Reinhard Bütikofer: Transatlantischen Beziehungen stehen stürmische Zeiten bevor

Reinhard Bütikofer mit Mikrofon
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Reinhard Bütikofer ist derzeit für politische Gespräche in Washington, DC (Archivbild)

Reinhard Bütikofer schildert im Gespräch mit Nora Löhle vom Washingtoner Büro der Heinrich-Böll-Stiftung seine Eindrücke zum Stimmungsbild in den USA und gibt einen Ausblick zur Zukunft der transatlantischen Beziehungen. Ihmzufolge muss die EU ihr eigenes Gewicht selbstbewusster und stärker einsetzen.

Nora Löhle: Nachdem du in Harvard und Washington DC bereits mit zahlreichen Akteuren gesprochen hast, was ist dein Eindruck von der politischen Stimmungslage? Inwiefern werden sich deiner Meinung nach die transatlantischen Beziehungen verändern und weiterentwickeln?

Reinhard Bütikofer: Ich glaube, dass uns in den transatlantischen Beziehungen noch der eine oder andere Sturm bevorsteht. Ich habe mit politischen Akteuren beider Seiten gesprochen, Demokraten und Republikanern, mit Leuten aus der Think-Tank-Szene und mit Wissenschaftler/innen. Alle weisen darauf hin, dass der jetzige Präsident eine sehr kritische Haltung gegenüber Europa hat. Jedenfalls kann Europa nicht auf den „Goodwill“ dieser Administration hoffen, so wie das in den letzten siebzig Jahren der Fall war. Es gibt eine  fundamentale Veränderung, die wir nicht ignorieren dürfen. Wenn Trump von „America First“ spricht, geht er von einem Nullsummenspiel aus. Was Amerika gewinnt, sollen Andere verlieren. Die Vorstellung, dass man durch vernünftige Kooperation gemeinsam vorankommt, liegt dem nicht sehr nahe. Darauf müssen wir uns einstellen.

Jedoch kam auch von republikanischer Seite die Bitte, ja nicht mit Argumentieren aufzuhören und in Kontakt zu bleiben. Dem stimme ich zu. Aber uns muss klar sein, dass das nicht einfach nur ein neuer Präsident ist. Da ändert sich der gesamte Grundton. Dem muss die EU zukünftig Rechnung tragen.

Donald Trump ist bekanntlich kein Fan der EU. Wie sollte sich die Europäische Gemeinschaft gegenüber der neuen US-Administration aufstellen und mit ihr in Verhandlungen treten?

 

Reinhard Bütikofer im Gespräch mit Nora Löhle von der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, DC

Die EU besteht aus einer Vielzahl von Akteuren: Der Europäischen Kommission, dem Parlament, aber auch der Gemeinschaft der Mitgliedstaaten. Für alle gilt gleichermaßen, Selbstbewusstsein zu zeigen und nicht wie ein aufgeregter Hühnerhaufen zu reagieren. Ich glaube es ist ganz wichtig, uns nicht auf die Strategie einzulassen, die EU beiseite zustellen und nur bilateral mit einzelnen Mitgliedstaaten Politik zu gestalten. Wir sind sicherlich nicht auf ein gütiges Wort von Präsident Trump angewiesen. Die EU hat, ob in der Handelspolitik oder in vielen anderen Bereichen, ihr eigenes Gewicht und lernt gerade, dieses auch selbstbewusst und stärker einzusetzen. An zweiter Stelle müssen wir nach wie vor schauen, wo es Gemeinsamkeiten gibt, die man verfolgen kann. Und drittens sind die USA nicht nur Trump. Die Mehrheiten und die Leute, die die Zentren der Exekutive besetzen, haben sich geändert.

Aber es gibt nach wie vor Partner, zum Beispiel in einzelnen Bundesstaaten wie Kalifornien. Diese haben keinesfalls die Absicht in der Klima- und Umweltpolitik nach Trumps Pfeife zu tanzen. Bei der German American Harvard Conference teilte uns die ehemalige Leiterin der Umweltbehörde EPA unter Obama mit, dass Trump auch in den USA die Energiewende nicht stoppen könne.

Insgesamt ist mein Eindruck: Trump beeindruckt und schockt. Sobald wir uns von diesem Schock lösen, werden wir feststellen, dass auch Trump nur begrenzte Möglichkeiten hat. Es gibt, glaube ich, gute Hoffnungen, Widerstand zu organisieren und andere Perspektiven zu schaffen. Deswegen gehe ich jetzt nicht ganz traurig nach Hause, sondern eher mit der Überlegung, die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Reinhard!

Reinhard Bütikofer, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, ist derzeit für politische Gespräche in Washington, DC. Am vergangenen Wochenende hat er an der German American Harvard Conference teilgenommen.