Unternehmensverantwortung für Menschenrechte und Umwelt

Analyse

Nationale Regelungen reichen zur Kontrolle transnationaler Unternehmensaktivitäten nicht aus. Die Vereinten Nationen sehen Handlungsbedarf. Der Versuch verbindliche Regeln durchzusetzen, scheitert bisher aber am Widerstand der EU.

Unternehmensverantwortung für Menschenrechte und Umwelt - Das Bild zeigt einen unter den Arm geklemmten Hefter mit dem Logo der Vereinten Nationen

Von den verheerenden Dammbrüchen an brasilianischen Eisenerzminen über den Einsturz der Rana Plaza-Textilfabrik bis zur Ölkatastrophe im Niger-Delta: Gravierende Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung infolge von Unternehmensaktivitäten sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Auch deutsche Unternehmen sind mitverantwortlich, wenn im Ausland Arbeiter/innen durch Pestizide erkranken, Löhne unterhalb des Existenzminimums gezahlt werden oder Flüsse durch Industrieanlagen vergiftet werden.

Da die Wirtschaft global verflochten und Unternehmensaktivitäten in transnationale Wertschöpfungsketten und Produktionsprozesse eingebunden sind, reichen nationale Regelungen allein in den meisten Fällen nicht aus (siehe „Wirtschaft und Menschenrechte - Eine Mammutaufgabe“). Besonders problematisch ist es, dass Betroffenen derartiger Menschenrechtsverletzungen aufgrund der rechtlichen Hürden oftmals der Zugang zu Wiedergutmachungsmechanismen und effektivem Rechtsschutz, insbesondere den Gerichten in den Heimatländern transnationaler Unternehmen, verwehrt bleibt.

Bestrebungen die negativen Auswirkungen global agierender Unternehmen zu regulieren, gibt es auf Ebene der Vereinten Nationen bereits seit den 1970er Jahren. Der Problematik wurde jedoch bisher nicht mit verbindlichen Regeln, sondern hauptsächlich durch unternehmerische Selbstregulierung in Form von freiwilligen Codes of Conducts und Multi-Stakeholder-Foren wie dem UN Global Compact begegnet.

Nachdem verschiedene Vorschläge für verbindliche Regeln gescheitert waren, wurden 2011 schließlich die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als Kompromisslösung einstimmig durch den UN-Menschenrechtsrat verabschiedet. Unternehmen kommen der darin definierten menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nach, indem sie freiwillig ihre nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen ermitteln, ihnen begegnen sowie Rechenschaft hierüber ablegen.

Endlich ein verbindliches UN-Abkommen?

Da die Leitprinzipien als „weiches Instrument“ keine verbindlichen Regeln formulieren, verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat 2014 auf Initiative von Ecuador und Südafrika eine Resolution, die eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen Abkommens zu transnationalen Wirtschaftsunternehmen und Menschenrechten beauftragte.

Mittlerweile hat die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe vier Sitzungen abgehalten. Die ecuadorianische Verhandlungsführung legte im Juli 2018 einen ersten Vertragsentwurf vor, der von zahlreichen Staatenvertreter/innen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren und Wirtschaftsvertreter/innen auf der vierten Tagung der Arbeitsgruppe im Oktober 2018 kommentiert wurde.

Der Entwurf erfährt als Diskussionsgrundlage eine breite Unterstützung durch Staaten, die Zivilgesellschaft, Menschenrechtsexpert/innen sowie nationale Menschenrechtsinstitutionen. Zusätzlich fordern bereits mehr als eine halbe Million Europäer/innen die EU und ihre Mitgliedsstaaten im Rahmen einer im Januar 2019 gestarteten europaweiten Kampagne auf, einerseits Sonderklagerechte für Unternehmen abzuschaffen und sich andererseits für das UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten einzusetzen.

Die Bundesregierung entzieht sich Verhandlungen

Obwohl sich das EU-Parlament in zahlreichen Resolutionen deutlich für ein verbindliches UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten ausgesprochen und die EU-Kommission zur konstruktiven Beteiligung an dem Prozess aufgefordert hat, distanzierte sich die EU in der letzten Verhandlungsrunde von allen Verhandlungsergebnissen.

Die Bundesregierung entzieht sich seit Beginn der Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat der inhaltlichen Beteiligung an dem Prozess, was mehrfach Thema von Anträgen im Bundestag war. Zudem hat die Bundesregierung – im Gegensatz zu Frankreich – die Frist zur schriftlichen Kommentierung des ersten Entwurfs am 28. Februar dieses Jahres verstreichen lassen, ohne sich zu dem Abkommen zu positionieren.

Offiziell heißt es, die Bundesregierung wolle sich mit den anderen EU-Staaten abstimmen. Am Rande der aktuellen Sitzung des Menschenrechtsrats im März 2019 wurde jedoch deutlich, dass die EU plant, möglicherweise nicht an der fünften Sitzung im Herbst 2019 teilzunehmen. Dies wäre ein fatales Signal. Schon lange äußert die EU prozedurale und inhaltliche Kritik an dem geplanten Abkommen, obwohl der erste Entwurf in vielen Punkten auf die Bedenken der EU eingeht.

Verbindlichkeit nach deutschem Recht?

In Deutschland hat die Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien 2016 einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Dieser formuliert die Erwartung an Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter/innen, Prozesse menschenrechtlicher Sorgfalt einzurichten. Ob die Unternehmen diese einführen, bleibt jedoch nach wie vor ihnen selbst überlassen.

Wenn bis zum Jahr 2020 nicht mindestens die Hälfte dieser Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen, sollen weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen geprüft werden. Dies ist auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Der Umsetzungsstand wird derzeit im Rahmen eines aufwändigen Monitoringverfahrens erhoben, welcher aufgrund der zugrunde gelegten Methodik kritisiert wird, da es zweifelhaft scheint, dass diese zu repräsentativen Ergebnissen führen wird.

In anderen Ländern gibt es bereits eine Reihe von Initiativen und Regelungen zu verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen. In Frankreich wurde beispielsweise bereits 2017 ein entsprechendes Gesetz erlassen. Weitere europäische Staaten wie die Schweiz und die Niederlande sind ebenfalls auf dem Weg, eine verbindliche Umsetzung der Leitprinzipien auszuarbeiten.

In Deutschland wurde Mitte Februar überraschend der Entwurf eines Gesetzes zu nachhaltigen Wertschöpfungsketten geleaked, in welchem das Entwicklungsministerium (BMZ) deutsche Unternehmen verpflichten möchte, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken auch im Hinblick auf ihre Geschäftstätigkeit im Ausland zu analysieren und diese zu verringern. Neben zivilgesellschaftlichen Organisationen sprechen sich vermehrt auch Unternehmensvertreter/innen für ein sogenanntes level-playing-field – also gleiche Bedingungen für alle Unternehmen – per Gesetz aus.

Regelungen auf mehreren Ebenen erforderlich

Damit Betroffene weltweit endlich vor Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Unternehmen geschützt werden und im Falle von Rechtsverletzungen Zugang zu Abhilfe bekommen, braucht es verbindliche Regelungen auf mehreren Ebenen. Deutschland sollte als exportorientierter Wirtschaftsstandort einerseits ein Vorbild sein und mit einem ambitionierten Lieferkettengesetz ein starkes Signal senden, dass unsere Wirtschaftsleistung nicht auf der Verletzung von Menschenrechten und der Zerstörung der Umwelt im Ausland beruhen darf.

Ein Lieferkettengesetz sollte ganz unabhängig davon erfolgen, ob bereits die Hälfte der deutschen Unternehmen Prozesse aufgesetzt haben, um ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht zu erfüllen, denn die Menschenrechte sollten von allen Unternehmen geachtet werden. Sowohl auf Ebene der Vereinten Nationen als auch auf Ebene der Europäischen Union sollte Deutschland sich für das UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten einsetzen, damit für alle transnationalen Unternehmen gleiche Regeln gelten. Denn den Zeiten der Freiwilligkeit muss endgültig ein Ende gesetzt werden.