Der Fonds für Land Degradation Neutrality

Der Fond soll zur nachhaltigen Landnutzung beitragen, wird jedoch von einem privaten Anlagefonds verwaltet und birgt erhebliche Risiken für die kleinbäuerliche Landwirtschaft.

Kaffeeplantage in Kolumbien

Anmerkung zur Terminologie: Statt des im deutschen eher ungebräuchlichen Begriffs 'Land- und Bodendegradationsneutralität' verwendet dieser Artikel den englischen Begriff "Land Degradation Neutrality". Er findet sich in zahlreichen Publikationen in deutscher Sprache. Gemäß der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) ist „Landdegradationsneutralität der Zustand, in dem die Menge und Qualität von für die Unterstützung von Ökosystemfunktionen und –dienstleistungen und Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit notwendigen Landressourcen innerhalb bestimmter zeitlicher und räumlicher Einheiten und Ökosysteme stabil bleiben oder zunehmen.“


Entwicklungsbanken wie die Europäische Investitionsbank und Organisationen wie etwa das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP, sehen im Fonds für Land Degradation Neutrality ein vielversprechendes und innovatives Investitionsmodell im Kampf gegen den Verlust von fruchtbarem Land und Boden. Aufgabe des Fonds ist es, Maßnahmen zu finanzieren, die zur sogenannten Neutralität von Landdegradation beitragen. Doch das Modell birgt erhebliche Risiken für kleinbäuerliche Landwirtschaft: Wird der von einem privaten Investmentunternehmen betriebene Fonds zu einem weiteren Instrument, mit dem Investoren die Kontrolle von Flächen übernehmen, die für kleinbäuerliche Landwirtschaft genutzt werden?

Der Fonds für Land Degradation Neutrality wurde von der Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) ins Leben gerufen. Die UNCCD ist auch damit betraut, die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Indikator 15.3 der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu überwachen. Der Fonds für Land Degradation Neutrality ist als privat verwalteter Fonds aufgelegt und wird von Mirova, einer Tochtergesellschaft von Ostrum Asset Management verwaltet. Ostrum, ehemals Natixis Asset Management, ist einer der größten Investmentfonds in Frankreich.

Im 2012 veröffentlichten Bericht Zero Net Land Degradation: A New Sustainable Development Goal (SDG) for Rio+20 plädiert das Sekretariat der UN-Wüstenkonvention dafür, die Frage der Land Degradation Neutrality in der Abschlusserklärung der Rio+20 Konferenz zu verankern. Der Begriff Land Degradation Neutrality hat sich gegen die Bezeichung Netto-Null Degradation durchgesetzt. Der Bericht von 2012 verwendet noch letzteren. Die Rio+20-Abschlußerklärung erwähnt den Begriff, und ebnet so den Weg zur Verabschiedung des UN-Nachhaltigkeitsziels 15.3: "Bis 2030 die Wüstenbildung bekämpfen, Flächen, deren Fruchtbarkeit gefährdet ist, einschließlich der von Wüstenbildung, Dürre und Überschwemmungen betroffenen Flächen, renaturieren und eine Welt anstreben, in der Landdegradation neutralisiert wird.“  2017 riefen der Globale Mechanismus UN-Wüstenkonvention und Mirova den Fonds für Land Degradation Neutrality ins Leben, mit dem sie "wesentlich" zur Land Degradation Neutrality beitragen wollen, indem sie "in profitable Projekte investieren, die wettbewerbsfähige Renditen für Investoren zu erzielen."

Rio+20-Unterstützung für Naturkapital und Investitionen des Privatsektors für UN-Umweltziele ebnet Weg für Mirova's Rolle im Land Degradation Neutrality Fonds

Zwei Tendenzen erleichterten sowohl das offizielle Ergebnis der Rio+20-Konferenz also auch die Verankerung von Landdegradations-"Neutralität" - im Gegensatz zur Eindämmung des weiteren Verlusts von fruchtbarem Land und der fortschreitenden Wüstenbildung in Trockengebieten im globalen Süden – im SDG-Ziel 15.3. Der Rio+20 Gipfel etablierte zum einen den Begriff 'Grüne Ökonomie' als neues Leitmotiv der internationalen Umweltagenda. Zum anderen sind fast alle Industrieländer weit davon entfernt, ihrer langjährigen Verpflichtung nachzukommen, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Investitionen privater Akteure sollen die daraus resultierende Finanzierungslücke schließen und staatliche Finanzierungen ergänzen – mit ungewissen Folgen für Entwicklungsziele. Diese Tendenzen prägten auch die Gestaltung des Land Degradation Neutrality-Fonds als Finanzierungsmechanismus zur Erreichung vom UN-Nachhaltigkeitsziel 15.3 und ebneten den Weg dafür, dass ein Investmentfonds wie Mirova den von einer UN-Umweltkonvention eingerichteten Land Degradation Neutrality Fonds verwaltet, dessen Hauptziel es sein soll, Maßnahmen zu finanzieren, die das UN-Nachhaltigkeitsziels 15.3 zur Land Degradation Neutrality unterstützen – der aber gleichzeitig primär in "profitable" Projekte investieren will.

1 – Grüne Ökonomie und ökonomische Bewertung von Natur als neues Leitmotiv.

Regierungen, UN-Organisationen und auch Vertreter*innen aus Privatwirtschaft und der Naturschutzindustrie unterstützten beim Rio+20-Gipfel das Konzept einer Grünen Ökonomie und die damit verbundene "Neuen Ökonomie mit der Natur". Ein im Vorfeld des Rio+20-Gipfels veröffentlichter UN-Bericht beschreibt die Idee der Grünen Ökonomie wie folgt: "der Versuch, ein breites Spektrum von ökonomischen Instrumenten, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können, unter einem Banner zu vereinen."

Der vielleicht umstrittenste und gleichzeitig am schnellsten voranschreitende Ansatz im Instrumentarium für eine Neue Ökonomie mit der Natur sind Kompensationsmaßnahmen, im Englischen auch als "offsetting" bezeichnet: Ein ökologisch besonders wertvolles Gebiet, oder eine Fläche innerhalb eines Schutzgebiets wird im Gegenzug für das Versprechen des Nutzers, an anderer Stelle eine "degradierte" Fläche mit vergleichbarem ökologischem Potenzial wiederherzustellen, oder die Zerstörung eines besonders biodiversitätsreichen Lebensraums anderswo zu verhindern, für industrielle Nutzung verfügbar.

Diese Logik spiegelt sich auch im Ansatz der Land Degradation Neutrality wider. Das Kompensationsversprechen ersetzt in diesem Fall das in der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung festgelegte Ziel, den Verlust von fruchtbarem Land zu stoppen. Konkret bedeutet dies, den Anspruch auf eine Welt ohne Verlust von fruchtbaren Ackerböden in Gebieten, die von Wüstenbildung bedroht sind, aufzugeben. Land Degradation Neutrality ersetzt diesen Anspruch durch vage Kompensationsversprechen, die einen kontinuierlichen Verlust von fruchtbarem Boden und Land ermöglichen oder gar erleichtern.

Vertreter von Banken, Investoren und Versicherer veröffentlichten am Rande des Rio+20-Gipfels eine Naturkapital-Erklärung, in der sie bekunden "der Bedeutung von Naturkapital für die Finanzindustrie in ihren Geschäftsmodellen Rechnung zu tragen." Der vielgepriesenen Erklärung folgten bisher jedoch kaum Taten. Gleichzeitig stehen sowohl praktische Umsetzung wie theoretische Grundlagen des Kompensationsansatzes in der Folge des Rio+20-Gipfels verstärkt in der Kritik. Ungeachtet dieser Entwicklung sichert das UN-Nachhaltigkeitsziel 15.3 der Kompensation einen zentralen Platz nicht nur im Maßnahmenkatalog der UN-Wüstenkonvention, sondern auch zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele.

2 – Kaum ein Industrieland kommt der seit langem bestehenden Verpflichtung nach, 0.7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen.

In einer insbesondere von Industrieländern vorangetriebenen Debatte um "alternative" Finanzierungsmöglichkeiten für Entwicklungsziele im globalen Süden verschwimmen die Grenzen zwischen Finanzierung mit Entwicklungsprimat und Investitions- und Handelsprioritäten von Industrieländern und Konzernen dieser Länder als potenziellen Investoren zunehmend. Eine Tendenz, die auch während des Rio+20-Gipfels sichtbar war. Die Naturkapital-Erklärung ist nur ein Indiz dafür, wie der Drang nach so genannten "innovativen" Finanzierungsalternativen den Rio+20-Gipfel prägten. In den diskutierten Modellen fällt staatlichen Geldern dabei primär die Rolle als Risikopuffer für private Investitionen zu, die einen Beitrag zur Grünen Ökonomie liefern sollen. Häufig traten bei diesen Rio+20-Veranstaltungen Vertreter der Finanz- und Versicherungsbranche und von Behörden wie UNEP gemeinsam auf, um die Idee dieser neuen Variante von 'Partnerschaften zwischen staatlichen und privaten Interessen' ("Private-Public-Partnerships", PPP) voranzubringen, wonach staatliche Finanzierung vor allem dazu dient, private Investitionen "risikofrei" zu machen. Dies geschieht indem etwa der staatliche Investor erst dann Renditen erhält, wenn die Gewinne für private Investoren gesichert sind, oder als Erster Verluste trägt oder die Rückzahlung der Investitionen privater Investoren garantiert.

Der Land Degradation Neutrality Fonds ist ein solches PPP-Model. Investitionen von Entwicklungsbanken wie der Europäischen Investitionsbank puffern das Verlustrisko für Investoren aus der Finanzbranche in einem Sektor – Landnutzung und Landwirtschaft -, der erfahrungsgemäß sehr hohe finanzielle Risiken für Investoren aufweist. Die Struktur des Fonds läßt vermuten, dass private Investoren kaum Gefahr laufen werden, ihre Investitionen zu verlieren. Dabei sind die Gefahren für ein Scheitern von externen Investitionen in diesen Bereichen vielfältig. Nicht nur bleiben reale Gewinne oft deutlich hinter den von externen Beratern prognostizierten Gewinnen zurück. Auch Konflikte um das Land, auf dem Maßnahmen umgesetzt werden, können zum Scheitern solcher Investitionen führen. Bestimmen Prioritäten externer Investoren und Renditen für private Kapitalinvestitionen statt die Bedürfnisse von kleinbäuerlicher Landwirtschaft die Auswahl der Projekte, steigt erfahrungsgemäß auch die Wahrscheinlichkeit solcher Konflikte.

Mirova Natural Capital und der Land Degradation Neutrality Fonds

Vordergründig hat die Debatte um so genannte innovative Finanzierungsinstrumente im Rahmen der Grünen Ökonomie an Schwung verloren, doch die Ansätze finden sich weiterhin in vielen UN-Dokumenten und -Beschlüssen. Ein Beispiel hierfür ist der offizielle Bericht zur 13. Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Wüstenkonvention, die 2017 in Ordos, China, stattfand. Absatz 27 der Zusammenfassung trägt den Titel "Privatkapital ist der ‚Heilige Gral‘".

Im Rahmen ebenjener Veranstaltung beschlossen Regierungsvertreter auch, den privaten Anlagefonds Mirova mit der Verwaltung des von der UN-Wüstenkonvention ins Leben gerufenen Land Degradation Neutrality Fonds zu beauftragen. Mirova ist eine Tochtergesellschaft von Ostrum Asset Management, ehemals Naxitis Asset Management – einer der größten privaten Investmentfonds in Frankreich. Seit der Übernahme des Unternehmens Ecosphere Capital Limited und dessen Althelia Fonds tritt Mirova unter dem Namen Mirova Natural Capital auf. Ecosphere Capital Limited und die Althelia Fonds waren auf Investitionen unter dem Banner Naturkapital spezialisiert. Althelia gehört zu den Unterzeichnern der oben erwähnten Naturkapital-Erklärung von 2012. Der Land Degradation Neutrality Fonds ist als Privatfonds angelegt, und wird von Mirova Natural Capital verwaltet.

Wie funktioniert der Land Degradation Neutrality Fonds?

Der Land Degradation Neutrality Fonds hat sich das Ziel gesetzt, zunächst Einlagen in Höhe von 300 Millionen US-Dollar zu mobilisieren. Er soll eben jene Investitionen des Privatsektors für die Renaturierung so genannter verödeter Flächen und für eine nachhaltige Landnutzung zu mobilisieren. Diese Investitionen sollen zudem dazu beitragen, das UN-Nachhaltigkeitsziel 15.3 erfolgreich umzusetzen.

Die Organisation IUCN beschreibt den Fonds als einen "privaten Impact Investment" Fonds mit einer Mischeinlage aus privaten und staatlichen Einlagen, wobei die öffentlichen Gelder das Risiko der Privatinvestitionen "abpuffern" ("de-risk"): Die öffentlichen Gelder decken den Finanzierungsbedarf der risikoreicheren Investitionen während die Investitionen der Privatsektorakteure primär weniger risikoreiche Maßnahmen fördern und ggf. als erste oder höhere Renditen erhalten. Laut IUCN strebt der Fonds einen Anteil von 30 Prozent öffentlichen Mitteln und 70 Prozent Privatkapitalinvestitionen an, sowohl in Bezug auf die Gesamteinlagen als auch bei der Finanzierung einzelner Projekte. Die Europäische Investitionsbank, die französische Agence Française de Développement und das Development Innovation Ventures Programme der US-amerikanischen USAID gehören zu den Institutionen, die den Land Degradation Neutrality Fonds mit öffentlichen Geldern unterstützen. Zu den Investoren aus dem privaten Finanzsektor zählt die französische BNP Paribas Cardif. Laut BNP Paribas Cardif will der Land Degradation Neutrality Fonds während der 15-jährigen Laufzeit des Fonds in etwa 15 Projekte investieren. Welche Summe Mirova Natural Capital für die Verwaltung des Fonds in Rechnung stellt, und ob die Vergütung an eine konfliktfreie Umsetzung von Projekten geknüpft ist, ist nicht bekannt. Eine Stellenausschreibung der Althelia Fonds gibt jedoch Hinweise auf die Form der Finanzierung, die der Fonds anstrebt: "Der Kern der Investitionsstrategie des LDN Fonds sind Kredite, aber es werden auch Innovationen notwendig sein, um angepaßte mezzanine / quasi-Equity Transaktionen zu ermöglichen."

Die von der IUCN veröffentlichte Publikation A review of the Land Degradation Neutrality Process berichtet "der LDN Fonds [habe] Investitionen in zwei Sektoren als Schwerpunkt identifiziert – nachhaltige Landwirtschaft und Waldbewirtschaftung – und erwägt gegebenenfalls ergänzend Investitionen im Bereich Ökotourismus und grüner Infrastruktur." 2019 gab der Fonds eine erste Investition bekannt: Das Programm Urapi Sustainable Land Use in Peru erhielt eine Zusage in Höhe von 12 Millionen US-Dollar. Finanziert werden Maßnahmen von vier Kaffee-Kooperativen in der Region Selva Norte in Peru, die Kaffee für den Export produzieren. Ein Teil der Mittel ist laut Projektbeschreibung auch für die Renaturierung von etwa 9,000 Hektar so genannter degradierter Flächen in der Region vorgesehen, auf denen unter anderem Kaffee in 'Agroforstsystemen' angebaut werden soll. Entwickelt und umgesetzt wird das Programm von der kanadischen Firma Ecotierra. Die Firma nennt die Speicherung von Kohlenstoff und die Verbesserung der Lebensgrundlage der 2,400 kleinbäuerlichen Kaffeeproduzenten als weitere Ziele des Programms.

Riskantes Geschäft für kleinbäuerliche Landwirtschaft? 

Welche Form von Landwirtschaft und Waldbewirtschaftung der Land Degradation Neutrality Fonds unterstützt, und ob die Investitionen kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern oder ein Risiko für ebenjene Form der Landwirtschaft darstellen, werden die zukünftigen Investitionsentscheidungen des Fondsmanagements zeigen. Eine Werbebroschüre des Fonds aus dem Jahr 2017 läßt jedoch schon jetzt vermuten, dass Renditen für Investoren aus dem Privatsektor eine höhere Priorität genießen könnten als die Minimierung von Risiken für Kleinbauern und Kleinbäuerinnen: "Der Fonds wird in profitable Projekte investieren und wettbewerbsfähige Renditen für Investoren anstreben," heißt es dort. Doch wer trägt die Risiken und Verluste, wenn ein Projekt, das die Fondsmanager als profitable erachteten, letzendlich doch nur so wenig Gewinn abwirft, um die zusätzlichen Ausgaben der Kleinbauernfamilien zu decken? Müssen Kleinbauernfamilien und Kooperativen einer Hypothek auf ihr Land oder Verarbeitungsanlagen, etwa zum Trocken und Rösten von Kaffee, zustimmen, um eine Unterstützung des Land Degradation Neutrality Fonds zu erhalten? Laufen sie dann Gefahr, ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage zu verlieren, sollten die vom Fondsmanager prognostizierten Gewinnzuwächse durch Verbesserungen in der Landnutzung, die die Finanzierung des Fonds bewirken sollte, geringer als erwartet ausfallen?  Die gleiche Werbebroschüre des Fonds behauptet, dass sich mit "nachhaltigen Zertifizierungen (z.B. Fairtrade, Rainforest Alliance, FSC) höhere Preise erzielen lassen" und erwähnt "nachhaltige Kautschukplantagen" und "Partnerschaften mit internationalen Naturschutzorganisationen" als Beispiele für mögliche Investitionen des Land Degradation Neutrality Fonds.

Solche Vorschläge sind nicht neu. Sie haben dort, wo sie umgesetzt wurden, regelmäßig Konflikte verursacht und Gemeinden geschwächt, in denen Familien ihren Lebensunterhalt mit kleinbäuerlicher Landnutzung bestreiten. Im Fall des FSC-Labels für Waldbewirtschaftung gibt es kaum Hinweise darauf, dass Produzenten am Anfang der Produktkette, im Wald, mithilfe des Zertifikats höhere Preise erzielen. Wer trägt die Kosten, wenn kleinbäuerliche Waldnutzer*innen der Investition durch den Land Degradation Neutrality Fonds zustimmen, weil sie keinen Zugang zu Informationen haben, die die Annahme, das sich mit der Zertifizierung ein höherer Preis erzielen läßt, als fragwürdig entlarven? Riskieren sie dann den Verlust ihres Ackerlandes, das der Fonds womöglich als Sicherheit verlangt? Oder liegt das Risiko beim Fondsmanager, der die unrealistische Gewinnkalkulation erstellte? Antworten auf diese Fragen sucht man in den Werbebroschüren des Fonds bisher vergebens.

Auch schlägt die Fondsverwaltung vor, unabhängige Kleinbauernfamilien zu Vertragsbauern zu machen, obwohl die Risiken des Modells für kleinbäuerliche Landwirtschaft umfassend dokumentiert sind. "Begünstigte sollen Kleinbauern und Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft in Entwicklungsländern sein. Sie sollen von den Investitionen des Fonds in Projekte zur nachhaltigen Landbewirtschaftung profitieren, die Vertragslandwirtschaftsprogramme fördern und neue menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen," heißt es in der Broschüre.

Ob Kleinbauern und Kleinbäuerinnen tatsächlich von Investitionen in den Land Degradation Neutrality Fonds profitieren werden, scheint zum jetzigen Zeitpunkt ungewiß. Viele Familien, die an Vertragsbauernprogrammen mit großen Palmölkonzernen oder zum Anbau von Kautschuk teilnehmen, wissen um die Risiken des Modells – Risiken, die vor allem die Kleinbauern und -bäuerinnen tragen, während die Gewinne auf Seiten der Konzerne liegen. Umfangreich dokumentiert sind unter anderem der Verlust von Land für Nahrungsmittelproduktion, die Risiken aufgrund von Schwankungen der globalen Rohstoffpreise und die Gefahr, dass ehemals unabhängige Kleinbauernfamilien zu bloßen Arbeitern auf ihrem eigenen Land werden.