UN-Institutionen als Wegbereiter und Anker für eine neue Ökonomie der Natur

Die Vereinten Nationen spielen bei der Verankerung der Idee von Natur als Naturkapital eine entscheidende Rolle. Die praktische Umsetzung bleibt jedoch weit hinter den hehren Zielen zurück.

Neue Ökonomie der Natur: Weltkarte – Gefahr der Desertifikation
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Unter der Ausbreitung von Wüsten leiden nicht nur arme, marginalisierte und in Randzonen lebende Menschen sondern auch rund 18 Industriestaaten. 250 Millionen Menschen sind bereits direkt von der Wüstenbil­dung betroffen

Der Ansatz der ökonomischen Inwertsetzung von Natur sowie die Begriffe Naturkapital und Ökosystemleistungen prägen seit der Jahrtausendwende alle wichtigen UN-Umweltkonventionen. Mehr noch, sie spiegeln sich zunehmend in den Zielen und Maßnahmen der drei sogenannten Rio-Konventionen zum Klimawandel, zum Erhalt biologischer Vielfalt und zur Bekämpfung von Wüstenbildung wider, die während des Erdgipfels der Vereinten Nationen (UN) 1992 in Rio de Janeiro (Brasilien) verabschiedet wurden.

Die Verankerung der Ansätze in UN-Dokumenten und Diskursen hat die Akzeptanz für eine neue Sprache und für Konzepte geschaffen, die Natur primär in ökonomischen Kategorien beschreiben. Parallel zu den konzeptionellen Debatten, insbesondere in der ökologischen Ökonomie, forcierte diese ökonomische Sichtweise von Natur in den UN-Konventionen die Entwicklung von marktbasierten Instrumenten, wie dem Emissionshandel oder dem Ansatz des Netto-Null-Verlusts von biologischer Vielfalt. Ziel dieser Instrumente ist es, die Konventionsziele zu erreichen, ohne das Primat vom Wirtschaftswachstum in Frage zu stellen.

UNEP als wichtiger Akteur

Bei der Verankerung der Idee von Natur als Naturkapital spielte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) eine zentrale Rolle. Mit der Organisation von Veranstaltungen, der Herausgabe von Publikationen und mit Initiativen, wie der UNEP Finance Initiative, an der über 200 Banken, Versicherer und Investoren beteiligt sind, fördert UNEP den Austausch zwischen den Befürworter/innen einer ökonomischen Bewertung von Natur und bringt so die Übersetzung wissenschaftlicher Begriffe und Methoden in politische Handlungsempfehlungen und Instrumente voran.

Zwei federführend von UNEP durchgeführte Studien gelten vielfach als Meilensteine für die politische Akzeptanz einer ökonomischen Bewertung von Natur und für die Verankerung von marktbasierten Instrumenten in den Rio-Konventionen der UN: das Millennium Ecosystem Assessment und der TEEB-Bericht.

2001 gab der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, mit dem Millennium Ecosystem Assessment die bislang umfassendste Studie über den Zustand und die Gefährdung natürlicher Lebensräume weltweit in Auftrag. Regierungen zeigten ihre Unterstützung für die Initiative, indem die Mitgliedskonferenzen der Biodiversitäts- und Wüstenkonvention beschlossen, die Ergebnisse des Millennium Ecosystem Assessment-Berichts bei der Umsetzung der Konventionen zu berücksichtigen. Das Millennium Ecosystem Assessment „ist der primäre Rahmen für die Implementierung der CBD“, heißt es etwa in den 2004 veröffentlichten Richtlinien der Biodiversitätskonvention (CBD).

Mit finanzieller Unterstützung, unter anderem von der Weltbank, entstand innerhalb von vier Jahren das Millennium Ecosystem Assessment. Neben einer Bestandsaufnahme des Zustands der natürlichen Lebensräume bietet es Szenarien für mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2050 und Handlungsempfehlungen für alle betroffenen Politikfelder, einschließlich der Ziele der drei Rio-Konventionen. Auffällig ist, dass der Diskurs von Begriffen dominiert wird, die die Natur auf die Bedürfnisse des Menschen ausrichten und die Menschen selber wiederum nicht als Teil der Natur betrachten. Die Natur wird überwiegend in ökonomischen Kategorien beschreiben: Die Frage nach den ökosystemaren Funktionen von Fischen im Lebensraum Meer wird im Millennium Ecosystem Assessment durch die Frage ersetzt, welche Dienstleistungen von welchem Wert Meeresfische für den Menschen liefern. Im März 2005 wurden die Ergebnisse des Millennium Ecosystem Assessment veröffentlicht. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und internationale Initiativen zur Erfassung und Bewertung von Lebensräumen und sogenannten Ökosystemleistungen sowie zur Entwicklung von Methoden und Instrumenten, wie dem Handel mit Kompensationsgutschriften, beziehen sich explizit auf das Millennium Ecosystem Assessment.   

TEEB-Bericht nimmt das Konzept von Natur als Naturkapital auf

Zwei Jahre später nimmt der Bericht "Die Ökonomie der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt" (kurz: TEEB-Bericht) das Konzept von Natur als Naturkapital auf. Die Initiative für TEEB wurde 2007 anlässlich des G-8-Umweltministergipfels in Potsdam ins Leben gerufen. Auch hier übernahm UNEP die Federführung der vom Ökonom und ehemaligen Mitarbeiter der Deutschen Bank, Pavan Sukhdev, koordinierten Studie. TEEB zielt darauf ab, die ökonomischen Werte von Natur für Finanzmärkte und politische Entscheidungsträger/innen sichtbar zu machen und auf diese Weise dazu beizutragen, dass die Ziele der Biodiversitätskonvention erreicht werden. Der Bericht geht davon aus, dass die Zerstörung der Natur endet, wenn der ökonomische Wert von Natur für Konzerne und die Politik sichtbar gemacht und damit der wirtschaftliche Schaden durch den Verlust der biologischen Vielfalt erkennbar wird. Regierungen, UN-Organisationen, Finanz- und Extraktionsindustrie haben auf den TEEB-Bericht reagiert und zahlreiche Initiativen gegründet, die den Grundannahmen des Berichts folgten. Mehrere EU-Länder, darunter auch Deutschland, haben nationale TEEB-Berichte erstellt; bezeichnenderweise trägt TEEB-Deutschland den Titel „Naturkapital Deutschland“.

TEEB hat die Biodiversitätskonvention direkt beeinflusst. Dies zeigt sich unter anderem in den Formulierungen der 2010 verabschiedeten Aichi-Ziele der Konvention: Eines der Aichi-Ziele (Ziel 2) sieht zum Beispiel vor, dass Regierungen bis 2020 den ökonomischen Wert der biologischen Vielfalt in ihre volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen einbeziehen. Auch zeigt sich in der Formulierung des Ziels die implizite Annahme, dass sich biologische Vielfalt – also Natur – in rein ökonomischen Kategorien erfassen lasse.

TEEB und Millennium Ecosystem Assessment nehmen jedoch nicht nur eine ökonomische Bewertung von Natur vor und fassen die Vielfalt und Einzigartigkeit von Natur in ökonomische Kategorien, wie Kapital und Leistung. Sie verknüpfen diese ökonomische Bewertung auch mit Handlungsempfehlungen für marktbasierte Instrumente in den UN-Umweltkonventionen – Handlungsempfehlungen, die UNEP und die von UNEP koordinierten Initiativen in die UN-Verhandlungen tragen. Für UNEP steht dabei der Einsatz von Instrumenten für die Landnutzung im Vordergrund, wie z. B. die Kompensation für Biodiversitätsverlust im Bergbau, die Kompensation für degradierte, landwirtschaftliche Flächen, oder REDD+ als Instrument zur Minderung von Emissionen aus Waldverlust in Ländern des globalen Südens.

Grüne Ökonomie als neues Leitthema

Der Ansatz einer ökonomischen Bewertung von Natur prägte auch die Folgekonferenz des Erdgipfels von 1992, die Rio+20 Konferenz im Jahr 2012 in Rio de Janeiro (Brasilien). Eine ökonomische Bewertung von Natur sollte fortan eine Grüne Ökonomie fördern. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon umschrieb die Leitidee der Rio+20-Konferenz als einen Ansatz, „der die gesamte Bandbreite wirtschaftlicher Politiken mit Relevanz für nachhaltige Entwicklung unter einem Banner“ vereint; die Weltbank erklärt: „Natürlichen Ökosystemen einen monetären Wert zu geben ist der Schlüssel für den Weg zu einem grünen wirtschaftlichen Wachstum.“ Zahlreiche Veranstaltungen der Rio+20-Konferenz diskutierten die Ergebnisse des TEEB-Berichts, und die im Zuge seiner Veröffentlichung gegründete "Natural Capital Coalition" veröffentlichte in Rio die "Naturkapitalerklärung", wodurch der Begriff Naturkapital endgültig in den UN-Sprachgebrauch übernommen wurde.

Das Abschlussdokument der Rio+20-Konferenz wiederum verdeutlicht, dass auch die oft als kleine Schwester unter den drei Rio-Konventionen bezeichnete UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenausbreitung auf die neuen Ansätze der ökonomischen Bewertung und Kompensation von Naturverlust setzt. In Absatz 206 der Rio+20-Abschlusserklärung heißt es: „We recognize the need for urgent action to reverse land degradation. In view of this, we will strive to achieve a land degradation-neutral world.“ Die Leitidee der Kompensation ersetzt das Ziel, den Verlust von fruchtbarem Boden zu stoppen. "Land Degradation Neutrality" (LDN) ist seitdem eine viel diskutierte Idee, die sich auch im Maßnahmenkatalog der UN für eine nachhaltigere Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs), wiederfindet: SDG 15.3 formuliert das Ziel einer 'land degradation-neutral world' – einer Welt also, in der Degradierung von Land nicht verhindert, sondern lediglich neutralisiert wird. 

Ökonomische Bewertung dominiert den Diskurs, der Handel mit Kompensationsgutschriften die Praxis

Die Dokumente und Entscheidungen der UN weisen bei der Gewichtung der verschiedenen Beweggründe für eine ökonomische Bewertung von Natur eine bemerkenswerte Diskrepanz zur Relevanz in der Praxis auf. In Veröffentlichungen und Statements stehen die Erfassung ökonomischer Kennzahlen und das Finanzierungspotenzial von marktbasierten Instrumenten, wie dem Handel mit Kompensationsgutschriften für Naturschutz und Renaturierung, im Vordergrund. In der Praxis hingegen spielt insbesondere der Handel mit Kompensationsgutschriften bzw. der Einsatz von Kompensationsgutschriften als Verrechnungseinheit zum Nachweis eines gesetzlich oder völkerrechtlich vereinbarten Netto-Null-Ziels im Vordergrund. Dies gilt für den Handel mit Emissionsgutschriften aus CDM-Projekten wie auch für den Ansatz der "Land Degradation Neutrality", der sowohl im Maßnahmenkatalog der UN-Konvention zur Bekämpfung von Wüstenbildung als auch in den Sustainable Development Goals der UN verankert ist. Das CORSIA-Abkommen der internationalen Luftfahrtorganisation ist zwar kein völkerrechtlich verbindliches Abkommen, sichert jedoch die Sonderstellung der Regulierung von Treibhausgasemissionen aus dem internationalen Flugverkehr: CORSIA sichert dem internationalen Flugverkehr auch in Zukunft die Nicht-Einbeziehung des Sektors in die Verpflichtungen der UN-Klimaabkommen.

Zum Weiterlesen:

Fatheuer, T. (2014): Neue Ökonomie der Natur. Eine kritische Einführung.

Safriel, U. (2017): Land Degradation Neutrality (LDN) in drylands and beyond – where has it come from and where does it go. Silva Fennica 51.

Flues, V. (2016): Spreading despite controversy: An investigation into the sciences and politics of biodiversity offsetting.

 

Internationaler Emissionshandel in der UN-Klimapolitik

1997 verabschiedete die internationale Staatengemeinschaft das Kyoto-Protokoll mit dem Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen in Industrieländern zu reduzieren. Gleichzeitig erlaubt das Protokoll, Ländern und Unternehmen, deren Emissionsausstoß durch die Vereinbarungen begrenzt wird, die Obergrenze durch den Kauf von Emissionsgutschriften legal zu überschreiten. Anbieter solcher Emissionsgutschriften sind Projekte, die bei einem der sogenannten flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls registriert sind. Projekte des sogenannten Mechanismus für umweltgerechte Entwicklung (Clean Development Mechanism – CDM) finden in Ländern des globalen Südens statt, deren Treibhausgasemissionen das Kyoto-Protokoll nicht beschränkt; als Joint Implementation (auch im Deutschen ist der englische Begriff üblich) wird der Mechanismus bezeichnet, wenn die Projekte in Ländern stattfinden, deren Ausstoß von Treibhausgasemissionen durch das Kyoto-Protokoll begrenzt wird. Insbesondere der CDM entwickelte sich zu einem populären und gleichzeitig umstrittenen Instrument. CDM-Projekte müssen nachweisen, dass sie zur nachhaltigen Entwicklung beitragen und Emissionen eingespart haben, die ohne das Projekt freigesetzt worden wären.

Der CDM liefert jedoch sehr viel mehr als handelbare Emissionsgutschriften, die es Unternehmen in Industrieländern ermöglichen, die Minderung von Treibhausgasemissionen zumindest teilweise in andere Länder auszulagern. Die Anerkennung des Instruments durch eine UN-Konvention förderte die politische Akzeptanz marktbasierter Instrumente merklich und verankerte den Handel mit Kompensationsgutschriften auf internationaler Ebene. Mehr noch, der CDM ermöglichte die Entwicklung von Methoden und Institutionen, wie dem CDM-Board, und verschaffte ihnen trotz zahlreicher Unzulänglichkeiten eine breite Akzeptanz; darunter fallen die Einführung von Zertifizierungsstandards und Zertifizierungsorganisationen, wissenschaftliche Studien und Universitätskurse sowie Investoren mit Interesse an neuen Finanzprodukten im Geschäft mit Umweltkrisen. Kurz, der CDM beflügelte die Umsetzung eines umstrittenen Instruments und lenkte das Augenmerk der Kritik darauf, das im Aufbau bestehende Instrumentarium zu verbessern, anstatt kritisch zu hinterfragen, inwieweit die Ziele des CDM, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten und den Nachweis einer tatsächlich zusätzlichen Emissionsminderung zu liefern, tatsächlich erfüllt werden können. 

Über 80 Prozent der CDM-Projekte sparen keine zusätzlichen Emissionen ein

Für viele CDM-Projekte ist inzwischen belegt, dass sie Umweltschäden in der Projektregion verursachen, etwa im Fall von Gas- oder moderneren Kohlekraftwerken oder von Staudammprojekten, die die niedrigen CDM-Anforderungen an nachhaltige Entwicklung erfüllt haben. Eine Studie des Öko-Instituts aus dem Jahr 2016 kommt zudem zum Schluss, dass bei lediglich zwei Prozent der CDM-Projekte, die Emissionsgutschriften für den EU-Emissionshandel anbieten, die Zusätzlichkeit der Emissionsminderung wahrscheinlich ist. Bei über 80 Prozent der Projekte ist die Zusätzlichkeit hingegen unwahrscheinlich. Jede Emissionsgutschrift, die nicht auf einer zusätzlichen Minderung von Treibhausgasemissionen beruht, erhöht jedoch die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre über die im Kyoto-Protokoll für Industrieländer festgelegte Obergrenze hinaus und verschärft somit den Klimawandel, statt zu seiner Lösung beizutragen.

Das UN-Klimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015 verabschiedete sich jedoch trotz der nachweislichen Unzulänglichkeiten des CDM nicht vom Handel mit Emissionsgutschriften. Es erweitert das Spektrum der zulässigen Maßnahmen sogar: Das neue Instrument, der Nachhaltigkeitsmechanismus (Sustainable Development Mechanism), lässt theoretisch auch Projekte zu, die Gutschriften durch Emissionsminderung in der Landwirtschaft oder durch Waldschutz und Waldnutzung generieren. Inwieweit diese theoretische Möglichkeit eines internationalen Handels mit Gutschriften aus solchen Projekten auch in der Umsetzung des Klimaabkommens von Paris relevant wird, hängt von den Verhandlungen über das Regelwerk des Abkommens ab, die bis 2019 abgeschlossen sein sollen. Bei diesen Verhandlungen stehen auch die Zukunft des CDM und von CDM-Projekten generierten Emissionsgutschriften auf der Tagesordnung. 

Von der Einführung des Emissionshandels durch das Kyoto Protokoll ging somit eine Signalwirkung aus, die zu einer breiten politischen Akzeptanz der marktbasierten Instrumente zur Bekämpfung von Umweltkrisen führte. Zahlreiche nationale Umweltgesetze und internationalen Normen führten daraufhin den Handel mit Kompensationsgutschriften ein oder erweiterten diesen. Diese Akzeptanz ebnete zudem den Weg für die Einbeziehung von Waldnutzung und Landwirtschaft in marktbasierte Instrumente des Abkommens von Paris. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Klimaabkommen von Paris Instrumente wie REDD+ und Maßnahmen zur Steigerung der Kohlenstoffspeicherung im Boden als mögliche Lieferanten von Emissionsgutschriften anerkennt, obwohl zahlreiche der Argumente und Risiken, die zum Ausschluss solcher Maßnahmen im Kyoto-Protokoll geführt hatten, weiterhin bestehen. Die gilt insbesondere für die Gefahr einer vorzeitigen Freisetzung von Kohlenstoff, im Fachjargon auch als fehlende Permanenz bezeichnet: Wald, Vegetation und Boden speichern Kohlenstoff nur temporär, rechtfertigen jedoch im Kontext solcher marktbasierten Instrumente eine permanente Freisetzung von fossilem Kohlenstoff.

Zum Weiterlesen:

FERN (2010): Trading Carbon. How it works and why it's controversial.

Carbon Market Watch (2017): Good-Bye Kyoto: Transitioning away from offsetting after 2020.

 

Biodiversitätskonvention macht neues Verständnis von Natur als Naturkapital salonfähig

Während die UN-Klimakonvention die Akzeptanz für den Handel mit Verschmutzungsrechten vorangetrieben hat, indem sie das Instrument zum Bestandteil des Kyoto-Protokolls machte, stand bei der Biodiversitätskonvention die Umsetzung einer Ökonomie der Biodiversität im Vordergrund. Dazu mussten in offiziellen Dokumenten und Beschlüssen der Konvention neue Begriffe und ökonomische Kennzahlen als Bemessungsgrundlage für den Zustand von Natur verankert werden. „Den wichtigsten Rahmen, um den Nutzen von Biodiversität darzustellen, bildet das Konzept der Ökosystemleistungen“, stellt das Sekretariat der Konvention 2011 fest.

Ab etwa 2006 taucht jedoch auch der Begriff Biodiversitätsgutschriften (biodiversity offsets) vermehrt in Dokumenten und Beschlüssen als mögliches Instrument der Konvention auf. Bei der Umsetzung des Instruments vertraut die Biodiversitätskonvention auf die privatwirtschaftliche Initiative BBOP. Das "Business and Biodiversity Offset Programme" ist ein internationaler Zusammenschluss von Unternehmen, Banken, Regierungsvertretern und Naturschutzorganisationen. BBOP wird in der Folge der Anerkennung durch in die Biodiversitätskonvention zur Referenz für die Weiterentwicklung des Instruments der Kompensationsgutschriften und veröffentlichte 2012 einen branchenweit anerkannten Standard für Biodiversitätsgutschriften.

Ähnlich wie bei den Unzulänglichkeiten des CDM als Klimaschutzinstrument verschiebt sich mit der Akzeptanz von Biodiversitätsgutschriften durch die Biodiversitätskonvention die Diskussion. Zwar verhandeln wissenschaftliche Dispute nach wie vor die Quantifizierbarkeit von ökosystemaren Funktionen, doch geht es in der Praxis vor allem um die Verbesserung und Erprobung des vom BBOP entwickelten Standards für den Handel von Kompensationsgutschriften.

Nach Aussage von Global Nature Fund und Deutscher Umwelthilfe schreiben bereits mehr als 30 Länder gesetzliche Biodiversitäts-Offsets vor und internationale Finanzinstitutionen, wie die "International Finance Corporation" der Weltbank, knüpfen Finanzierungen an Kompensationspläne, wenn Vorhaben kritische Lebensräume zerstören.

Zum Weiterlesen:

Fatheuer, T. (2016): Umkämpfte Natur. Die Biodiversität und ihre Konvention.

Flues, V. (2016): Spreading despite controversy: An investigation into the sciences and politics of biodiversity offsetting.

Suarez, D. (2013): Seizing Center Stage: Ecosystem Services, Live, at the Convention on Biological Diversity! Human Geography Volume 6 (1).

 

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation der UN schafft Markt für (klimaschädigende) Gutschriften

Die Luftfahrtbranche ist der am schnellsten wachsende Treibhausgasemittent weltweit. Doch Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr (ebenso wie aus dem Schiffsverkehr) sind weder im Kyoto-Protokoll noch im UN-Klimaabkommen von Paris erfasst. Begründet wird dies damit, dass eine Zuordnung der Emissionen zu einzelnen Staaten aufgrund der grenzüberschreitenden Freisetzung von Treibhausgasen bei internationalen Flügen sehr schwierig sei. Um eine Regulierung durch das UN-Klimaabkommen von Paris zu vermeiden (dies stand im Raum, sollte sich die Branche nicht auf eine eigene Regelung einigen können), verabschiedete die Hauptversammlung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO, International Civil Aviation Organization) im Oktober 2016 Maßnahmen, die ein kohlenstoffneutrales Wachstum des zivilen Luftverkehrs ab 2020 garantieren sollen. Dabei von einem Beitrag zur Emissionsreduzierung zu sprechen, wäre jedoch verwegen, denn das Herzstück des Maßnahmenkatalogs mit Namen CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) ist der Kauf von Emissionsgutschriften, wie sie CDM-Projekte anbieten. Sie sollen das prognostizierte 700-prozentige Wachstum des internationalen Flugverkehrs bis 2050 kohlenstoffneutral gestalten.

Die Ausarbeitung von CORSIA steht noch aus. Anbieter von Emissionsgutschriften hoffen jedoch auf die Nachfrage aus der Luftverkehrsbranche, denn der UN-Emissionshandel ist vor Jahren eingebrochen, und auch der freiwillige Markt mit Emissionsgutschriften stagniert. CORSIA droht zum Rettungsanker für den umstrittenen Handel mit Emissionsgutschriften zu werden. Es zeichnet sich nämlich ab, dass ein maßgeblicher Anteil der Emissionsgutschriften aus Projekten stammen wird, die ursprünglich eine CDM-Registrierung anstrebten, bzw. als CDM-Projekte registriert sind. Besonders problematisch ist dies im Licht einer Studie des Öko-Instituts aus dem Jahr 2016, die zum Schluss kommt, dass über 80 Prozent der untersuchten CDM-Projekte mit hoher Wahrscheinlichkeit keine zusätzlichen Emissionen reduzieren. Kommen Gutschriften aus solchen Projekten bei CORSIA zum Einsatz, steigen die Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr entgegen des Versprechens eines kohlenstoffneutralen Wachstums auch nach 2020 weiter an.

Internationale Naturschutzorganisationen, wie der Environmental Defense Fund, The Nature Conservancy, Conservation International und IUCN, setzen sich zudem für die Anerkennung von Emissionsgutschriften aus REDD+-Projekten durch CORSIA ein. REDD+ steht für Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation und gehört seit der Anerkennung durch die UN-Klimaverhandlungen im Jahr 2007 zu den kontroversesten Instrumenten im internationalen Wald- und Klimaschutz. Zahlreiche Berichte und Analysen warnen vor REDD+ als Scheinlösung für den Klimaschutz mit gravierenden Folgen für kleinbäuerliche Landwirtschaft und Waldvölker, und mehr als 80 Organisationen forderten ICAO 2016 auf, REDD+ explizit als Lieferant von Emissionsgutschriften für CORSIA auszuschließen.

Zum Weiterlesen:

Heuwieser, M (2018): Die Illusion des grünen Fliegens

Fuhr, L. (2016): Wachstum nach ICAO: 700 Prozent mehr fliegen – 0 Prozent mehr Emissionen!  

Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (2017): CORSIA: Globales marktbasiertes Klimaschutzinstrument für den internationalen Luftverkehr

 

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers "Neue Ökonomie der Natur".