump profitiere vom globalen Kapitalismus und verkörpere dadurch selbst eben jene „globale Elite“, die er mit seiner Kampagne anprangere.

Doch ob Obamas Warnung gehört wird, ist fraglich. Viele Beobachterinnen und Beobachter hätten nicht gedacht, dass die Briten wirklich für die Aufgabe der EU-Mitgliedschaft stimmen könnten. Ebenso glauben viele nicht daran, dass Trump die Präsidentschaftswahlen im November tatsächlich gewinnen kann. Das Brexit-Referendum ist ein warnendes Beispiel, dass es anders kommen kann.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Brexit-Dossiers.