Bürgerbeteiligung setzt gute Verwaltung voraus

Die öffentliche Verwaltung hat die Verpflichtung, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen. Die entsprechenden Vorgaben zur Information, Transparenz und Mitsprache werden allerdings häufig unterlaufen.  Für eine gute Verwaltung muss die Politik das Verwaltungsrecht reformieren.  
 

Stempel als ein Symbol für Ämter

Organisationen haben mit einem Dilemma zu kämpfen. Funktionieren sie gut, fallen sie nicht auf, und wenn sie nicht auffallen, wird ihre gute Leistung für selbstverständlich gehalten. Erst wenn es knirscht im Gebälk und Organisationen durch krasse Fehlleistungen auffallen, nimmt man sich ihrer an. Das tun zunächst diejenigen, die man heute gerne als ‚stakeholder‘ bezeichnet – also alle, die im engeren Sinne vom Tun oder Unterlassen der Organisation betroffen sind – später dann vielleicht auch die breitere Öffentlichkeit. Und es gibt keine zweite Organisation, bei der die breite Öffentlichkeit so unmittelbar auch ‚stakeholder‘ ist, wie die öffentliche Verwaltung.

1. Nur gute Verwaltung ist bürgerfreundliche Verwaltung

Also gilt auch für die öffentliche Verwaltung, dass wir uns vor allem dann mit ihr befassen, wenn sie nicht so funktioniert wie sie funktionieren sollte oder wie sie in elementaren Bereichen der Daseinsvorsorge auch funktionieren muss. Erst wenn die Straßenbahn immer wieder zu spät kommt, wenn der Müll nicht abtransportiert wird, wenn Straßen nicht repariert und zu Unfallquellen werden, wenn Behördenmitarbeiter auch während der Telefonsprechstunde telefonisch nicht zu erreichen sind, wenn wir für unser Kind keinen Kita-Platz bekommen oder für die Anmeldung bei der Kita in einer langen Schlange stundenlang bei Wind und Wetter auf offener Straße warten müssen, wenn alleinerziehende Mütter ohne Internetanschluss den ihnen zustehenden Unterhaltsvorschuss nicht beantragen können, weil das zuständige Bezirksamt wegen Überlastung geschlossen ist, wenn ein Stadtarchiv einstürzt und dabei Menschen mit in den Tod reißt, weil die städtische Bauaufsicht versagt hat, oder wenn eine Großveranstaltung wie damals in Duisburg entgegen glasklarer gesetzlicher Sicherheitsbestimmungen von der zuständigen Behörde dennoch genehmigt wird – erst dann und in der Regel nur dann fangen wir an, uns über das gar nicht so Selbstverständliche einer guten Verwaltung Gedanken zu machen.

Daraus folgt aber: Bürgerbeteiligung setzt gute Verwaltung voraus. Bürgerverwaltung selbst kann gute Verwaltung nicht schaffen, sie kann lediglich eine gute Verwaltung noch besser machen. Zuerst müssen immer die Hausaufgaben erledigt werden, und zwar von der Verwaltung selbst.

2. Die in der Verwaltungspraxis nicht ganz ernst genommenen Bürger/innen

Ein Beispiel für offensichtlichen und im Grunde genommen auch einfach zu deckenden Reformbedarf sind die gesetzlichen Regelungen des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Bürger/innen im Alltag. Also nicht, wenn es um Sonderfälle wie Planungsverfahren oder Verwaltungsstreitverfahren geht, bei denen der Gesetzgeber die Rechte der Bürger/innen eigentlich ganz gut ausgestattet hat, sondern in den tausenden von Standardfällen, bei denen die einzelnen Bürger/in der Verwaltung jeden Tag als Antragsteller oder Verfahrensbeteiligte gegenübersteht.

Zur Regelung dieser Normalverwaltungsverhältnisse besteht seit 1977 das Verwaltungsverfahrensgesetz. Es musste damals schon, so wie viele Jahre später das Informationsfreiheitsgesetz, gegen den hinhaltenden Widerstand der Ministerialverwaltung durchgesetzt werden, eben weil es unter anderem die Rechte der Bürgerinnen und Bürger wenigstens den Buchstaben nach stärkte. Dazu muss man wissen, dass in Deutschland als Erbe der vordemokratischen Regierung-und Verwaltungspraxis Gesetzentwürfe nicht im Parlament und damit von Abgeordneten und ihren Arbeitsstäben erarbeitet werden, sondern von der Ministerialbürokratie. Daher auch der Begriff „Referentenentwurf“ für das erste Stadium eines Gesetzentwurfs, denn es sind Referent/innen in Ministerien, die Gesetzentwürfe erarbeiten. Das stammt aus der Zeit, als es einen parlamentarischen Gesetzgeber gar nicht gab und die Abfassung von Gesetzestexten ohnehin Aufgabe der Exekutive war. Diese Praxis, die von derjenigen in den traditionellen Demokratien des Westens deutlich abweicht, führt im Gesetzgebungsprozess zu einer deutlichen Dominanz der Verwaltungsperspektive und der Verwaltungsinteressen, wenn es um Gegenstände der öffentlichen Verwaltung geht.

Diese Konstellation hat sich im Verwaltungsverfahrensgesetz in zum Teil kuriosen Regelungen niedergeschlagen, die oberflächlich betrachtet die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung stärken. Das wird dann jedoch bereits im Gesetzestext bei näherem Hinsehen wieder relativiert, zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt. Hier haben wir also so etwas wie eine noch zu erledigende Hausaufgabe, und zwar auch für die Parlamente und damit für die Politikerinnen und Politiker.

Denn im Alltag und in der Fläche, da wo Bürgerinnen und Bürger tagtäglich mit Verwaltung  zu tun haben, sind die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes das täglich‘ Brot und  von weitaus größerer Bedeutung als zusätzliche Maßnahmen und Mechanismen der Bürgerbeteiligung es jemals sein könnten. So wenig es etwas nutzt, über Stärkung der Bürgerbeteiligung bei einer schlecht funktionierenden und damit die Bürgerinnen und Bürger ohnehin tagtäglich schädigenden Verwaltung zu reden, so wenig nützt es etwas, weitere Maßnahmen der Bürgerbeteiligung gegenüber der Verwaltung einzufordern, solange die schon im Gesetz stehenden Formen der Bürgerbeteiligung durch das Gesetz selbst wiederum geschwächt und unterlaufen werden. Dazu und zu den daraus resultierenden Aufgaben derjenigen Politikerinnen und Politiker, die die Bürger/innen gegenüber der Verwaltung stärken wollen, im Folgenden einige Beispiele.

2.1 Bürgerunfreundliche Verfahrensfehlertoleranz

In Deutschland ist ein einmal erlassener Verwaltungsakt – das ist eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalles mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Bürgerinnen und Bürger – selbst dann nicht ohne weiteres ungültig, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Ein Verwaltungsakt ist so lange  rechtskräftig,  wie  er nicht durch Betroffene erfolgreich angefochten wird. Darin kann man, kurioserweise, durchaus einen positiven Beitrag zur Rechtsstaatlichkeit im Alltag sehen, weil dem Verwaltungshandeln dadurch Stabilität und Berechenbarkeit verliehen wird. Eine korruptionsfreie Verwaltung kann man sich ohne robuste Verwaltungsakte kaum vorstellen. Die Kehrseite dieser Robustheit ist allerdings eine deutlich ausgeprägte Machtasymmetrie zwischen der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern.

Insbesondere besteht kaum eine Möglichkeit, einen Verwaltungsakt, der mit Verfahrensfehlern behaftet ist, aus diesem Grund aufheben zu lassen. Die Krönung dieser ausgeprägten Verfahrensfehlertoleranz im deutschen Verwaltungsrecht ist § 46 Verwaltungsverfahrensgesetz. Dort heißt es in schönstem Beamtendeutsch:

„Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes (…) kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat“.

Im Klartext: Hauptsache, das Ergebnis stimmt. Und das heißt wiederum: Verfahrensvorschriften muss die Verwaltung nicht allzu ernst nehmen. Und dies wiederum heißt: Ausgerechnet das Verwaltungsverfahrensgesetz signalisierte der Verwaltung, dass die Verletzung von Verfahrensvorschriften eigentlich nicht so gravierend ist. Dass sich also das Verwaltungsverfahrensgesetz im Grunde selbst dementiert.

Verfahrensvorschriften sind aber insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger, die in der Regel Nicht-Juristen sind, das einfachste Mittel einer Plausibilitätsprüfung, ob mit und in der Verwaltung alles mit rechten Dingen zugeht. Verfahrensvorschriften für die Verwaltung derart zu relativieren und damit in Einzelfällen auch zu suspendieren, wie es das Verwaltungsverfahrensgesetz tut, ist daher ein nicht auf den ersten Blick, aber eben bei näherem Hinsehen eine in der Fläche und im Alltag substantielle Schwächung der Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger.

Das könnte durch eine einfache Gesetzgebungsmaßnahme korrigiert werden. Der Lackmustest wäre, ob Politikerinnen und Politiker, die dies anstreben, sich gegenüber der Ministerialverwaltung durchsetzen können. Denn die müsste, so wie es in Deutschland nun einmal Tradition ist, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung erst einmal selbst formulieren.

2.2 Schwache Bürger/innenrechte im Verwaltungsverfahren

Es gibt noch weitere Beispiele dafür, dass die Ministerialverwaltung, die seinerzeit das Verwaltungsverfahrensgesetz verfasst hat, dies mit großem Geschick so bewerkstelligt hat, dass das Gesetz sich gerade dort selbst dementiert, wo es um die Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung geht. Das gilt insbesondere für die Regelungen zu den Rechten der am Verwaltungsverfahren Beteiligten, darunter also regelmäßig auch Bürgerinnen und Bürger. Hier bekommt man mitunter gar den Eindruck, dass der Gesetzgeber einen auf den Arm nehmen will.

Das gilt zunächst für das Recht auf Anhörung, wie es § 28 Abs. 1 VwVfG zunächst großzügig zu gewähren scheint:

„Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.“

Obwohl sich bei genauem Hinsehen dieses Anhörungsrecht lediglich auf die Vorbereitung belastender Verwaltungsakte bezieht, scheint es zunächst unbedingt und umfassend zu sein. In  den nachfolgenden Bestimmungen wird das Recht auf Anhörung dann jedoch durch zahlreiche Ausnahmebestimmungen wieder nahezu aufgehoben. So kann nach § 28 Abs. 2 VwVfG

„von der Anhörung […] abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten [!] ist, insbesondere wenn (1) eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr in Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; (2) durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; (3) von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; (4) die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; (5) Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen“.

Und als ob dies immer noch nicht hinreichend klarmache, dass der Gesetzgeber das Recht auf Anhörung am liebsten gar nicht gewährt hätte, heißt es in § 28 Abs. 3 VwVfG:

„Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.“

Diese Ausnahmeregelungen sind nicht nur zahlreich, sie enthalten auch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe – im Volksmund: Gummiparagraphen – und damit Spielräume der Verwaltung für die Auslegung des Gesetzes im eigenen Interesse statt im Interesse der vordergründig begünstigten Bürger/innen. Hinzu kommt, dass die fehlende Anhörung im Verwaltungsverfahren ohnehin weitgehend sanktionslos bleibt, da sie noch im Widerspruchsverfahren und teilweise auch noch im Verwaltungsgerichtsverfahren nachgeholt werden kann. Mit anderen Worten: Das Recht auf Anhörung nach § 28 VwVfG ist im Wesentlichen ein Bluff.

Dass dies nicht etwa ein Ausrutscher des Gesetzgebers war, sondern Methode hat, belegt die ganz ähnlich gestrickte Regelung des Rechts auf Akteneinsicht. Auch hier heißt es im Verwaltungsverfahrensgesetz zunächst scheinbar eindeutig:

„Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten.“ – § 29 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz VwVfG

Aber schon der nächste Halbsatz bringt eine wesentliche Einschränkung mit der Formulierung,

„soweit deren [der Akten; W. S.] Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer [der Beteiligten; W. S.] rechtlichen Interessen erforderlich ist“.

Bemerkenswert ist hier, dass die Beurteilung, ob die Akteneinsicht durch Verfahrensbeteiligte für die Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen dieser Beteiligten erforderlich ist, der Verwaltung überlassen ist – derselben Verwaltung, gegen die sich das Geltendmachen oder Verteidigen der rechtlichen Interessen der Beteiligten richten kann. Also ein klarer Fall gesetzlich tolerierter Interessenkollision. Außerdem gilt das Recht auf Akteneinsicht sowieso „nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung“ (§ 29 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Und auch hier gingen all diese Einschränkungen des Rechts auf Akteneinsicht den Gesetzemachern in der Ministerialverwaltung noch nicht weit genug. Um ganz sicherzugehen, dass die Verwaltung das Recht auf Akteneinsicht jederzeit nach eigenem Gutdünken verweigern kann, bestimmt § 29 Abs. 2 VwVfG:

„Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen.“

Wiederum ist hier nicht nur die Anzahl der Einschränkungen eines vordergründig eingeräumten Bürgerrechts kennzeichnend, sondern auch der ausgiebige Gebrauch unbestimmter Rechtsbegriffe, wodurch der Verwaltung ein weiter Handlungsspielraum im eigenen Interesse und im Zweifelsfall zum Nachteil der Bürger eingeräumt wird. Im Übrigen beschränkt sich das Recht auf Akteneinsicht nach § 29 VwVfG grundsätzlich auf die Dauer des konkreten Verwaltungsverfahrens.

2.3 Informationsfreiheitsgesetze als unzureichende Krücke

Auch das Recht auf Akteneinsicht nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz verdient also im Grunde seinen Namen nicht. In dem dort durchschlagenden Grundsatz beschränkter Aktenöffentlichkeit kommt weniger das Streben nach Datenschutz zum Ausdruck als die Tradition des Obrigkeitsstaates, zu dessen Zeit die deutsche Verwaltung nun einmal entstanden ist. Dass die Verwaltung Teil des Staates und der Staat nach Art. 20 des Grundgesetzes Sache aller Bürgerinnen und Bürger und dass daher diese das grundlegende Anrecht haben, über ihren Staat und seine Tätigkeit so viel wie möglich zu wissen, ist ein Gedanke, der dem deutschen Verwaltungsrecht weitgehend fremd ist. Derselbe Gedanke beherrscht aber etwa die Verwaltungsrechtsordnungen der skandinavischen Länder oder den Freedom of Information Act der USA.

Große Hoffnungen musste man angesichts dieser Praxis auf das Informationsfreiheitsgesetz richten, dass nach langem Kampf mit der Ministerialverwaltung und bezeichnenderweise auf der Grundlage einer Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages von der rot-grünen Koalition quasi in letzter Minute vor deren Beendigung im Sommer 2005 verabschiedet wurde. Die Landesgesetzgeber hatten dann Landesinformationsfreiheitsgesetze zu erlassen, ein ebenfalls durch die Ministerialenverwaltung nach Kräften verzögerter Prozess, der selbst im seinerzeit grün-rot regierten Baden-Württemberg erst im Dezember 2015 mit dem Erlass eines der letzten Landes-Informationsfreiheitsgesetze seinen Abschluss fand.

Doch auch die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder bleiben restriktiv, soweit es um die Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung geht. Sie beziehen sich nur auf abgeschlossene Vorgänge und die betroffenen Behörden können Gebühren von bis zu 500 € erheben. Eine Fehlkonstruktion ist außerdem, dass ausgerechnet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz zum Bundesbeauftragten auch für die Informationsfreiheit gemacht wurde. Informationsfreiheit und Datenschutz stehen aber in natürlicher Konkurrenz zueinander. Beim Datenschutz gilt, dass der Staat vom Bürger nur so viel wie nötig wissen darf. Bei der Informationsfreiheit aber gilt, dass die Bürgerinnen  und Bürger über ihren Staat  so viel wie möglich wissen müssen. Auch hier also eine vom Gesetzgeber geradezu gewollte Interessenkollision, die regelmäßig zu Lasten der Transparenz des Verwaltungshandelns geht.

3. Hausaufgaben: Stärkung von Beteiligung und Transparenz

Die Diskussion über Bürgerbeteiligung und deren Funktion beim Mit-Steuern von Verwaltung muss einrechnen, dass zu den Aufgaben und Pflichten der Verwaltung heute schon Formen der Bürgerbeteiligung gehören, die ihrerseits nur unzureichend wahrgenommen oder erfüllt werden. Es hat wenig Zweck, zusätzliche Mechanismen der Bürgerbeteiligung einzuführen, solange die schon nach der heutigen Gesetzeslage bestehenden Pflichten der Verwaltung zur Stärkung von Beteiligung, Mitsprache, Information und Transparenz zugunsten der Bürgerinnen  und Bürger nicht ausgeschöpft oder sogar unterlaufen werden.

Die öffentliche Verwaltung muss die vorhandenen Spielräume der Beteiligung und Transparenz zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger zumindest so ernst nehmen, wie das Gesetz es befiehlt. Aber davon wird oft genug nur unzureichend Gebrauch gemacht, auch weil der Gesetzgeber selbst die Mitwirkungsund -informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger widersprüchlich, inkonsequent und in manchen Fällen wohl auch mit der Absicht formuliert hat, eingeräumte Rechte zur Stärkung der Rechte und Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung nicht wirklich greifen zu lassen.

Das kann durch Gesetzgebung geändert werden. Die von uns gewählten Politiker/innen müssen entscheiden und auch darüber Auskunft geben, ob sie sich den ‚Mühen der Ebene‘ stellen und einer verwaltungspolitischen Fachaufgabe annehmen wollen, die unattraktiv und verwaltungstechnisch daherkommt, in der Fläche und im Alltag der Bürgerinnen und Bürger aber großen Einfluss auf die tatsächliche Qualität der Beziehungen zwischen Staat und Bürger/innen hat.

Dazu gehört, dass im Dreiecksverhältnis Politik – Verwaltung – Bürger/innen unbedingte Transparenz herrscht. Unbedingt heißt: Soweit gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen. Das ist nicht nur eine selbstverständliche Bringschuld der Verwaltung den Bürger/innen gegenüber, sondern auch die Voraussetzung für Lernen aus den Fehlleistungen der Verwaltung. Das gilt erst recht, wenn die Verwaltung das Gegenteil von dem tut, was ihr Auftrag ist, wenn sie also den Bürger/innen Schaden zufügt statt ihnen zu nutzen. Dann müssen Fehlleistungen rigoros aufklärt werden. Wenn nötig, müssen die übergeordneten Instanzen von Exekutive und Legislative mit allem Nachdruck dafür sorgen, dass eben dies geschieht. Nur so kann Präventivwissen erarbeitet und die Wiederholung gravierender Verwaltungsfehler – etwa solcher, die Risiken für die physische Sicherheit von Menschen auslösen – soweit wie möglich ausgeschlossen werden.

Skandalös ist es folglich, wenn diese Transparenz und damit auch das Lernen aus Fehlern unterbleibt. So war es zum Beispiel in den Fällen der Loveparade in Duisburg 2010, beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 oder der Eissporthalle von Bad Reichenhall 2006. Die Aufklärung des Fehlverhaltens der Polizeibehörden und sonstigen Sicherheitsbehörden im Fall der NSU-Morde ist demgegenüber vorbildlich. Aber in Duisburg starben am 24. Juli 2010 doppelt so viele Menschen wie durch die NSU-Morde. Dennoch unterblieb die Aufklärung durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder auch durch eine(n) Sonderermittler/in, die die Landesregierung Nordrhein-Westfalen jederzeit hätte einsetzen können. Auch die Grünen haben übrigens als Regierungspartei in Nordrhein-Westfalen Anträge von FDP und Linkspartei auf Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Behördenversagen  bei der Planung und Organisation der Loveparade in Duisburg nicht unterstützt – eine Absage an elementare Aufklärungsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger, die durch noch so gut gemeinte Ausgestaltungen der Bürgerbeteiligung am Verwaltungshandeln nicht ausgeglichen werden kann.