Zehn Gründe, die gegen eine Wiederwahl von Donald Trump sprechen

Hintergrund

Mehr als ein Jahr vor der Wahl ist das Rennen um die amerikanische Präsidentschaft vollkommen offen. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump macht es noch unberechenbarer. Doch es gibt auch unabhängig davon etliches, was gegen eine Wiederwahl von Trump im November 2020 spricht.

WählerInnen im Wahllokal

Der politische Kontext des Amtsenthebungsverfahrens

Washington, DC ist in diesen Wochen im Impeachment-Fieber. Jeden Tag kommen neue Details der Ukraine-Affäre von Donald Trump ans Licht. Gleichzeitig wird sich im Rahmen des Amtsenthebungsverfahrens beweisen, wie stabil die „Checks and Balances“ in den USA noch sind, das Machtgleichgewicht zwischen Exekutive, Legislative und Judikative. Politisch wird das Verfahren zum einen den Wahlkampf beeinflussen. Zum anderen zeigt sich jetzt bereits, in welchem Maße es die Unberechenbarkeit der US-Regierungspolitik weiter verschärfen und damit auch weit über die USA hinaus Folgen haben wird. Denn Donald Trump wird vor dem Hintergrund dieses Verfahrens noch mehr unternehmen, um seine Macht nach innen mit allen Mitteln zu sichern und um die mediale Berichterstattung zu dem Verfahren mit anderen Schlagzeilen zu überlagern.

Es gibt kein historisches Vorbild für dieses Verfahren und daher auch wenige Anhaltspunkte für Vorhersagen, was für einen Verlauf es nehmen und wie es die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr beeinflussen wird. Noch nie stand ein Präsident inmitten des Wahlkampfes vor einem Amtsenthebungsverfahren. Höchst unwahrscheinlich ist jedoch, dass Donald Trump tatsächlich des Amtes enthoben wird, denn dazu bräuchte es die Unterstützung von mindestens 20 republikanischen Senator/innen. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass es der Bevölkerung der Vereinigten Staaten bei den Wahlen im Herbst 2020 überlassen sein wird, über seine Präsidentschaft zu urteilen.

Was für Trumps Wiederwahl spricht

Davon ausgehend gibt es etliche Gründe, die für Trumps Wiederwahl sprechen. Historisch gesehen hat der Amtsinhaber fast immer eine zweite Amtszeit gewonnen. Donald Trumps Zustimmungswerte unter registrierten republikanischen Wähler/innen sind heute höher als noch bei der Wahl 2016, im Gegensatz zu seiner ersten Wahl steht diesmal zudem fast die gesamte republikanische Partei geschlossen hinter ihm. Prominente Kritiker wie Jeff Flake aus Arizona haben der aktiven Politik den Rücken gekehrt, Trumps großer parteiinterner ideologischer Widersacher John McCain ist mittlerweile verstorben. Für Trump spricht auch die Tatsache, dass es an den Demokraten liegt, besser als 2016 abzuschneiden, und zwar vor allem in den wahlentscheidenden Bundesstaaten im Mittleren Westen, in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania. Gerade in diesen Staaten jedoch sind die Wähler/innen überproportional alt, weiß und schlechter ausgebildet, alles Faktoren, die Trump in die Hände spielen.

Zudem wird jede/r demokratische Kandidat/in bis zum Sommer 2020 aufgrund des harten innerparteilichen Vorwahlkampfs ein Stück weit angeschlagen sein und vor der Herausforderung stehen, die Unterstützer/innen der anderen Kandidat/innen für sich zu gewinnen. Trump hat außerdem einen finanziellen Vorsprung und bereits heute eine Rekordsumme an Spenden eingesammelt. Nicht zuletzt kommt Trump die (noch) stabile amerikanische Wirtschaft zugute, die zumindest bei jedem anderen Präsidenten eindeutig für seine Wiederwahl sprechen würde.

Zehn Gründe gegen seine Wiederwahl

Und dennoch gibt es gewichtige Gründe dafür, dass Trump im kommenden Jahr an der Wahlurne scheitern könnte.

  1. Die Zustimmungswerte für Trump sind zwar seit Jahren stabil, aber auf einem extrem niedrigen Niveau von etwa 42 Prozent. Historisch sind die Zustimmungswerte für einen Präsidenten gepaart mit der wirtschaftlichen Entwicklung die wichtigsten Indikatoren für dessen Wiederwahl. 42 Prozent Zustimmung ist ein Wert, der eine Wiederwahl zwar nicht unmöglich, aber äußerst schwierig macht, seit Eisenhower hat kein Kandidat mit solchen Werten gewonnen. Es sind auch keine Entwicklungen abzusehen, die zu signifikant höheren Zustimmungswerten für Trump führen könnten, da er seine Politik weiterhin ausschließlich auf die Mobilisierung der eigenen Basis ausrichtet und keine Versuche unternimmt, neue Wähler/innengruppen zu erschließen.
     
  2. Diese Zustimmungswerte stehen im Kontext der längsten kontinuierlichen Wachstumsperiode der US-Wirtschaft aller Zeiten, geringer Arbeitslosigkeit und steigender Löhne. Doch es gibt erste Anzeichen für ein Abschwächen der US-Konjunktur, unter anderem aufgrund der schwelenden Handelskriege der Trump-Regierung. Dieser Wirtschaftsabschwung ist für die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner noch nicht spürbar, aber falls das bis zur Wahl auf durchschnittliche Haushalte durchschlagen sollte, dürften die Zustimmungswerte des Präsidenten weiter absacken und eine Wiederwahl von Donald Trump in weite Ferne rücken.
     
  3. Die Demokraten haben bei den Zwischenwahlen im Herbst 2018 einen historischen Wahlsieg errungen und auch in den wahlentscheidenden Staaten des Mittleren Westens deutlich hinzugewonnen. Diese Wahlen waren bereits ein erstes Referendum über Donald Trump, das wird im kommenden Jahr erst Recht der Fall sein. Und obwohl Trump es vermochte, Rekordzahlen an republikanischen Wähler/innen bei den Zwischenwahlen zu mobilisieren, schafften es die Demokraten ihrerseits, gerade in entscheidenden Wahlbezirken noch mehr Wähler/innen zu mobilisieren. Wenn die Demokraten an diese Mobilisierung anknüpfen können, dann spricht vieles für sie.
     
  4. Trump bestimmt weiterhin den medialen Diskurs wie wohl kaum ein Präsident vor ihm. Das ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Viele seiner Äußerungen und Politiken der letzten Jahre haben ihm geschadet. Seine Obsession, selbst im Mittelpunkt zu stehen und seine mangelnde Selbstkontrolle und Disziplin bergen gerade in einem engen Wahlkampf das Risiko, Wechselwähler/innen abzuschrecken. Umfragen legen nahe, dass sein Mangel an zivilem Diskurs und seine öffentlichen Ausfälligkeiten besonders auf viele Amerikanerinnen und Amerikaner in den wahlentscheidenden Vororten abstoßend wirken.
     
  5. Die Altersentwicklung der Wählerschaft spricht für die Demokraten. Bei den Wahlen im kommenden Jahr werden die Unter-39-Jährigen mit Abstand die größte potentielle Wählergruppe sein. Alle Umfragen zeigen, dass diese Wähler/innen demographisch diverser sind als der Durchschnitt des Landes und politisch deutlich progressiver. Historisch gesehen ist die Wahlbeteiligung junger Generationen in den USA sehr gering, doch das scheint sich seit 2016 zu ändern. Die starke demokratische Mobilisierung bei den Zwischenwahlen 2018 ist in großem Maße auf die stark wachsende Wahlbeteiligung junger Wähler/innen zurück zu führen. Motiviert durch starke politische Jugendbewegungen gegen Waffengewalt, gegen Klimapolitik und für Gleichberechtigung, könnten sie die Wahl für die Demokraten entscheiden.
     
  6. Einer der wichtigsten gesellschaftspolitischen Trends in den USA ist die wachsende Rolle von Frauen in der amerikanischen Politik. Es sind in erster Linie Frauen, die den Ton des politischen Widerstands in den USA angeben, vom Women‘s March bis zur #metoo-Bewegung. Frauen haben in Rekordzahlen und erfolgreich kandidiert bei den letzten Zwischenwahlen und sind heute die prägenden Gesichter der demokratischen Partei, von Alexandria Ocasio-Cortez über Nancy Pelosi bis zu Elizabeth Warren. Von allen Wahlberechtigten unter 60 Jahren gingen 2018 zudem mehr Frauen zur Wahl als Männer. Gleichzeitig gibt es einen merkbaren Gender-Gap bei der Bewertung von Donald Trump. So gaben bei einer Umfrage im Juni 2019 62 Prozent der befragten Frauen an, im kommenden Jahr auf keinen Fall für Donald Trump stimmen zu wollen.
     
  7. Es ist relativ wahrscheinlich, dass im kommenden Jahr ein/e selbsternannte/r „Außenseiter/in“ für die Demokraten ins Rennen geht. Von den drei derzeitigen Spitzenreitern im Vorwahlkampf gilt dies für Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Seit 40 Jahren hat mit der Ausnahme von George H. W. Bush immer derjenige Kandidat gewonnen, der sich stärker als Außenseiter zu inszenieren vermochte, also als jemand, der eine Distanz zur Washingtoner Politikelite gewahrt hat, sei es politisch, sei es biographisch. In Zeiten des wachsenden Ansehensverlusts für die demokratischen Institutionen in den USA ist ein solcher Anti-Washington-Diskurs zwar problematisch mit Blick auf die demokratische Stabilität der USA, könnte die Chancen bei den kommenden Wahlen jedoch erhöhen.
     
  8. Wer immer für die Demokraten ins Rennen geht, es wird nicht Hillary Clinton sein. Keiner der aktuellen Spitzenreiter der Demokraten hat so negative Beliebtheitswerte in der Bevölkerung wie Hillary Clinton 2016, als eine Mehrheit der US-Amerikaner/innen sie negativ beurteilte. In aktuellen Umfragen, einschließlich von Fox News, liegen alle drei Spitzenreiter der Demokraten vor Donald Trump in landesweiten Umfragen. Solche Umfragen sind zum jetzigen Zeitpunkt zwar nur bedingt aussagekräftig und berücksichtigen auch nicht die Situation in den entscheidenden Bundesstaaten, aber es ist für die Demokraten definitiv von Vorteil, unbelastet von der Clinton-Historie in den Wahlkampf zu gehen.
     
  9. 2016 gingen die meisten potentiellen Wähler/innen der Demokraten davon aus, dass Hillary Clinton die Wahl ohnehin gewinnen würde. Bei vielen überwogen daher emotionale Wahlentscheidungen taktische Überlegungen. Etliche progressive Wähler/innen gingen gar nicht zur Wahl, vor allem enttäuschte Anhänger/innen von Bernie Sanders. Andere votierten für Jill Stein, die Kandidatin der grünen Partei. In Zeiten des Trumpismus und der weiter gewachsenen politischen Polarisierung des Landes dürfte das 2020 anders aussehen. Den meisten progressiven Wähler/innen ist klar, dass es bei dieser Wahl auf jede Stimme ankommt, dass diese Wahl alles andere als ein Selbstläufer sein wird. Das dürfte die Mobilisierung auf beiden Seiten nach oben treiben und es für dritte Parteien oder unabhängige Kandidat/innen deutlich schwieriger machen, Fuß zu fassen.
     
  10. In vielen politischen Fragen sind die Demokraten näher an den politischen Präferenzen einer Mehrheit der Bevölkerung dran als die Republikaner, von einer bezahlbaren Gesundheitsversorgung für alle Bürger/innen über schärfere Waffengesetze bis zu reproduktiven Rechten für Frauen. Sollten sie in gesellschaftspolitisch umkämpften Politikbereichen ihrerseits kontroverse Vorschläge machen, wie eine radikale Reform der Einwanderungspolitik, dann könnte ihnen das schaden. Aber grundsätzlich sind die Demokraten derzeit näher am Puls der sich verändernden gesellschaftspolitischen Einstellungen in den USA als die Republikaner.

In der aktuellen amerikanischen Politik ist ein Jahr eine halbe Ewigkeit, und viel wird sich im kommenden Jahr noch politisch bewegen. Aber fest steht, dass es gute Gründe gibt, davon auszugehen, dass Trumps Wiederwahl auf der Kippe steht. Ob Donald Trump eine Niederlage an der Wahlurne akzeptieren würde, das ist eine andere Frage.