Brexit in politischen Cartoons: Es ist zum Lachen

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Das Dauerthema Brexit dominiert die Agenda im Vereinigten Königreich. Auch die britischen Cartoons sind dadurch politisch geworden wie nie zuvor.

Brexit-Cartoon

Für den britischen Cartoonisten Kipper Williams ist Boris Johnson ein Geschenk. Sein Aussehen sei für ihn das eines dümmlichen, tollpatschigen Clowns, aber hinter dieser Fassade befindet sich ein Machtmensch mit machiavellistischen, teuflischen Zügen: „Anstatt des Bildes eines öden, langweiligen Politikers hat Boris Johnson einen Persönlichkeitskult um sich erschaffen. Boris Johnson lügt und beschönigt Inhalte mit einer derartigen Überzeugung, dass ihn Gegenattacken gar nicht erst zu berühren scheinen“, sagt der 67-Jährige. „Das wäre bei Theresa May so nicht möglich gewesen. Könntest du dir vorstellen, wie Theresa May, die Pfarrerstochter, offen Lügen verbreitet und gleichzeitig Selfies mit den Bürgern macht? Da hilft auch nicht, dass Boris Johnson sich inzwischen die Haare geschnitten hat."

Seit dem Brexit-Referendum hat sich laut Kipper Williams in der britischen Cartoon-Szene vieles verändert. Früher waren Cartoons oft unpolitisch und wurden dann politisch, wenn der Staat kurz vor Wahlen stand und sich in einem unmittelbaren politischen Wettkampf befand. Doch seit 2016 dominiert der Brexit auch die Agenda der Cartoonist/innen. Zum einen sei ein großes Interesse in der britischen Bevölkerung zum Thema Brexit zu spüren – und ein Bedürfnis, auch einmal über den Brexit zu lachen. Zum anderen sei es fast unmöglich, nicht über den Brexit zu zeichnen. Denn dessen Auswirkungen sind bereits jetzt in jedem Winkel des Alltags zu spüren.

Cartoon über Brexit
"Ich erinnere mich noch als es hier weiße Klippen gab!" - Brexit-Cartoon von Kipper Williams.

Eine Botschaft von Cartoonist/innen erfolge eher über einen Seitenweg, erklärt Williams im Interview. Denn Cartoons dienten nicht in erster Linie zur Information, sondern zum Wegwerfen und als Produkte, die einfach und direkt, lustig und auflockernd wirken sollen. In einem Cartoon könne er mehr als 1000 Worte sagen – und die Aufmerksamkeit des Publikums für mehr als einen bloßen Gedanken gewinnen. Politische Satire ließ sich im Vereinigten Königreich schon immer gut mit dem trockenen, britischen Humor vereinen.

Als „klassischer Cartoonist“ würde sich Williams bezeichnen. Nicht außerordentlich politisch - doch seit dem Referendum ist der Brexit bei den britischen Cartoonist/innen Alltag in den täglichen Skizzen. Heute zeichnet er u.a. für die politischen satirischen Magazine The Private Eye, The Spectator, sowie die Tageszeitungen Guardian und Evening Standard. Noch vor dem Referendum im Jahr 2016 hatte Williams sich in seinen Cartoons über die Bürokratie in Brüssel und die „Eurokraten“ lustig gemacht. Sogar ein ganzes Buch „In or Out? Europe in Cartoons“ hatte er dem politischen Humor der EU gewidmet. Jetzt bleibt ihm sein eigener Witz im Hals stecken.

Politische Cartoons im Zeichen des Populismus

Generell hat der Trend zum Populismus eine Veränderung der politischen Persönlichkeiten – allen voran Donald Trump und Boris Johnson – sowie der politischen Rhetorik und Psychologie hervorgebracht, die sich heute in den Cartoons widerspiegelt.

Das Duo Boris Johnson und Donald Trump etwa stellt ein ausdrucksstarkes Bild dar: Der US-amerikanische Präsident und der britische Premierminister als zwei weiße, blonde Männer, Partner „in Crime“ auf der UN Vollversammlung, die die Justiz belächeln, das Parlament als „Elite“ und Blockade gegen das Volk sehen und ihre Exekutive neu interpretieren. Beide haben nun mit der Justiz zu kämpfen, seit die von Johnson angeordnete Zwangspause des britischen Parlaments für rechtswidrig erklärt wurde und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump eingeleitet wurde.

Brexit-Cartoon mit zwei Marsmenschen
"Wir leben sehr gut ohne die Europäische Union" - Brexit-Cartoon von Kipper Williams.

Darüber hinaus spielen beide Politiker mit einer verbildlichten und gewalttätigen Rhetorik. Donald Trump etwa malt das Bild einer Mauer gegen die vermeintlich „bösen“ und „kriminellen“ Immigrant/innen, die von Mexiko in die USA drängen würden. In ähnlicher Weise sagt Boris Johnson, er würde lieber „tot im Graben liegen“ als eine Fristverlängerung bei der EU zu beantragen, bezeichnet Burkaträgerinnen als „Bankräuber“ und nennt das Brexit-Abkommen eine „Kapitulation“ (Surrender Act). Erst Ende September 2019 beschuldigten Politikerinnen des britischen Unterhauses Boris Johnson für seine „gefährliche und hetzerische“ Sprache, die die Gewalt in ihrem Land anheizen würde – insbesondere nach dem tödlichen Attentat auf die Politikerin Jo Cox 2016. Diese Rhetorik und Sprache, beispielsweise in Bezug auf die Mauer, den Graben oder die „Kapitulation“, wird auch in Cartoons aufgegriffen.

Immerhin sind die Cartoonist/innen im Vereinigten Königreich laut Williams bis jetzt noch keinen Einschränkungen und Gefahren ausgesetzt – im Vergleich zu ihren Zeichen-Kolleg/innen der New York Times, deren tägliche Kolumne erst kürzlich gestrichen wurde, oder der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Frankreich, deren Zeichner/innen 2015 Opfer eines terroristischen Anschlags wurden. Und die größte Herausforderung bleibt: das Geld. Denn am Ende müssen auch diejenigen, die heute über den Brexit (noch) lachen, morgen ihren Lebensunterhalt damit verdienen.