Mit Wärmeplanung zum emissionsfreien Heizen?

Dokumentation

„Was kann und soll Wärmeplanung für die Hauptstadt leisten?“ Das war die zentrale Frage des 2. Strategieworkshop Wärmewende Berlin, den die Heinrich-Böll-Stiftung am 25. Mai gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, der Agentur für Erneuerbare Energien und dem Deutschen Institut für Urbanistik veranstaltete. Das Ziel: Natürlich die vollständige Dekarbonisierung der Wärme. Der Weg dahin ist weit, das Ziel aber nicht unerreichbar.

Strategieworkshop II: Wärmewende Berlin

Einige Schritte zur Wärmewende gebe es bereits, so Sabine Drewes, Referentin für Kommunalpolitik und Stadtentwicklung, in ihrer Begrüßung. Es wird eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, wie die Kohle bei der Fernwärme substituiert werden kann, es gibt bereits kleinere Wärmenetze und Quartiersansätze. Die Rot-Rot-Grüne Landesregierung will eine gesamtstädtische Wärmeplanung entwickeln und im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) gibt es einige Andockpunkte. „Die politische Bereitschaft ist da, die Akteure stehen in den Startlöchern“, so Drewes. Dennoch gibt es bislang keine gesamtstädtische Wärmeplanung für Berlin, weshalb sich der Blick in andere Großstädte lohne. „Berlin kann von den Erfahrungen anderer profitieren“, ist sie überzeugt.

Wärmeplanung in anderen Kommunen: Voraussetzungen und Wirkungen

Die Wärmestrategie Hamburg. Herausforderungen und Chancen

Nils Boenigk, stellvertretender Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien, moderierte den ersten Teil der Veranstaltung. Ulrike Sparr, Sprecherin für Umwelt und Energie der Grünen Bürgerschaftsfraktion Hamburg, stellte in ihrem Vortrag die Hamburger Ideen zur Wärmewende vor. Zeitgleich zu den Pariser Klimaverhandlungen hat der Hamburger Senat seine Klimaziele verkündet: eine Reduktion der CO2-Emissionen um 50% bis 2030 und um 80% sowie einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050. Für Frau Sparr ist dabei klar: „Das Hauptminderungspotential liegt in der Wärmeversorgung“.

2013 wurde die Hamburger Politik durch einen Volksentscheid aufgefordert, das Wärmenetz von Vattenfall zurückzukaufen und für erneuerbare und bezahlbare Wärme zu sorgen. Das Fernwärmenetz wird momentan in der Grundlast (800-900 Megawatt) durch Kohle beheizt, ergänzt um Abfallverbrennung. Für die Spitzenlast können Gaskraftwerke und strombasierte Erzeuger zugeschaltet werden. Das Netz ist ein wichtiger Ansatzpunkt, da es 470.000 und damit fast die Hälfte der Hamburger Haushalte mit Wärme versorgt.

Zentral für die Wärmewende sind die großen Kohle-Kraftwerke Moorburg und Wedel. Moorburg ist seit 2014 in Betrieb und völlig überdimensioniert. Sparr machte deutlich: „Darüber ist natürlich heute niemand mehr glücklich, auch Vattenfall selbst nicht.“ Das Heizkraftwerk Wedel wurde 1965 erbaut und versorgt den Hamburger Westen mit 400 Megawatt Fernwärme. Aufgrund der hohen Schadstoffemissionen ist es ein zentrales Ziel, Wedel so rasch wie möglich zu substituieren – ohne Moorburg anzuschließen und so „den einen Dino durch den anderen zu ersetzen.“ Dies wäre möglich durch die Nutzung der Abwärme einer Müllverbrennungsanlage, zweier Industriebetriebe und eines großen Klärwerks, dessen Ablauf mit Wärmepumpen und Gas nachgeheizt werden kann. Damit gelänge es, die 400 Megawatt bis 2022 zu ersetzen. Parallel soll das Kraftwerk Tiefstack auf Gas umgestellt werden. Beide Maßnahmen reduzieren die Emissionen im Fernwärmenetz bereits um mehr als die Hälfte und sind politisch unstrittig.

Ein wichtiger Baustein der Wärmewende ist die Digitalisierung, auf die sich die Stadt mit dem Netzwerk NEW 4.0 vorbereitet. Hier werden Sektorenkopplung, Speicher und die Digitale Vernetzung untersucht. Außerdem hat die Hamburger Stadtreinigung ein Zentrum für Ressourcen und Energie, um dort Bioabfälle und Hausmüll besser zu nutzen.

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass das Hamburger Wärmenetz Vattenfall gehört. Zwar gibt es eine Kaufoption für 2019, allerdings zu einem überhöhten Preis von 950 Mio. Euro. „Und Hamburg darf rechtlich nicht zu einem überhöhten Preis kaufen“, stellte Sparr klar. Ein Verhandlungsgegenstand bei der Diskussion ist das Kraftwerk Moorburg. Während Vattenfall es an die Fernwärme anschließen möchte, hat die Grüne Bürgerschaftsfraktion Bedenken: Die Kosten für die Fernwärme sind dann abhängig vom Kohle- und CO2-Preis. Aufgrund der Abhängigkeit von der Wärme kann das Kraftwerk nicht runterfahren, wenn vermehrt Windenergie ins Netz kommt. Darüber hinaus emittiert Moorburg 8,5 Mio. Tonnen CO2 jährlich. Unterstützung erhält sie dabei von der neuen Initiative Tschüss Kohle, die den politischen Druck für einen Kohleausstieg erhöht.

Die Nachfragen aus dem Publikum bezogen sich auf die Erreichung der Pariser Klimaziele, die CO2-Emissionen der alternativen Wärmeerzeuger und das Konzept der Wärmeplanung insgesamt.

Frau Sparr gab zu, dass die Hamburger Ziele nicht Pariskonform seien, allerdings sei schon die 80%-Reduktion sehr ambitioniert. Die Umrüstung von Tiefstack auf Gas sei nicht klimaneutral, es gebe aber mit grünem Gas zukünftige Optionen. „Ich hoffe, dass wir da in den nächsten Jahren weiterkommen.“ Die großen Industriebetriebe, deren Abwärme für das Fernwärmenetz genutzt werden soll, erzeugen diese momentan auch mit Strom aus Moorburg. Allerdings, betonte Sparr, sei es wichtig, die Potentiale überhaupt zu nutzen. Für eine zukünftige Absenkung der Temperatur im Wärmenetz ist die Gebäudesanierung der Schlüssel. Das Problem dabei: „die Besitzer wollen das nicht und die Mieter sind auch nicht begeistert.“ Aber es gebe natürlich Überlegungen, wie dezentrale Elemente Eingang in die Wärmeplanung finden können.

Wärmeleitplanung in Düsseldorf

Katrin Schulz, Leiterin für Technik der Stadtwerke Düsseldorf AG, stellte anschließend die Wärmeplanung der Stadtwerke Düsseldorf vor.  Die Stadtwerke Düsseldorf versorgen in der Region Düsseldorf 600.000 Kunden/innen, mit Wärme, Wasser und Strom.

Zentral für die nachhaltige Wärmeversorgung ist das „Weltmeisterkraftwerk“ Block Fortuna, eine Gas- und Dampf-Anlage (GuD) mit einem Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung von 61% und von 85% bei der Ausnutzung von Kraft-Wärme-Kopplung. Das Kraftwerk ist schwarzstartfähig (darunter versteht man die Fähigkeit eines Kraftwerks(blocks), unabhängig vom Stromnetz vom abgeschalteten Zustand ausgehend hochzufahren) und kann als flexible Anlage auf volatile Einspeisung reagieren. Ergänzt wird es durch einen Wärmespeicher, um Strom und Wärme zu entkoppeln, was die Versorgungssicherheit erhöht. Weitere Wärmeerzeuger sind eine Müllverbrennungsanlage, ein Biomassekraftwerk und ein Pelletheizhaus.

Düsseldorf möchte bis 2050 klimaneutral werden, wobei Frau Schulz die Aufgabe der Stadtwerke darin sieht, ein intelligentes Wärmenetz bereit zu stellen. Die Stadtwerke gehen davon aus, dass zukünftig ein weiterer Zubau an Erneuerbaren erfolgt, der mit konventionellen Anlagen ausgeglichen wird. Die Erzeugung müsse möglichst umweltfreundlich, aber auch bezahlbar sein, machte Schulz mit Verweis auf das energiepolitische Zieldreieck deutlich. Dafür soll die Fernwärme weiter ausgebaut werden. „Wir sehen Potential für neue Technologien und Akteure, die wir integrieren wollen“, betonte Schulz. Ziel ist es, „das Netz Schritt für Schritt zu dekarbonisieren.“

Für die Bereiche der Stadt, die nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen sind, suchen die Stadtwerke intelligente dezentrale Wärmelösungen. Energiemanager sollen versuchen, Häuser zusammenzuschalten und die Versorgung zu optimieren. Entscheidend seien hier die politischen Weichenstellungen. Das momentane Ziel der Stadtwerke: „Wir wollen uns so vorbereiten, dass wir diese Impulse dann schnell und vorbereitet aufgreifen können.“

Mit Hilfe der Wärmeleitplanung versuchen die Stadtwerke zwischen Bereichen mit Ausbaupotentialen bei der Fernwärme und Bereichen für dezentrale Wärmelösungen zu unterscheiden. Da es keinen Anschluss- und Benutzungszwang in Düsseldorf gibt, sei letztlich der Wunsch der Kunden/innen entscheidend. Das Kundeninteresse beispielsweise an Fernwärme wird genutzt, „um zu prüfen, ob eine Verlängerung der Trasse Potential hat.“ Auf diese Weise wird das Netz weiter ausgebaut. Liegt die Kunden zu weit abseits, werden dezentrale Alternativen gesucht.

Natürlich sei es nicht einfach, bis 2050 klimaneutral zu werden, aber, so Schulz, „wir glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Die Nachfragen zu diesem Vortrag bezogen sich auf die Datenqualität zur Wärmeleitplanung, auf das praktische Vorgehen beim Netzausbau sowie die Netztemperatur.

Die Stadtwerke haben die Möglichkeit, Daten mithilfe eines Wärmekatasters gebäudescharf zu erheben – zumindest für die Bereiche, die sie versorgen. Dabei geben sie dem Fernwärmeanschluss einen Vorrang, wobei dieser für die Kunden/innen meist auch attraktiver ist als andere Lösungen. Wenn weitere Anschlüsse an das Fernwärmenetz geplant sind, nehmen die Stadtwerke Kontakt mit den Nachbarn des Interessenten auf, um das konkrete Potential vor Ort zu identifizieren.

Die Temperatur im Netz gab Frau Schulz mit 93 Grad an. Bei der Abwärmenutzung und der Absenkung der Temperatur stellen sich noch Fragen, die zukünftig gelöst werden müssen.  

Inputs und Rückfragen

Im Anschluss an die Vorträge bestand die Möglichkeit, mit beiden Referentinnen in die Diskussion zu kommen. Von besonderem Interesse für die Anwesenden waren die zukünftigen Perspektiven in Düsseldorf und Hamburg.

In Düsseldorf gibt es mit den momentanen Erzeugungsanlagen noch Potentiale für eine Erweiterung des Fernwärmenetzes. Auch machte Frau Schulz deutlich, dass eine Offenheit für weitere Einspeiser bestehe, allerdings sei momentan unklar, ob und wie diese integriert werden. Im Hinblick auf die hohe Bedeutung von Gas im Fernwärmekonzept stellte sie klar: „Die Wärmewende muss für das Unternehmen wirtschaftlich sein, sonst wird sie nicht passieren. Wir schauen, welche Technologien wirtschaftlich werden könnten, um zu überlegen, wie wir den Weg zur Dekarbonisierung weitergehen können.“ Ohne politische Anreize werde es nicht gehen. Perspektivisch steigende CO2-Preise werden aber dazu führen, dass Fernwärme, die auf Gas basiert, weniger attraktiv wird für die Kunden.

Die genaue Beschaffenheit des Netzes in Hamburg ist der Stadt nicht im Detail bekannt. Dies erschwere Aussagen über zukünftige Entwicklungen. Insofern sei nicht ganz klar, wo Teile abgekoppelt werden könnten, die Temperatur gesenkt werden könnte oder Insellösungen möglich sind. Mit den vorhandenen Nahwärmenetzen gibt es ein Potential für dezentrale Versorgungsansätze, momentan allerdings nicht in großem Maßstab. Frau Sparr teilte die Einschätzung von Frau Schulz, dass der politischen Regulation ein hoher Stellenwert beizumessen ist, die Vorhaben im Koalitionsvertrag seien dafür bei Weitem nicht ausreichend.

Workshops

Anschließend fanden parallele Workshops zu den Akteuren der Wärmewende, nämlich a) Energie-versorger/-dienstleister, b) Wohnungswirtschaft und c) Politik/Verwaltung/Zivilgesellschaft, statt.

Workshop a: Energieversorger/-dienstleister

Bernd Hirschl vom IÖW begrüßte als Moderator die Teilnehmenden und stellt die Ziele des Workshops vor. Die Idee sei es, die Perspektive der Energieversorger und -dienstleister als zentrale Akteure einer Wärmewende auf das Thema Kommunale Wärmeplanung aufzunehmen. Welche Themen sind aus ihrer Sicht relevant, welche Chancen sehen die Teilnehmen und welche Befürchtungen haben sie. Auch solle eine Strukturierung der Themen erfolgen, die eine kommunale Wärmeplanung adressieren könnte und gegebenenfalls sollte. Zuletzt solle diskutiert werden, welche planerischen Instrumenten und Tools das Land Berlin bereitstellen könnte.

Auf die Frage hin, was Gegenstand einer Wärmeplanung sein sollte, brachten die Teilnehmenden folgende Themen ein:

Zielformulierung: Die erste wichtige Aufgabe einer kommunalen Wärmeplanung sei es, Ziele in Bezug auf den Wärmebedarf, die CO2-Emissionen und auch ökonomische Kenngrößen zu formulieren. Dabei sei es von großer Bedeutung, dass die Ziele sektorenübergreifend seien. Im Zusammenhang der Zielformulierung müsste auf der Ebene der Senatsverwaltungen ein Umgang mit den Zielkonflikten, insbesondere den ökologischen und sozialen Zielen, gefunden werden.

Daten: Es sollten Daten zu Infrastrukturen (Wärmenetze, Gasnetze, Versorgungstruktur der Gebäude, Ist-Zustand der Gebäude), zu Verbraucherarten (Heizwarmwasser, Trinkwarmwasser, Kälte etc.), den Potenzialen (Abwasser, Tiefe Geothermie etc.) und zu Zukunfts-Szenarien z.B. der Verbrauchsentwicklung erhoben und zur Verfügung gestellt werden. Bei den Netzen wäre es zudem gut, wenn eine ökonomische Bewertung erfolgen würde, um einschätzen zu können, welche „volkswirtschaftlichen Werte es in der Erde der Stadt“ gebe. Bei der gewerblichen Abwärme wäre ebenfalls mehr Transparenz nützlich, um eine Nutzung anzuregen. Als Instrument bzw. Plattform, die auch für eine Vermarktung für Abwärme dienen könne, sei eine Wärmequellenbörse denkbar.

Standorte für Energieinfrastrukturen: Die Teilnehmenden diskutierten über die Relevanz dieses Themas und darüber, inwiefern eine kommunale Wärmeplanung bzgl. der Standortfindung und -sicherung eine Aufgabe erfüllen könne. Einige Teilnehmende waren der Meinung, das Thema sei von geringer Relevanz, da es bereits die Standorte für Großkraftwerke gebe. Andere Akteure sprachen sich für eine große Relevanz des Themas aus, insbesondere in Bezug auf Groß-Wärmepumpen, Geothermie, Biogasanlagen, KWK und Speicher (sowohl ober- und unterirdische (Akquifer)-Wärmespeicher als auch Erdgasspeicher). Standortplanung und die entsprechenden Genehmigungen seien gemeinsame Aufgabe der Behörden und Kommunen.

Wärmeplanung in Quartieren: Quartierskonzepte werden seit längerem als sehr wichtiger Baustein der Wärmewende dargestellt. Gleichzeitig ist bislang keine breite Umsetzung ambitionierter Wärmekonzepte auf Quartiersebene zu erkennen. Was könnte kommunale Wärmeplanung hier beitragen? Einige Teilnehmende waren der Meinung, dass sich zunächst die Rahmenbedingungen ändern müssten, bevor Quartierskonzepte in der Breite umgesetzt werden könnten. Erst wenn z.B. über einen CO2-Preis die Wärmekosten von Gas- und Ölkesseln steigen, könne es hier zu mehr Dynamik kommen. Nützlich seien auch klare Rahmenbedingungen im Sinne von Auflagen bzgl. der CO2-Emissionen. Grundsätzliches Problem seien heterogene Eigentümerschaften und Wirtschaftsformen in einem Quartier, Beteiligungsprozesse dauerten häufig sehr lange. Kritisch wurde die Frage diskutiert, ob die Kommune stärker in den Wettbewerb der Energieversorger und -dienstleister untereinander steuern solle beispielsweise über einen vorwettbewerblichen Prozess (Auswahl möglicher Quartiere, Zielformulierung und Ausschreibung). Einige Teilnehmende sahen Vorteile in einem solchen Vorgehen, da mehrere Akteure die Chance hätten sich zu bewerben und zu beteiligen. Andere waren der Auffassung, dass dies ein zu aufwendiger Prozess sei.

Regulierung: Regulierung sei ein sehr wichtiges Thema für die Wärmeplanung. Aufgaben der Kommune seien es, klare Ziele zu formulieren und die Rahmenbedingungen im Sinne einer Zielerreichung zu gestalten. Wichtig fanden es einige Teilnehmende Anforderungen bzgl. CO2-Emissionen an die Energieversorger zu stellen bzw. verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Andere betonten die Bedeutung von Anreizstrukturen. Auch sollten die vorhandenen Instrumente der Bauleitplanung und Flächennutzungsplanung im Sinne einer Wärmeplanung besser genutzt werden, ein gutes Beispiel seien Energienutzungspläne, wie sie in Bayern zum Einsatz kämen. Zu einer möglichen stärkeren Regulierung des Wettbewerbs der Energieversorger untereinander wurden unterschiedliche Meinungen geäußert (s. auch Quartiere und Koordination).

Koordination: Viele Teilnehmende waren der Meinung, dass Koordination ein wichtiger Gegenstand der Wärmeplanung sei. Dies betreffe die Koordination der Senatsverwaltungen untereinander (Klärung von Verantwortlichkeiten und Zielkonflikten), zwischen Senatsverwaltungen und Bezirksverwaltungen sowie zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren (Projektierer, Energieversorger, Wohnungsunternehmen, Berliner Wasserbetriebe etc.). Beispielsweise sei es wichtig, dass die Kommune das Thema Temperaturabsenkung gemeinsam mit den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und den Netzbetreibern diskutiere. Projektierer seien ein wichtiger Akteur in Bezug auf die Koordination, da sie auf Quartiersebene die verschiedenen Akteure (Eigentümer, Energieversorger, Architekten etc.) zusammenbrächten. Kritisch wurde in den Raum gestellt, ob Kommunen in der Lage seien, „idealer Planer“ zu sein und ob Kommunen nicht häufig auch aufgrund von engen Personalkapazitäten überfordert seien.

Prozessgestaltung: Für den weiteren Prozess einer kommunalen Wärmeplanung sei es wichtig, frühzeitig viele verschiedene Akteure, nicht nur die großen Energieversorger, einzubinden. Verbraucher/innen seien entscheidende Akteure und müssten mitgedacht und eingebunden werden. Prioritäten sahen die Teilnehmenden bzgl. der erarbeiteten Gegenstände bei den Punkten Zielformulierung, Datenbereitstellung, Regulierung und Koordination.

Workshop b: Wohnungswirtschaft

Robert Riechel begrüßte die Teilnehmenden und führte mit einem kurzen Impuls in den Workshop ein. Die Wohnungswirtschaft sei vor allem abnahmeseitig eine Schlüsselakteursgruppe für die Wärmeplanung, da die energetische Modernisierung der Wohnungsbestände eine der zentralen Stellschrauben darstelle.

Schon früh kristallisierte sich in der Diskussion eine zentrale Frage heraus: Wie kann die Wohnungswirtschaft einen substantiellen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten und zugleich sozialverträgliches Wohnen bei bezahlbaren Mieten ermöglichen? In diesem Spannungsverhältnis steckt auch die Wohnungswirtschaft, denn für Sie gilt bei Entscheidungen über CO2-sparende Maßnahmen das Gebot der Wirtschaftlichkeit.

Zielvereinbarungen zwischen SenStadt und den städtischen Wohnungsgesellschaften sind bereits etablierte Praxis. Darin sind regelmäßig auch Klimaschutz bezogene Vereinbarungen enthalten. Dominiert werden die Vereinbarungen zwischen Senatsverwaltung und öffentlichen Wohnungsunternehmen derzeit angesichts des aktuellen Wachstumsdrucks aber von der Aufgabe, neuen Wohnraum zu schaffen. Vorgeschlagen wurde auch, ein neues Förderprogramm zur Wahrung der Sozialverträglichkeit bei energetischer Modernisierung aufzulegen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Diskussion war das Ressourcen schonende Bauen. Durch weniger Ressourcenaufwand (z.B. geringere Dämmstärken) und neue Technologien in der Wärmeversorgung ließen sich wirtschaftliche Lösungen für deutliche CO2-Einsparungen realisieren, so ein Workshopteilnehmer. Dieses „Querdenken“ werde aber an vielen Stellen durch regulative Hemmnisse erschwert (z.B. Verlust der steuerrechtlichen Privilegierung bei Betrieb von PV-Anlagen auf dem Dach von Wohngebäuden durch die Wohnungsunternehmen).

Workshop c: Politik/Verwaltung/Zivilgesellschaft

Sabine Drewes begrüßte als Moderatorin die Teilnehmenden und stellte die Idee des Workshops vor. Politik und Verwaltung seien besondere Akteure der Wärmeplanung, da sie die Rolle als Moderatoren und Koordinatoren übernehmen und damit andere Ansprüche an eine Wärmeplanung haben als beispielsweise Wirtschaftsakteure.

Zu Beginn des Workshops wurden die Teilnehmenden gebeten, Erwartungen sowie Befürchtungen und Hindernisse hinsichtlich der Wärmeleitplanung zu formulieren und visualisieren.

Erwartungen und Befürchtungen

Mehrheitlich erwarteten die Teilnehmenden von einer möglichen Wärmeplanung einen Beitrag zum Klimaschutz durch eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung. Klimaschutz müsse das oberste Ziel der Wärmeplanung sein. Dafür sei es notwendig, Ziele zu formulieren, wie Erneuerbare in das Fernwärmenetz integriert werden können und Pilotvorhaben, beispielsweise im Bereich der Geothermie, auf den Weg zu bringen. Hilfreich könnte außerdem sein, die Potentiale für Erneuerbare von Berlin und Brandenburg zusammen zu denken. Ein Teilnehmer betonte, auch eine Wärmeplanung müsse sich am „Zieldreieck“ für die Energiewirtschaft aus „Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit“ orientieren. Für mehr Erneuerbare in der Wärme wäre nach Meinung verschiedener an der Diskussion Beteiligter ein dezentraler Ansatz nötig, der außerhalb des großen Fernwärmenetzes Insel- oder kleinere Nahwärmenetze ermögliche, an dem eine Vielzahl von Akteuren beteiligt seien, die in die Netze einspeisen können: „Die Wärmewende braucht Akteursvielfalt und, wie beim Strom, Bürgerenergie.“, so ein Teilnehmer. Auch der Ansatz, öffentliche Liegenschaften als Nukleus für Quartierswärme zu nutzen, wurde erwähnt.

Auf dem Weg zu diesen Zielen machten die Teilnehmenden eine Reihe von Voraussetzungen aus, die, wenn sie fehlen (wie es derzeit häufig der Fall ist) auch Hindernisse darstellen. Dazu gehören:

a)    Datenverfügbarkeit. Häufig seien keine guten flächenbezogenen Daten vorhanden, und bestehende Datenschutzregelungen machten es schwierig, diese zu eruieren. Oder die Daten sind zwar vorhanden, „sie sind aber in der Regel nur bei den Versorgern vorhanden und nicht neutral.“

b)    (Mangelnde) politische Priorisierung und Umsetzungsfähigkeit von Politik und Verwaltung

Eine Teilnehmerin betonte, dass Wärmeplanung z.zt. noch keine Aufgabe der Ämter sei. An den Senat wurde die Erwartung formuliert, dafür ein Konzept bzw. zentrale Zielvorgaben zu machen, aber unter Einbeziehung anderer wichtiger Akteure. („Wärmeplanung muss als neue Aufgabe der Stadtplanung etabliert werden“) Die Bezirke wurden in der Rolle der Umsetzenden gesehen. Verschiedene Ämter müssten zusammenarbeiten, z.B. Stadtplanung und Hoch- bzw. Tiefbau, Liegenschaftsverwaltung etc. Es wurden verbindliche Vorgaben gefordert sowie eine zügige Umsetzung. Ein Teilnehmer schlug vor, in der Senatsverwaltung für Klimaschutz ein neues Referat/Stabstelle für Energieplanung zu etablieren, die ämterübergreifend mit der Stadtplanung kooperieren müssen.

c)    (Kontraproduktive) bestehende oder fehlende rechtlichen Rahmenbedingungen

Bemängelt wurde die Nichteinhaltung der EnEV und die mangelnde Kontrolle. Die EnEV reiche aber ohnehin nicht aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Fehlende Weichenstellungen auf Bundesebene wurden beklagt (kein CO2-Preis, kein entschlossener Kohleausstieg). Aber auch auf Landes- bzw. kommunaler Ebene gebe es einiges zu tun: Stadt- und Energieplanung müssten stärker aufeinander abgestimmt werden, Klimaschutzvorgaben verstärkt in die Bauleitplanung aufgenommen werden. Die Bezirke bräuchten eine bessere rechtliche Handhabe bei Bauvorhaben, so die klare Forderung. Dafür müsse eine Liste an festsetzbaren Nebenbestimmungen reformiert werden.

d)    Kritisch wurden die momentanen Förderstrukturen diskutiert. Es fehle an Förderprogrammen zur Unterstützung der Koordination verschiedener Akteure. Zudem wurde bemängelt, die Förderkulisse sei unübersichtlich und werde vielfach durch politische Preise konterkariert.

e)    Die Vielfalt der Akteure im Bereich der Wärmeversorgung und Gebäudeenergie, deren teilweises Desinteresse und das Machtgefälle zwischen ihnen wurden als Hindernisse benannt, ebenso die oft nicht gegebene Sozialverträglichkeit energetischer Gebäudemodernisierung, die in einer Mieterstadt viele gegen solchen Maßnahmen aufbrächten.

Lösungsansätze

Im Austausch über Erwartungen und Befürchtungen klangen schon Lösungsansätze an. Als ein Schlüssel für die Wärmewende wurde die Absenkung der Temperatur im Fernwärmenetz identifiziert. Allerdings ist dieser Schritt kostenintensiv und voraussetzungsreich.

Konkret wurden folgende Instrumente vorgeschlagen:

  • Durchführung einer Wärmeleitplanung unter der Leitung eines Akteurs ohne eigenes wirtschaftliches Interesse
  • Nutzung und Ausweitung der bestehenden gesetzlichen Regelungen beim Bauen/in der Stadtentwicklung
  • Trennung von Netz und Betrieb auch bei der Wärme (unbundling), so dass auch Bürger/innen Wärme einspeisen können und der Netzbetrieb offen gestaltet werden kann.
  • Massiver Ausbau von Kapazitäten in der Verwaltung nach dem Wiener Vorbild (Einführung eines Referat/einer Stabstelle für Energieplanung)
  • Ein Stadtentwicklungsplan Wärme, wobei kontrovers diskutiert wurde, ob er in den Stadtentwicklungsplan Klima mitaufgenommen werden sollte

Unterschiedliche Meinungen gab es bei der Frage, welche Akteure für die Wärmewende besonders zentral sind. Deutlich wurde aber, dass auf verschiedenen Ebenen (Land, Bezirke, Quartier, Bürgerenergie) Lösungen entwickelt werden müssen, deren Vereinbarkeit eine große Herausforderung darstellt. Der Gebäudebestand stellt dabei den Schlüssel für die Erreichung der Klimaziele dar.

Wärmeplanung für Berlin: wünschenswert und machbar?

Im Anschluss an die Workshopphase stellten die Moderator/innen die zentralen Ergebnisse ihrer Workshop-Diskussionen vor.

Inputs aus den Workshops

a)    Energieversorger/-dienstleister

Elisa Dunkelberg präsentierte die Ergebnisse des Workshops zum Thema Energieversorger/-dienst-leister. Eine kommunale Wärmeplanung sollte zunächst klare Ziele formulieren und Lösungen für Zielkonflikte erarbeiten. Nächster wichtiger Schritt sei die Bereitstellung von Daten zu Energieträgern, Wärmequellen, dem Status Quo des Gebäudezustands und des Wärmeverbrauchs sowie der zukünftigen Perspektive. Wichtige Themen seien außerdem Regulierung und Koordination zwischen den politischen Ebenen und Akteuren.

Kontrovers diskutiert wurde inwiefern eine Regulierung des Wettbewerbs der Energieversorger untereinander sinnvoll sei: Kann Wärmeplanung einen fairen und transparenten Wettbewerb ermöglichen und gleichzeitig z.B. ein womöglich abschreckendes Windhundrennen um attraktive Quartiere bzw. potenzielle Interessenten von Quartierskonzepten vermeiden? Zu dieser Frage äußerten die Teilnehmen sehr unterschiedliche Meinungen. Einigkeit bestand dabei darin, dass verbindliche Vorgaben und klare Rahmenbedingungen wichtig seien und bestehende Instrumente wie die Bauleitplanung und die Flächennutzungspläne besser genutzt werden sollten. Für die Wärmeplanung in Quartieren sollten möglichst umfangreiche Daten zu den Wärmebedarfen, aber auch über die lokalen Wärmequellen-Potenziale zur Verfügung gestellt und eine praktische Lösung für die Organisation des Prozesses für Quartierslösungen gefunden werden. Standortfindung und -sicherung seien vor allem in Bezug auf klimafreundliche Erzeugungsanlagen wie Groß-Wärmepumpen, Tiefe Geothermie, Speicher und Biogasanlagen wichtig.  Die Koordination der verschiedenen Akteure, der Verwaltungen und Verwaltungsebenen untereinander, der Energieversorgungsunternehmen, aber auch der Projektentwickler sei eine große Aufgabe, die über eine führzeitige, breite Beteiligung angegangen werden solle. Damit einher geht die Frage, wie das Verhältnis von zentraler zu dezentraler Planung und Umsetzung aussehen soll.

b)    Wohnungswirtschaft

Robert Riechel präsentierte die Ergebnisse des Workshops zur Wohnungswirtschaft, wobei der Fokus auf dem Spannungsfeld von sozialverträglichem Wohnraum und Klimaschutzzielen lag. Ein zentrales Ergebnis war, dass technologische Lösungen, die durch eine bessere Abstimmung von Gebäudehülle und Haustechnik, CO2-Einsparung und sozialverträgliches Wohnen vereinbaren können, durch regulative Hemmnisse erschwert werden. Sie erhöhen den bürokratischen Aufwand und stehen häufig neuartigen, kreativen Ansätzen entgegen. Stärker berücksichtigt werden sollte der Ressourcenverbrauch der energetischen Sanierung einerseits und die Entwicklung der Wohnfläche pro Kopf andererseits.

Im Workshop wurden Instrumente für das Land Berlin diskutiert, die die Wärmeplanung flankieren können. Dazu gehört die Stärkungen energetischer Belange in den Zielvereinbarungen mit den städtischen Wohnungsunternehmen, ein Förderprogramm für sozialverträgliche Modernisierung und eine stärkere Verzahnung des BEK mit der Energiestrategie Brandenburg.Politik/Verwaltung/Zivilgesellschaft

c)    Politik/Verwaltung/Zivilgesellschaft

Sabine Drewes stellte die Ergebnisse des Workshops Politik/Verwaltung/Zivilgesellschaft vor. Ein wichtiger Aspekt war die Frage, woran sich die Wärmeplanung vorrangig orientieren soll: am energie¬politischen Dreieck? Am Klimaschutz?

Risiken für eine Wärmeplanung wurden gesehen in der Komplexität des Problems, den fehlenden Daten, bürokratischen Hürden und mangelnden Vorschriften bei der Stadtplanung und Quartiers-entwicklung. Darauf muss Wärmeleitplanung reagieren, wofür Lösungsansätze identifiziert wurden. Dazu gehören Regulationen und Vorgaben, wie die stärkere Kontrolle bestehender Vor-schriften sowie die Einführung von Klimaschutzvorgaben in Bebauungspläne und die Ökologisierung der Bauordnung. Dabei muss die Wärmeplanung mit anderen Planungen verbunden werden, in der Diskussion war ein Stadtentwicklungsplan (StEP) „Wärme“, evtl. integriert in den STEP Klima. Außerdem müsse die Verwaltung aufgestockt werden. Dafür wurde von Workshopteilnehmer/innen ein Querschnitts-Referat „Energieplanung“ nach dem Beispiel Wiens vorgeschlagen. Mindestens sollte die „Steuerungsgruppe Energie“ eingerichtet werden, die im Enquete-Bericht „Neue Energie für Berlin“ genannt wurde. Ergänzend sollten neue Förderstrukturen implementiert werden.

Auf der technischen Ebene wurde vorgeschlagen, die Netze von der Erzeugung zu trennen, ein Wärmekataster zu erstellen und ein Pilotvorhaben Geothermie auf den Weg zu bringen, um zukünftige Möglichkeiten auszuloten.

Abschlussdiskussion  

Bei der Abschlussdiskussion diskutierten Stefan Taschner, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Ulrike Sparr, Sprecherin für Umwelt und Energie der Grünen Bürgerschaftsfraktion Hamburg, Karl Meyer von der BTB GmbH Berlin und Oliver Schruoffeneger, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt des Bezirks Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, moderiert von Luna Judick vom IFOK, die bisherigen Ergebnisse des Strategieworkshops.

Im Hinblick auf die Auftaktvorträge wurde zunächst besprochen, inwieweit Wärmestrategien anderer Städte auf Berlin übertragbar seien. Frau Sparr hielt das grundsätzlich für möglich, betonte aber, dass dazu ein Konsens mit dem Netzbetreiber notwendig sei – oder die ein kommunaler Akteur muss das Wärmenetz selbst betreiben. Stefan Taschner ergänzte, dass die Stadt Berlin aufgrund der Ähnlichkeiten mit Hamburg im Austausch stehe, allerdings agiere Vattenfall in Hamburg völlig anders. Frau Sparr teilte diese Einschätzung. Während Vattenfall in Berlin eine Power-to-Heat-Anlage baut und ein Dekarbonisierungskonzept gemeinsam mit der Verwaltung und der Zivilgesellschaft erarbeitet, verfolgt das Unternehmen in Hamburg das Ziel, mit dem Kraftwerk Moorburg ein neues Kohlekraftwerk am Markt zu etablieren, dass auch Wärme in das Fernwärmenetz einspeisen soll.

In einer weiteren Runde ging es um die Rolle dezentraler Lösungen. Karl Meyer von der BTB berichtete von den Erfahrungen mit der Quartiersentwicklung in Adlershof. Die BTB hat dort ein neues Wohngebiet mit diverser Eigentümerstruktur an den Rücklauf des BTB-eigenen Fernwärmenetzes für die Wärmeversorgung angeschlossen. Eine Herausforderung habe dabei in der heterogenen Eigentümerstruktur bestanden – normalerweise für Wärmelieferanten „eine Katastrophe“. Die BTB aber wollte ihre Ideen mit denen der Bauherren verbinden. Auf diese Weise ist ein Niedertemperaturnetz entstanden, in das aus sieben weiteren Gebäuden Wärme eingespeist wird. Damit ist es gelungen, ohne Anschluss- und Benutzungszwang alle 1.000 Wohnungen an das Netz anzuschließen.: „Für uns ein großer Erfolg,“ so Meyer.

Herr Schruoffeneger stellte anschließend das Modellprojekt an der Mierendorff-Insel vor, das gemeinsam mit der GASAG realisiert wird. Es handelt sich um eine Bestandssiedlung mit 10.000 Einwohnern in einem Milieuschutzgebiet. Die Struktur ist divers, es gibt 4500 Grundstückseigentümer, eine Bronzegießerei und eine Schule. Dieses Gebiet ist auf eine gute Kommunikation angewiesen. Der Milieuschutz sei dabei eher ein Vorteil, weil in der Kategorie „Quartier“ gedacht werden muss und das Problem nicht einfach durch das Dämmen von Einzelgebäuden gelöste werden kann. Wichtig wären die richtigen Rahmenvorgaben auf Landesebene, die eine dezentrale Umsetzung unterstützen und derzeit fehlen. Im Moment werden Motivierte und Gutwillige eher ausgebremst. „Wir dürfen die Chance, im Bestand auch andere Optionen zu denken als den Anschluss an das Fernwärmenetz, nicht einfach an uns vorbeigehen lassen“, forderte er. Ein Großteil der Gebäude in der Stadt befinde sich ja nicht in Reichweite des großen Fernwärmenetzes. Man müsse sich fragen: „Wie sieht die Stadt im Jahr 2050 aus?“ und dabei den Klimawandel mit dem demographischen Wandel zusammendenken.

Diskutiert wurde anschließend die Frage, inwieweit solche Quartierslösungen skalierbar sind. Herr Schruoffeneger betonte, dass der Ansatz selbstverständlich skalierbar sei – auch wenn er vermutlich nicht für die gesamte Stadt passe. Herr Meyer wandte ein, dass man berücksichtigen müsse, dass im Neubau Entscheidungen zur Wärmeversorgung getroffen werden müssen, während im Bestand die Beharrungskräfte größer sind. Betonte wurde, dass die Skalierbarkeit bei Quartiersansätzen vor allem in der Wiederholbarkeit liege.

Dies warf die Frage danach auf, wie eine Wärmeplanung in Berlin konkret aussehen könnte, welche Rahmenbedingungen dafür nötig seien und von welcher Senatsverwaltung sich die Diskussionsteilnehmer/innen in diesem Zusammenhang etwas wünschen. Einigkeit bestand auf dem Podium darin, dass einerseits die Temperatur im Fernwärmenetz abgesenkt werden müsse – und andererseits eine Vielzahl an dezentralen Lösungen notwendig seien, insbesondere für Bereiche, die nicht an die Fernwärme angeschlossen sind. Oliver Schruoffeneger betonte, er wünsche sich nur von einer Senatsverwaltung etwas, und zwar von SenStadt. Es ginge darum, die Bauordnung zu ändern Dort könnte man festschreiben, dass von Gebäuden mit hohem Heizenergiebedarf eine Schadwirkung ausgehe, was den Bauämtern vielfältige Handhabe eröffnen würde. In neuen Bebauungsplänen könne man Nullenergiestandard festsetzen. Stattdessen wird z.zt. in Wettbewerbsverfahren nur EnEV-Standard gefordert – nach Ansicht des Bezirksstadtrats völlig unzulänglich. Viele Bauherren gerade im Innenstadtbereich hätten die Erfordernisse des Klimaschutzes längst verstanden. Statt weitere Modellvorhaben zu entwickeln, sei es deshalb besser, die technischen Lösungen, die es gibt, in die Fläche zu bringen. Dazu fehlten die geeigneten Instrumente.

Aus dem Publikum kam die Frage, welche Bedeutung das BEK für die Wärmeplanung habe. Stefan Taschner erwiderte, dass viele kleine Maßnahmen festgeschrieben seien, die gute Rahmen-bedingungen aber nicht ersetzen können.

Eine weitere Frage aus dem Publikum bezog sich auf den Zielkonflikt von energetischer Sanierung und steigende Mieten. Herr Taschner machte deutlich, dass es ein zentrales politisches Ziel sei, gute Effekte hinsichtlich des Energieverbrauchs zu erreichen, ohne dass es zu Kostenexplosionen kommt. Dafür werden momentan Stellen in der Verwaltung aufgestockt. Die personelle Situation in den Bauämtern der Bezirke sei jedoch katastrophal, so Herr Meyer. Frau Sparr ergänzte, dass das Thema der sozialverträglichen Sanierung hoch aufgeladen ist und instrumentalisiert wird. Zur Abfederung von Sanierungskosten machte Herr Schruoffeneger den Vorschlag, Landesförderprogramme aufzulegen, die die an die Bedingung begrenzter Mietpreiserhöhungen geknüpft sind.

Die Wärmewende, darin waren sich alle einig, ist und bleibt ein komplexes und facettenreiches Projekt ist, über das in Berlin noch viel geredet und für das umso mehr getan werden muss.