"Ordnungsrechtliche Instrumente im Naturschutz haben versagt. Es ist deshalb wichtig, marktbasierten Instrumenten wie dem Emissionshandel eine Chance zu geben."

Können marktbasierte Instrumente ordnungsrechtlichen Naturschutz ersetzen?

Neue Ökonomie der Natur: REDD verhindert keine Waldzerstörung

Anhänger/innen von marktbasierten Instrumenten verweisen, um ihre Position zu stärken, gern auf einzelne Beispiele für die mangelnde Wirksamkeit von Ordnungsrecht für den Naturschutz. Diese Beispiele bestätigten, so ihre Argumentation, dass das Ordnungsrecht an sich kein geeignetes Instrument sei, um Umweltverschmutzung und Naturverbrauch wirksam zu reduzieren. Suggeriert wird dabei, dass marktbasierte Instrumente weniger Defizite aufweisen und effektiveren Naturschutz möglich machen.

In der Praxis erweisen sich ordnungsrechtliche Instrumente als effektiver für den Naturschutz

Bereits 1976 führte die US-Umweltbehörde EPA das Konzept des Handels mit Verschmutzungsrechten ein, um den Ausstoß bestimmter Luftschadstoffe zu reduzieren. Als Vorreiter des Emissionshandels wird aber zumeist der 1990 in den USA eingeführte nationale Handel mit Verschmutzungsrechten für Schwefeldioxid genannt. Tatsächlich sanken die Schwefeldioxidemissionen nach der Einführung des Emissionshandels in den USA. Allerdings sanken die Emissionen auch – und zum Teil sogar schneller – in Ländern, die auf ordnungsrechtliche Instrumente[1] zur Minderung der Schwefeldioxidemissionen setzten.

Auch die Erfahrungen mit der Reduzierung von Waldzerstörung in Brasilien[2] zeigen: Ordnungsrechtliche Instrumente und Kontrollen machen effektiven Naturschutz möglich, wenn diese sich auf die zentralen Akteure, also die „Treiber von Entwaldung“ richten. Wie die Einführung marktbasierter Instrumente diese Erfolge wieder zunichte machen können, verdeutlicht das brasilianische Beispiel ebenfalls. 2012 hat das Land mit der Novelle des Waldgesetzes marktbasierte Instrumente für den Waldschutz eingeführt und gleichzeitig die Anwendung ordnungsrechtlicher Instrumente eingeschränkt. Verbunden mit einer drastischen Kürzung der Mittel für die Umweltbehörden führte dies dazu, dass der seit 2004 beeindruckende Rückgang der Entwaldung in einen erneuten Anstieg der Waldzerstörung umschlug. Die Entwaldung hat in den vergangenen Jahren nachweislich deutlich zugenommen.  

REDD+ verhindert keine Waldzerstörung

Mitverantwortlich für diese Entwicklung sind die sogenannten „Renaturierungsgutschriften“, die unter Verweis auf das vermeintlich erfolgreiche marktbasierte Wald- und Klimaschutzinstrument REDD+ eingeführt wurden. Diese Gutschriften erlauben es einem Landbesitzer, illegal gerodeten Wald weiterhin für Rinderzucht oder Sojaanbau zu nutzen, solange er eine entsprechende Anzahl von Renaturierungsgutschriften vorweist. Diese Gutschriften dienen als Nachweis, dass an anderer Stelle eine Zerstörung der maximal gesetzlich zulässigen Fläche Regenwald verhindert wurde. Die Zertifikate können an Handelsplattformen erworben werden. Anreize dafür, weniger Wald zu zerstören, erhalten die Rinderzüchter und Sojaproduzenten damit allerdings nicht. Denn die Kompensationsgutschrift erlaubt es ihnen, dort, wo Waldzerstörung über die gesetzlichen Grenzen hinaus die größten Gewinne verspricht, weiter zu produzieren, anstatt ebenjene illegal gerodeten lukrativen Standorte zu renaturieren.

Das Resultat: mehr Waldverlust. Dagegen wurden die beeindruckenden Erfolge bei der Reduzierung der Entwaldung in Brasilien von 2004 bis 2009 vor allem durch den Einsatz ordnungsrechtlicher Mittel erzielt. Ähnliche Beispiele für den Erfolg ordnungsrechtlicher Maßnahmen findet man auch bei der Verbesserung der Gewässerqualität oder der Verringerung von Luftschadstoffen in der EU. Auffällig ist, dass gerade dort, wo ordnungsrechtliche Instrumente Wirkung zeigen, der Ruf nach Einführung marktbasierter Instrumente besonders laut wird.

Außer Frage steht, dass ordnungsrechtliche Instrumente ohne politische Unterstützung für ihre Umsetzung nicht ausreichend sind, um Naturzerstörung zu verhindern. Daraus den Schluss zu ziehen, dass ordnungsrechtliche Maßnahmen insgesamt versagt haben, ist aber zu kurz gegriffen.

Die Erfahrungen mit Emissionshandelssystemen offenbaren die strukturellen Schwächen marktbasierter Instrumente

Dem gegenüber ist die Bilanz für den Handel mit Verschmutzungsrechten als Instrument zur Regulierung von Treibhausgasen ernüchternd: Im EU-Emissionshandel, der inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt in Kraft ist, sind die Preise kollabiert. EU-Emissionszertifikate werden seit Jahren für weniger als fünf Euro gehandelt. Die Preise signalisieren damit: Die Freisetzung von Treibhausgasen ist billig. Darüber hinaus bescherte der EU-Emissionshandel Europas größten Treibhausgasemittenten Milliardengeschenke.[3] Die kostenlose Zuteilung von überschüssigen Emissionszertifikaten spülte ihnen zwischen 2008 und 2014 Vermögenswerte von über acht Milliarden Euro in die Taschen. Nicht zuletzt brachte das Jahrzehnt EU-Emissionshandel diverse Betrugsfälle und den Diebstahl von digitalen Emissionszertifikaten mit sich. Dem gegenüber stehen die wenig überzeugenden Argumente seiner Befürworter/innen, die auf einen angeblichen kausalen Zusammenhang zwischen der Senkung der Emissionen in der EU und der Einführung des Emissionshandels pochen.

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers "Neue Ökonomie der Natur".

 

Quellen

[1] Is Emissions Trading an Economic Incentive Program?: Replacing the Command and Control/ Economic Incentive Dichotomy.

[3] S. de Bruyn et al. (2016): Calculation of additional profits of sectors and firms from the EU ETS. A CE Delft report for Carbon Market Watch.