Dringend gesucht: ein US-Stimuluspaket, in dem nicht nur die Geldscheine grün sind

Hintergrund

Zahlreiche progressive Vorschläge für ein Green (New Deal) Recovery haben frühestens nach November Chancen zur Umsetzung.

Proteste gegen Öl

In der Coronavirus-Pandemie halten die Vereinigten Staaten derzeit einen doppelten Rekord: mit rund 125,000 Toten und nahezu 2,5 Millionen Infizierten im späten Juni sind sie trauriger globaler Spitzenreiter in der globalen Infektionsrangliste. Gleichzeitig hat Washington mit massiven 3 Billionen US Dollar (USD) oder rund 12 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts das bislang weltweit größte Hilfs- und Förderungspaket zur Stabilisierung einer US-Wirtschaft im freien Fall mit mittlerweile über 21 Millionen Arbeitslosen geschnürt – und weitere Finanzspritzen werden erwartet.  Das ist sowohl Riesenchance wie Riesenrisiko: wieviel dieser Gelder in welche amerikanischen Wirtschaftssektoren gepumpt werden, hat Auswirkungen darauf, wie sozial gerecht, inklusiv, umwelt- und klimaverträglich die US-Wirtschaft der Zukunft aussehen wird – und damit auch ernsthafte Konsequenzen für die Fähigkeit der globalen Staatengemeinschaft, nach der Corona-Pandemie die Weichen zu einem Weltwirtschaftsaufschwung zu stellen, der im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens und der Realität der globalen Klimakrise ist. 

An Vorschlägen mangelt es nicht

An Paris-kompatiblen ambitionierten Denkansätzen für solch eine grüne und gerechte Starthilfe zu building back better mangelt es in den USA derzeit nicht. Im Gegenteil, zahlreiche Vorschläge aus dem progressiven und demokratischen Umfeld sind ambitioniert, umfassend und detailliert – und in der gegenwärtigen Umsetzung weitestgehend ignoriert. Ihre Chance zu einer gesetzlichen Verankerung eines Green New Deal Recovery mit zusätzlichen Mitteln wird sich bestenfalls nach den Wahlen im November ergeben.

Schon im Vorfeld der Diskussion um den 2,2 Milliarden USD CARES Act (Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security Act), der Ende März als wichtigster Baustein des Krisenpakets in Kraft trat, hatten mehr als 1000 US zivilgesellschaftliche Gruppen und Individuen einen “People’s Bailout” gefordert. Ihr Forderungskatalog basierte auf fünf Grundprinzipien, nämlich die Direktunterstützung für betroffene Menschen, nicht Unternehmensleitungen, den Schutz der demokratischen Teilhabe und den Ausbau eines engmaschigen Sozial- und Gesundheitsvorsorgenetz sowie prominent den Anschub eines Strukurwandel hin zu einer “regenerativen Wirtschaft”, die systemische soziale Ungerechtigkeiten und Diskriminierung gegen farbige Gemeinschaften in den USA und Klimawandel zusammen addressiert.  Der CARES Act war in vieler Hinsicht eine Enttäuschung dieser HoffnungenAmerikanische Umwelt- und Klimaschützer hatten bereits im Vorlauf der Verabschiedung des CARES Act gewarnt, dass das einzige Grüne im wichtigsten Teil des amerikanischen Krisenhilfspaket die Farbe der amerikanischen Dollar-Geldscheine sei. Wie sie sehen auch internationale Beobachter mit zunehmender Besorgnis, dass von allen Industrieländern mit Stimuluspaketen die massiven Finanzhilfen zur COVID-19-Krisenbewältigung in den USA derzeit die mit Abstand größte Gefahr bergen, mit bis zu 479 Milliarden USD direkt umwelt- und klimaschädliche Sektoren zu fördern.

Immer weniger Umweltschutz

Das ist sowohl eine Folge des existierenden Politikmixes in den USA, der mehr zu einem braunen Wiederaufbau drängt, als auch eine Konsequenz aus spezifischen Maßnahmen des Krisenpaketes, wie zum Beispiel den 60 Milliarden USD an Direkthilfe für zehn amerikanische Fluggesellschaften, die an keine grünen Konditionalitäten geknüpft wurde. Gleichzeitig hat die Trump-Regierung die Gunst der Corona-Pandemie genutzt, um ihren seit drei Amtsjahren andauernden Rückbau von Umweltschutzregelungen weiter zu intensivieren und die Überwachung ihrer Einhaltung durch die US-Umweltschutzbehörde EPA zeitlich unbefristet massiv zurückzufahren. Mitte Mai hat eine Exekutivverfügung Trumps Regierungsstellen außerdem explizit angewiesen, Umweltverschmutzer von allen Vorschriften zu befreien, die die Wirtschaftserholung des Landes hemmen könnten.

Tatsächlich haben erste Analysen von US-Umweltgruppen ergeben, dass sich die amerikanische Öl-, Gas- und Bergbauindustrie als klare Gewinner des CARES Act fühlen können. So profitieren zum Bespiel US-Ölfirmen wie Exxon Mobil, Chevron, Conoco und die US Fracking-Industrie, die bereits vor der Coronaviruskrise aufgrund sinkender Öl- und Gaspreise tief in den roten Zahlen steckten, von einem Aufkaufprogramm der amerikanischen Bundesbank mit 75 Milliarden USD Direktfinanzstütze für hochverschuldete US-Unternehmen. Bis zu 20 Milliarden USD könnten die großen Drei in Direktzahlungen nach Schätzungen bekommen. Tausende kleinerer amerikanischer Öl- und Gasförderunternehmen haben bereits Milliarden an Unterstützung erhalten. Von den rund 600 Milliarden USD an Steuererleichterungen im CARES Act könnten rund 100 Millarden USD Unternehmen im fossilen Brennstoffsektor zugute kommen.

Gleichzeitig reduziert das US-Innenministerium die Zahlung von Lizenzgebühren für Öl- und Gasförderung in öffentlichen Gebieten und Gewässern. Letzteres ist ein doppelter Schlag für die von solchen Einkommen abhängigen US-Bundesstaaten an der Golfküste und an der Westküste, die sich mit wachsenden Coronavirus-Infektionen und strapazierten Sozial- und Gesundheitssystemen konfrontiert sehen.

Ende April verlangten über 330 Organisationen aus den amerikanischen Umwelt- und Sozialgerechtigkeitsbewegungen in einem Brief an den US-Kongress, die Öl- und Gasindustrie von den Stimuluszahlungen auszuschliessen. Zum Beispiel hatte die Trump-Administration vorgeschlagen, bis zu 3 Milliarden USD unter dem CARES Act zur Öl-Preisstützung für amerikanische Förderer durch eine Auffüllung der Strategischen Ölreserve bereitzustellen. Ein demokratischer Gesetzentwurf, der ReWind Act (Resources for Workforce Investments, Not Drilling Act), der von Unterstützern eines Green New Deal, darunter die Senatoren Sanders, Merkley und Markey, eingebracht wurde, greift diese Forderungen zwar auf.

In einem weiteren 3 Billionen USD Wirtschaftsförderungsplan, den das demokratisch geführte Repräsentantenhaus Mitte Mai verabschiedete, dem sogenannten HEROES Act (Health and Economic Recovery Omnibus Emergency Solutions Act), wurde diese Initiative allerdings nicht integriert. Auch wenn der HEROES Act wenig Chancen hat, im republikanisch dominierten Senat Unterstützung zu finden, zeigten sich eine Reihe von Umweltschutzgruppen doch besorgt, dass der Gesetzentwurf eine wichtige Chance verpaßt hat, mutige Zeichen für einen Green New Deal Recovery zu setzen, so zum Bespiel zur Unterstützung von 600,000 Jobs in erneuerbaren Energien, die durch die Coronaviruskrise in den USA gefährdet sind.

Amerikaner*innen wollen mehr Umweltschutz

Das ist umso bedauerlicher – obwohl aufgrund der derzeitigen politischen Machtkonstellation in Washington nicht verwunderlich – weil es bereits eine Reihe wichtiger, detailliert ausgearbeiteter Blaupausen aus der progressiven US-Zivilgesellschaft und dem demokratischen Parteienspektrum gibt, wie eine sozialgerechte und systemischen Rassismus bekämpfende Begrünung der amerikanischen Wirtschaftserholung und des langfristigen Strukturwandels Post-Coronavirus umgesetzt werden kann. Laut einigen Umfragen befürwortet eine Mehrheit der US-Amerikaner*innen, erstaunlicherweise quer durchs politische Spektrum, vielfältige Elemente eines grünen Stimulus wie öffentliche Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien, Elektromobilität, Smart-Grid-Technologie, oder die energieeffiziente Nachrüstung von Gebäuden. Selbst Vorschläge wie das erstmals vom progressiven Gouverneur Jay Inslee aus Washington vorgeschlagene Klimaschutzkorps (Climate Conservation Corps) finden bei einer Mehrheit von befragten republikanischen Wählern Zustimmung – allerdings nur, wenn sich die Befragungen auf konkrete Bausteine einer grünen Industriepolitik beschränken und ein Hinweis auf den parteipolitisch belasteten Begriff eines Green New Deals vermieden wird.

Solche Umfrageergebnisse sind auch einer der Gründe, warum zum Beispiel ein fast zeitgleich mit dem CARES Act veröffentlichter grüner Wiederaufbauplan der demokratischen Parteilinken, der Vorschläge aus den Wahlkampfprogrammen der progressiven demokratischen Präsidentschaftskandidat*innen Sanders, Warren und Inslee aufnimmt, sich Green Stimulus to Rebuild our Economy nennt, und jede Anspielung auf den Green New Deal als Geisteskind vermeidet. Der Aktionsaufruf und Umsetzungsplan, der die Prinzipien des People’s Bailout weiter konkretisiert und von wichtigen Stimmen im amerikanischen progressiven Umfeld wie dem 350.org-Mitbegründer Bill McGibben oder der Autorin und Aktivistin Naomi Klein unterstützt wird, schlägt ein 2 Billionen USD Stimuluspacket vor, dass automatisch jährlich zu 4 Prozent des amerikanischen Bruttosozialproduktes (also rund 850 Milliarden USD) erneuert werden soll, „bis die Wirtschaft völlig dekarbonisiert ist und die Arbeitslosenquote bei 3.5 Prozent liegt.“ Der Plan sieht unter anderem die Schaffung von Millionen neuer gutbezahlter grüner Jobs vor, zum Beispiel um lokale Agrarsysteme wiederaufzubauen, sowie massive Investitionen in gegenwärtig am stärksten von Umweltzerstörung, Rassismus und Benachteiligung betroffenen frontline communities of color.

Die Dekarbonisierung im Einklang mit dem Pariser Klimaziel soll durch die völlige Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe, einen schnellen Abschied von Öl- und Gasförderung, inklusive Fracking, bei gleichzeitigem Schutz der Lebensgrundlagen von Arbeitnehmern dieser Branche, durch die Schaffung einer neuen Grünen Investitionsbank mit 100 Milliarden USD Startkapital, die Reform von Agrarsubventionen hin zu regenerativer Landwirtschaft und Rückkehr zu familiären Landwirtschaftsbetrieben und die Bildung eines Zivilen Naturschutzkorps zur Renaturierung von Wäldern und Feuchtgebieten erreicht werden.

Der Green Stimulus Vorschlag beinhaltet auch Elemente einer grünen amerikanischen Außenpolitik – im Gegensatz zum CARES Act, der weniger als 0,1 Prozent der verabschiedeten Mittel für internationale Unterstützung bereit stellt, und dem HEROES Act, der überhaupt keine internationalen Solidaritätstransfers vorsieht. So übernimmt der Plan zum Beispiel den Vorschlag aus dem Wahlkampfprogramm von Bernie Sanders, die US-Beteiligung an dem für die Implementierung des Pariser Klimaabkommens wichtigen multilateralen Grünen Klimafonds entsprechend dem gerechten Anteil der USA an der historischen Klimaverschmutzung auf bis zu 200 Milliarden USD zu erhöhen, die durch eine Kohlenstoffbeschmutzersteuer finanziert werden könnten.

Ein weiterer detaillierter Vorschlag, der Plan for a Clean Jumpstart to Rebuild America’s Economy vom Mai 2020, wurde unter Mitwirkung einer neuen progressiven Gruppierung, Evergreen, ausgearbeitet, die von ehemaligen Mitarbeitern der Präsidentschaftskamagne des wohl klimafokusiertesten aller demokratischen Kandidat*innen, Washington Governor Inslee, gegründet wurde.  Er baut den sogenannten Evergreen Action Plan weiter aus, den Inslee und Warren Kampagnen-Mitarbeiter auf der Basis der ursprünglichen Climate Mission Agenda von Jay Inslee geschrieben haben. Wie die Klimaagenda des vormaligen Präsidentschaftskandidaten Inslee, die als Goldstandard für das demokratische Vorwahlkampffeld galt, soll der Evergreen Action Plan, der dem Kampagnenteam des designierten demokratischen Präsidentschaftskanditation Joe Biden bereits vorliegt, dazu dienen, Klimaschutzambitionen in der demokratischen Wahlplattform für die Zeit nach der Coronavirus-Pandemie mit einem deutlichen Linksruck zu beeinflussen. Der Evergreen Action Plan geht mit einigen Vorschlägen deutlich weiter als die Inslee-Vorlage, zum Beispiel mit der Empfehlung, im Weißen Haus eine Stabstelle für Klimamobilisierung einzurichten, oder mit der Integrierung der auf die Gesundhaltung der Meere bedachten Vorschläge für einen Blue New Deal von Senatorin Elizabeth Warren.

Auf den Evergreen Action Plan aufbauend, konzentriert sich das neuere 1,5 Billionen USD Stimulierungspaket des Plan for a Clean Jumpstart, das im Mai vorgestellt wurde, auf umfangreiche Investitionen in den Bereichen Saubere Energien und grüne Infrastrukturmaßnahmen, die theoretisch in bereits existierenden föderalen Programmen und Initiativen auf Bundesstaatenebene rasch umgesetzt werden könnten. So sehen zum Beispiel elf aufgeführte Politikrichtlinien mit Maßnahmen in Höhe von 320 Milliarden USD die Unterstützung von lokalen öffentlichen Verkehrssystemen, verbesserten Zugang der Bundesstaaten zu staatlichen Energielohnprogrammen, die Wetterfestmachung von Wohnungen für einkommensschwache Haushalte oder einen einmaligen Buyout für von der Förderung oder Verarbeitung von fossilen Brennstoffen abhängigen Gemeinden vor. Als Teil von über 1,2 Billionen USD grünen Investitionen auf Bundesebene beabsichtigt der Plan den Aufbau einer Bank für Saubere Infrastrukturinvestitionen, die Ausweitung von grünen Kreditprogrammen für kleine und mittlere Unternehmen, den Ausbau von Steuererleichterung für Elektrofahrzeuge, das grossflächige Aufräumen industrieller Umweltverschmutzung (superfund) oder einen GI Bill of Rights für Arbeiter in der Energiebranche vor.

Trump bremst den Stimulus

Dass mit der Trump-Regierung und dem republikanisch-dominierten Senat kein großer grüner Stimulus-Wurf in den USA gelingen kann, ist Teil des politischen Kalküls eines weiteren Paketentwurfes, der derzeit erst in Rohform vorliegt und noch nicht öffentlich zugänglich ist. Der Economic Recovery Plan des Green New Deal Network, in dem die wichtigen amerikanischen Basisorganisationen zu Umwelt- und Fragen sozialer Gerechtigkeit wie das US Climate Action Network, MoveOn.org, der Sierra Club, Greenpeace, indigene Netzwerke, einige Gewerkschaftsgruppen und das Sunrise Movement zusammengeschlossen sind, um die intersektionellen Herausforderungen des Klimawandels, ökonomischer Ungleichheiten und des systemischen Rassismus in den USA zusammenzudenken, ist noch in Arbeit. Er soll im Laufe des Sommers mit einer großen Kommunikations- und Wahlkampfkampagne vorgestellt werden, um breite öffentliche Zustimmung für seine Zielsetzungen zu erreichen, und damit den Druck auf einem neuen Kongress ab Januar 2021 und die nächste US-Regierung unter einem erhofften Präsident Joe Biden für die Umsetzung des Plans zu schaffen.

Der Plan zielt auf den Wiederaufbau der amerikanischen Wirtschaft durch eine grüne Industriepolitik mit dem Ziel der Schaffung von Vollbeschäftigung mit Hilfe neuer Institutionen auf Bundesebene wie eine Nationale Beschäftigungsbehörde und eine Resilienz- und Wirtschaftsentwicklungsfinanzagentur. Die konkreten Vorschläge für den Stimulus basieren auf einer Reihe von Sektor-übergreifenden progressiven Standards zum Schutz von Arbeitnehmern, zur Revidierung systemischer Ungerechtigkeiten inklusive Reinvestitionen in vernachlässigte und politisch marginalisierte Gemeinschaften und für Nachhaltigkeit, mit der Wiederstellung von Klima- und Umweltintegrität als Herzstück des Wirtschaftsplans.

Zwar ist in einigen dieser progressiven Stimuluspläne, vor allem den von Basisorganisationen, ein feministischer Blickwinkel für den grünen Wiederaufbau Amerikas zumindest in Ansätzen integriert, ein stärkerer Fokus wäre aber insgesamt wünschenswert, zumal auch in den USA die Auswirkungen der Pandemie Frauen, vor allem farbige Frauen, überproportional hart getroffen haben. Dabei gilt es von den gender-differenzierten Erfahrungen des US-Stimulus nach der Finanzkrise und Rezession von 2008 zu lernen, gerade auch bei der Schaffung von neuen (grünen) Arbeitsplätzen. An Ideen und Anregungen feministischer Gruppierungen und Expert*innen in den USA, die bereits vor der Pandemie Schlüsselkriterieren für einen Feminist Green New Deal formuliert haben, fehlt es dabei nicht.

Sie sehen unter anderem den Strukturwandel hin zu einer regenerativen, nachhaltigen, kooperativen Wirtschaft vor, in der Pflegearbeit, der Schutz indigener Rechte und Traditionen, und die Niederschlagung patriarchaler Macht- und Ausbeutungsstrukturen zentral sind. Und im Gegensatz zu den meisten fast ausschließlich national fokussierten grünen Wiederaufbauplänen fordert die feministische Agenda für einen Green New Deal auch internationale Reparationen und Schadenswiedergutmachung für die Umweltzertstörung amerikanischer Wirtschafts- und Finanzpolitik ein. Wie eine solche feministische Umsetzung konkret aussehen könnte, zeigt ein detailliert ausgearbeiteter Vorschlag für eine feministisches grünes Stimulus-Paket für den US-Bundesstaat Hawaii.

Hoffnung?

Selbst wenn der Demokrat Joe Biden Anfang November die US-Präsidentschaftswahl gewinnen und eine demokratische Kongressmehrheit erzielt werden sollte, wird wohl keiner dieser progressiven grünen Wiederaufbaupläne in Gänze umgesetzt werden. Zusammen bieten sie aber eine reichhaltige Ideenbörse mit konkreten Vorschlägen, die vom Essentiellen zum Visionären reichen. Schon jetzt ist klar, dass Joe Biden als demokratischer Präsidentschaftskandidat mit einer demokratischen Wahlplattform in die letzten Wahlkampfmonate ziehen wird, für die eine klima- und sozialgerechte und Paris-kompatible Begrünung des US-Wiederaufbaus ein absolutes Muß ist.

Dass dazu Vorschläge eines progressiven Green New Deals stärker als von Biden zu Kampagnenbeginn geplant integriert werden, liegt zum einen an der Notwendigkeit, nach dem Rückzug von Bernie Sanders und Elizabeth Warren vom demokratischen Vorwahlkampf die linke Parteiflanke der Demokraten und ihre zumeist jüngeren Anhänger einzubinden und Anfang November zum Gang zur Wahlurne zu bewegen. Bereits seit Mitte Mai feilt ein gemeinsames Biden-Sanders Team mit prominenten Demokraten in sechs thematischen Arbeitsgruppen an der Erarbeitung einer demokratischen Einheitsplattform, um die Unterschiede zwischen dem progressiven und zentristischen Flügeln der Demokraten zu überbrücken. Als Vertreterin der Sanders-Kampagne leitet die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez dabei zusammen mit dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry die Arbeitsgruppe zu Klimapolitik des Biden-Sanders Teams. Selbst skeptische Beobachter*innen dieser Bemühungen, zum Beispiel aus dem Sunrise Movement, zeigen sich nach den ersten Gesprächen und Treffen optimistisch, ein Hinweis darauf, dass die Biden-Kampagne ihr Versprechen einzuhalten versucht, Bidens ursprünglichen Klimaplan mit Bausteinen aus progressiveren Vorschlägen signifikant zu verstärken. 

Das kann für Biden in den letzten Monaten vor der November-Wahl nur von Vorteil sein. Letztlich trifft solch ein „Linksruck“ der Biden-Kampagne in Sachen Klima- und grüne Wiederaufbaupläne auch den Zeitgeist der durch die Corona-Pandemie, Massenarbeitslosigkeit und die Protestbewegung gegen systemische Ungleichheiten und Rassismus aufgerüttelten amerikanischen Wahlbevölkerung. Mehrere Meinungsumfragen der letzten Wochen zeigen nicht nur einen deutlichen Vorsprung für Joe Biden im Präsidentschaftsduell mit Donald Trump, sondern bestätigen auch, dass eine solide Mehrheit der Amerikaner*innen den Vorschlag eines Green New Deals unterstützt und eine Beteiligung der USA in der Umsetzung des Pariser Klimaabkommen wünscht.