"Aktiver Widerstand ist kaum zu erwarten" - Interview mit Lili Fuhr

Teile von Moondust-Nelken in Gläsern
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Die "Moondust-Nelke" war die erste kommerziell erwerbbare genetisch veränderte Pflanze

Bei der 13. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt (UNCBD) Anfang Dezember in Cancún, Mexiko, ist die Synthetische Biologie der größte Zankapfel. Lili Fuhr begleitet die Verhandlungen zu diesem Thema für die Heinrich-Böll-Stiftung.

Was hat Synthetische Biologie mit biologischer Vielfalt zu tun? Worüber genau wird bei der Konferenz der UN-Konvention zu ihrem Schutz (UNCBD) gestritten werden?

Lili Fuhr: Die Konvention zielt ja auf den Erhalt von Biodiversität. Die Synthetische Biologie hat das Potenzial, alle drei Ziele dieser Konvention zu untergraben. Daher ist die UNCBD zu Recht eine der wenigen internationalen Arenen, in der Fragen um die umstrittenen und hochriskanten Gentechnologien überhaupt kontrovers diskutiert werden.

An welchen Stellen untergräbt die Synthetische Biologie die Ziele der Konvention?
 
Das erste Ziel der Konvention ist der Erhalt biologischer Vielfalt. Eine weitere Ausdehnung industrieller Landwirtschaft, die massiv auf Gentechnik setzt, wäre das Letzte, was wir brauchen. Das zweite Ziel der Konvention bezieht sich auf die nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt. Hier ist die Synthetische Biologie ein regelrechter «Game Changer»: Eine industrielle Nutzung von künstlich geschaffenem Leben hat wenig bis nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Das dritte Ziel ist der gerechte Vorteilsausgleich aus der Nutzung genetischer Ressourcen – besser bekannt unter dem englischen Titel ABS (Access and Benefit Sharing).

Was genau ist darunter zu verstehen?

In den vergangenen Jahrzehnten gab es große Fortschritte bei der Regulierung des grenzüberschreitenden Handels mit genetischen Materialien von Tieren, Pflanzen und anderen Lebewesen, unter anderem durch das Nagoya-Protokoll aus dem Jahr 2010. Dieses Protokoll soll den Herkunftsländern etwas von den Gewinnen sichern, die Unternehmen mit ihren Substanzen und ihrem Wissen machen.

Mit der Synthetischen Biologie stellt sich eine ganz neue Frage, auf die die Regeln des Nagoya-Protokolls bislang keine Antwort haben: Was wäre, wenn es beispielsweise nichts weiter bräuchte als eine einfache E-Mail, um genetische Informationen weiterzugeben? Eine faire Entschädigung für die Nutzung des Wissens gibt es derzeit nämlich nur, wenn Genmaterial physisch von einem Land ins andere transportiert wird.

Damit wären Biopiraterie und Saatgutdiebstahl Tür und Tor geöffnet.

Ja, denn ein möglicher finanzieller Ausgleich für die Entwicklungsländer fällt damit flach – und dort besonders für die traditionellen und indigenen Gemeinschaften, die diese genetischen Informationen über Jahrhunderte gehütet und betreut haben. Die Industrieländer – und vor allem die großen Biotechnologiefirmen – wollen dieses Thema am liebsten ganz unter den Teppich kehren.

Worum geht es bei den Verhandlungen in Cancún sonst noch?

Zunächst einmal muss die UNCBD zu einer Begriffsklärung beitragen, was genau unter Synthetischer Biologie zu verstehen ist. Denn das Thema ist unübersichtlich und umfasst viele und sich rasant verändernde Technologien. Da wird die Frage einer Definition schnell zum politischen Grabenkampf. Denn am Ende geht es bei der Festlegung einer Definition ja auch darum, inwieweit neue Technologien unter bestehende Regulierungen fallen.

Bei dem 12. Treffen der UNCBD in Südkorea 2014 wurden die nationalen Regierungen doch bereits aufgefordert, diese Frage der Regulierungen in ihren Ländern zu klären?

Ja, das sind wichtige Ansatzpunkte, auf die man die Regierungen nun festnageln muss. Einfach ist das nicht. Die UNCBD befasst sich mit einer Vielzahl von Themen. Kleine Delegationen aus Entwicklungsländern sind da oft überfordert und stehen dann gut gerüsteten Anwaltsteams derjenigen Länder gegenüber, in denen große Biotechnologie-Firmen ihren Sitz – und damit großen politischen Einfluss haben. Wenn BASF und Bayer gegen die Afrikanische Gruppe verhandeln, ist schnell klar, wer den Kürzeren zieht.

Welche Position vertritt Deutschland in dieser Frage? Ist Widerstand zu erwarten?

Deutschland verhandelt bei der UNCBD im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Position. Die EU wiederum hat am Thema Synthetische Biologie ein besonderes Interesse. Sie setzt zum einen ganz stark auf die Erforschung und Nutzung neuer Biotechnologien, die das Wirtschaftswachstum in Europa anheizen sollen. Viele Firmen haben ihren Sitz in Europa. Man denke nur an Bayer und Syngenta.

Zum anderen ist die Gentechnik-Lobby in Europa sehr aktiv. Sie hat aus dem Kampf um traditionelle Gentechnik gelernt und versucht nun, sogenannte neue Züchtungstechniken zugelassen zu bekommen und dabei die Gentechnik-Regulierung zu umgehen. Und nein: Von Deutschland ist in Cancún leider kein aktiver Widerstand in der Debatte um die Synthetische Biologie zu erwarten. Weil aber Einmischen so wichtig ist, sind wir als Teil der kritischen Zivilgesellschaft mit unseren Partnerinnen und Partnern dort.

Das Gespräch führte Annette Maennel.

Dieses Interview erschien zuerst im Böll.Thema 3/2016: Biologische Vielfalt. Es ist Teil unseres Dossiers "Synthetische Biologie".