Die US-Iranpolitik: Zwischen Kriegsmüdigkeit und militärischer Eskalation

Kommentar

Donald Trump ist in einer selbst verschuldeten Sackgasse. Mitten im Wahlkampf will er nicht für einen neuen Krieg im Nahen und Mittleren Osten verantwortlich sein. Gleichzeitig will er als starker Mann gelten, der keine Rückzieher macht. Das macht die Situation so unberechenbar.

White House, Washigton DC.
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Das Weiße Haus in Washington D.C., USA
  1. Wer hat Interesse an einer Eskalation?
  2. Wie kann eine militärische Eskalation verhindert werden?
  3. Wird sich die Situation weiter zuspitzen?

Donald Trump hat einen großen Anteil an den gewachsenen Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Als Reaktion auf die aggressive und destabilisierende regionale Rolle des Iran hat Trump gegen den Widerstand aller anderen Vertragsparteien das Atomabkommen mit dem Iran letzten Mai aufgekündigt. Seither fahren die USA eine Politik verschärfter Wirtschaftssanktionen gegen das Land. Damit soll der Iran so stark unter Druck gesetzt werden, dass er sich für ein neues umfassenderes Abkommen bereit zeigt. Diese Politik des maximalen Drucks hat Wirkung entfaltet, die iranische Wirtschaft hat seither massiv gelitten. Die Folge war jedoch keine Dialogbereitschaft des Iran. Stattdessen versuchte der Iran seinerseits die USA unter Druck zu setzen, mit regionalen sicherheitspolitischen Eskalationen bis hin zum Abschuss einer US-Drohne Ende Juni. Das liegt auch daran, dass es bis heute kein realistisches und glaubhaftes Angebot der US-Seite für einen politischen Ausweg gibt, welcher die Interessenlagen des Irans und anderer regionaler Akteure berücksichtigt. Stattdessen gibt es starke Stimmen in der US-Regierung, die einen Regimewechsel im Iran öffentlich propagieren, was mögliche Verhandlungen zusätzlich erschwert.

Gleichzeitig hat Donald Trump wiederholt erklärt, keine militärische Eskalation anzustreben. Trump sorgt sich um seine Wiederwahl und weiß, dass die breite Mehrheit der US-Bevölkerung kriegsmüde ist. 18 Jahre nach Beginn des Afghanistan-Krieges und 16 Jahre nach Beginn des Irak-Krieges, die heute beide als weitgehend gescheitert gelten, gibt es kaum öffentlich Unterstützung in den USA für einen neuen Krieg im Nahen und Mittleren Osten.

1. Wer hat Interesse an einer Eskalation?

Innerhalb Washingtons gibt es jedoch auch gewichtige Stimmen, die ein Interesse an einer Eskalation haben. Dazu gehören zum einen Neokonservative wie der nationale Sicherheitsberater John Bolton. Diese meinen, jetzt sei die historische Gelegenheit, den Erzfeind der USA aus dem Weg zu räumen und die Region im amerikanischen Interesse neu zu ordnen. Dazu gehören auch Akteure, die sich angesichts der iranischen Vernichtungsphantasien gegenüber Israel darum sorgen, dass Iran trotz des Atomabkommens in absehbarer Zeit an Atomwaffen gelangen könnte. Und zuletzt gibt es Stimmen, die betonen, die iranischen Eskalationen dürften nicht unbeantwortet bleiben, weil der Iran sonst ermutigt würde, noch waghalsiger zu agieren.

Es ist daher durchaus denkbar, dass die beiderseitige Logik von maximalem Druck auf den anderen, das Beantworten jeder Eskalation mit einer Gegeneskalation und der Mangel an politischen Auswegen und diplomatischem Geschick dazu führt, dass sich die Krise weiter zuspitzt, bis hin zu einer umfassenden militärischen Auseinandersetzung. Dies hätte dramatische humanitäre und politische Folgen für die gesamte Region einschließlich der EU als unmittelbarer Nachbar, für die globalen Energiemärkte und für die transatlantische Partnerschaft. Denn die USA könnten bei solch einem Krieg kaum auf europäische Unterstützung bauen.

2. Wie kann eine militärische Eskalation verhindert werden?

Im Herbst 2020 stehen in den USA Präsidentschafts- und Kongresswahlen an. Fast alle demokratischen Präsidentschaftsbewerber/innen haben erklärt, im Falle eines Wahlsiegs dem Atomabkommen mit dem Iran wieder beitreten zu wollen. Sollten die Demokraten gewinnen, sollten die internationalen Partner des Abkommens es schaffen, dies bis dahin aufrecht zu erhalten, und sollte die Situation bis dahin nicht militärisch eskalieren, so könnte dann ein neuer Anlauf für eine politische Lösung gefunden werden. Darauf sollte die EU mit allem Nachdruck hinarbeiten.

Die amerikanische Perspektive

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Allerdings ist es bis dahin noch eine lange Zeit und nichts davon ist ausgemacht. Die Verhinderung eines Krieges hängt zunächst entscheidend von den weiteren Schritten der aktuellen iranischen und amerikanischen Regierung ab. Im Falle der USA beruht dies letztlich auf der Abwägung Donald Trumps, ob ihm sein Wahlversprechen eines militärischen Rückzugs der USA aus der Region wichtiger ist als sein Image als harter Hund, der keine Schwäche zeigt und auf jeden Schlag mit einem Gegenschlag reagiert.

3. Wird sich die Situation weiter zuspitzen?

Donald Trumps Absage von militärischen Vergeltungsschlägen in der Folge des iranischen Abschusses einer US-Drohne zeigt, dass er kein akutes Interesse an einer weiteren militärischen Eskalation hat. Das Problem ist jedoch einerseits die Wankelmütigkeit und Unberechenbarkeit des Präsidenten, dessen Entscheidungen sich von Tag zu Tag ändern können, je nach Stimmungslage und je nach der aktuellen Kommentarlage in konservativen Medien. Zum Zweiten kann die gegenseitige Logik aus Eskalation und Gegeneskalation eine Eigendynamik bis hin zum Krieg entwickeln, selbst wenn beide Seiten dies nicht anstreben. Und zum Dritten hängt die weitere Entwicklung in großem Maße von der Kalkulation der iranischen Machthaber ab. Das macht die Situation so volatil und unberechenbar.

Ein Beitrag aus unserem Dossier Spiel mit dem Feuer: USA und Iran vor einem Krieg?