Oliver Lorenz, Westfälische Wilhelms-Universität - Münster

Kontinuitäten und Brüche extrem rechter Geschichtspolitiken in der Bundesrepublik Deutschland - Erinnerung als Hypothek und Ressource

Extrem rechte Parteien sind eine häufig ausgeblendete Konstante der bundesrepublikanischen Geschichte. Die Arbeit wird danach fragen, mithilfe welcher Narrative nach den beispiellosen Verbrechen des Nationalsozialismus ein potentiell an ihn anknüpfendes Geschichtsbild aufrechterhalten werden konnte und mithilfe welcher Narrative die Verbrechen der NS-Diktatur im Geschichtsbild extrem rechter Akteure legitimiert, bagatellisiert und geleugnet oder eine Abgrenzung zum historischen Nationalsozialismus gesucht wurde. Die Geschichte des Nationalsozialismus ist für den Rechtsextremismus Hypothek und Ressource zugleich: Während der positive Bezug auf den Nationalsozialismus nach innen identitätsstiftend wirkt, schreckt er weite Teile der politischen Öffentlichkeit ab. Der geschichtspolitische Umgang mit dem Nationalsozialismus ist auch innerhalb des extrem rechten Spektrums Gegenstand politischer, strategischer und generationeller Auseinandersetzungen. Existiert hinter den Brüchen und Wandlungen rechtsextremer Narrative ein Geschichtsbild, das der rechtsextremen Ideologie und Weltsicht als Basisnarrativ zugrunde liegt? Darüber hinaus ist auch die Reichweite extrem rechter Geschichtspolitik von Interesse: Welche Relevanz haben rechtsextreme Narrative für die politische "Mitte"? Gibt es Überschneidungen mit einer Gesellschaft, die nach 1945 die nationalsozialistischen Funktionseliten integrierte und einen Schlussstrich ziehen wollte, zugleich aber rechtsextreme Parteien an den politischen Rand drängte und damit das Fortleben von Rassismus, Autoritarismus und Revisionismus in der postnazistischen Gesellschaft über das Konzept des Rechtsextremismus externalisierte? Wie ändert sich dieses Verhältnis, wenn spätestens ab den 80er Jahren eine kritische Form der Erinnerung für die Öffentlichkeit der BRD identitätsstiftend wird?