Neue Seidenstraßen – neue Risiken

Chinas ehrgeiziges Projekt hat in einigen Fällen verheerende Folgen für die Artenvielfalt unseres Planeten. Selbst aus­gewiesene Gebiete der biologischen Vielfalt (GSBA) sowie Vogelschutz- und Biodiversitätsgebiete (IBA) werden von den Infrastruktur- und Rohstoffindustrieprojekten des Landes nicht verschont.

Die 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP 15) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) wird jetzt erst 2021 im chinesischen Kunming stattfinden. Das offizielle Thema «Ökologische Zivilisation: für eine gemeinsame Zukunft für alles Leben auf Erden» spiegelt zwei Schlagwörter von ­Chinas ehrgeizigem internationalen Entwicklungsplan der Belt and Road Initiative (BRI) ­wider: die «ökologische Zivilisation» und eine «gemeinsame Zukunft der Menschheit».

Im Jahr 2017 veröffentlichte die chinesische Regierung ein Grundsatzdokument mit Leitlinien zu einer grünen «Belt and Road». Darin unterstrich sie die Notwendigkeit, «die Philosophie einer ökologischen Zivilisation zu teilen und ­nachhaltige Entwicklung zu erreichen». In der Folge wurden zahlreiche weitere Richtlinien zur Schaffung einer «grünen und sauberen» BRI herausgegeben. Dennoch verfolgte China seine Investitionen im Ausland und die Kreditvergaben an Projekte, die Auswirkungen auf die Umwelt und die biologische Vielfalt hatten, ungebremst weiter. Problematisch ist dabei unter anderem, dass erstens das chinesische Umweltministerium im behördlichen Registrierungs- und Überprüfungsverfahren kein offizielles Mandat zur Prüfung von Auslandsinvestitionen hat. Zweitens gilt das chinesische Gesetz zur Prüfung der Umweltverträglichkeit nur für Vorhaben innerhalb Chinas. Und drittens können chinesische Unternehmen für ihr Verhalten außerhalb Chinas gesetzlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Viele Projekte mit erheblichen ökolo­gischen und biologischen Auswirkungen, vom kenianischen Eisenbahnprojekt über die geplante Amazonas-­Wasserstraße in Peru bis hin zu den Kohleprojekten Sengwa in Simbabwe und im mongolischen Baganuur haben eines gemeinsam: Investoren beziehungsweise Auftragnehmer sind jeweils chinesische Banken und Unternehmen. Zwei Beispiele verdeutlichen, wie sich Chinas BRI und die damit einhergehenden internationalen Investitionen in Infrastruktur- und Rohstoffindustrieprojekte auf die biologische Vielfalt auswirken:

Der Atewa Range Forest in Ghana ­wurde 1926 angelegt und ist seither als weltweit bedeutendes Gebiet der biologischen Vielfalt (GSBA) und als wichtiges Vogelschutz- und Biodiversitätsgebiet (IBA) ausgewiesen. Der Atewa Range Forest ist nicht nur eine wichtige Wasserquelle für die Bevölkerung vor Ort und in Accra, sondern auch Heimat vieler endemischer und seltener Arten, darunter mehrere Schmetterlinge und die vom Aussterben bedrohte Froschart Conraua derooi.

Eine Umweltorganisation in Ghana klagt: «Recht auf unversehrte Umwelt verletzt»

Im Jahr 2018 schloss die ghanaische Regie­rung einen «Infrastruktur gegen natürliche Ressourcen»-Vertrag über 2 Milliarden ­US-Dollar mit der Sinohydro ­Corporation Ltd., einer Tochtergesellschaft eines der größten chinesischen Staatsunternehmen, Power China. Im Rahmen der Vereinbarung wird Sinohydro Infrastrukturprojekte entwickeln, darunter Straßen, ­Brücken, Kranken­häuser, Wohnhäuser und der Ausbau des Stromnetzes in ländlichen ­Gegenden. Die ghanaische Regierung wird die Kosten dafür mit raffiniertem Bauxit (Aluminium oder Tonerde) ausgleichen. Im ­Dezember 2019 begann ­Sinohydro mit dem Bau der ersten vier Infra­strukturprojekte. Im Juli 2020 unterzeichnete ­Sinoyhdro einen Darlehensvertrag mit der China ­Construction Bank für die zweite Einheit von sechs Infrastrukturprojekten in Ghana.

Ebenfalls im Juli 2020 reichte die Umweltorganisation A Rocha Ghana zusammen mit sechs weiteren NGOs und einzelnen Privatpersonen eine Klage beim Obersten Gerichtshof in Accra ein. Die Kläger werfen ihrer Regierung vor, mit der Genehmigung des Bauxitabbaus im Atewa Range Forest habe der ghanaische Staat das Recht der Bürger*innen auf eine saubere und unversehrte Umwelt sowie auf Umweltschutz zum Wohle heutiger und künftiger Generationen verletzt.

Die Gemeinden leiden: «Starke Staubbelastung, verschmutztes Grundwasser»

Das zweite Beispiel: Der Simandou-Wald im Südosten Guineas, das als Nachbarland Ghanas zwei Drittel der weltweiten Bauxitreserven besitzt. Das chinesische Unternehmen Shandong Weiqiao Group ist der weltgrößte Aluminiumhersteller und gründete 2014 das SMB Winning Consortium (SMB) in Boké, Guinea. Im Jahr 2017 unterzeichneten Chinas Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und die Regierung Guineas ein Rahmenabkommen zur Zusammenarbeit in Bezug auf Rohstoffe und Darlehen, das «Infrastruktur gegen natürliche Ressourcen»-Geschäfte im Wert von 20 Milliarden Dollar vorsieht. Gemeinden in der Nähe der Bauxit-Tagebauminen von SMB leiden unter dem Verlust von Land und Lebensgrundlagen, starker Staubbelastung durch schlecht gebaute Bergbaustraßen, Wasserknappheit und verschmutztem Grundwasser. Trotz andauernder Beschwerden der betroffenen Gemeinden hat SMB sein Umweltmanagement nicht verbessert.

Schwarz/Weiß Foto, Geäst mit Blättern

SMB gewann kürzlich eine Ausschreibung über 14 Milliarden Dollar für die Erschließung der Blöcke 1 und 2 der Simandou-Eisenreserve, des weltgrößten Vorkommens von hochwertigem Eisen im Südosten Guineas. Es wird das größte industrielle Bergbauprojekt in der Geschichte Guineas sein, mit Tagebauminen, ­einer 650 km langen Eisenbahnstrecke und ­einem Tiefseehafen. Der unter Naturschutz ­stehende Wald Pic de Fon liegt mitten in dem Minenkonzessionsgebiet. In diesem Hotspot der Biodiversität leben zwei Gruppen gefährdeter Schimpansen, vier gefährdete Affenarten, Hunderte heimischer Säuge­tiere, Vögel, Amphibien und Reptilien sowie über 1.800 heimische Pflanzenarten. Das Hochland von Südost-Guinea wird auch als «Wasserturm Westafrikas» bezeichnet. Der Abbau von schätzungsweise 2,25 Milli­arden Tonnen Eisenerz aus Tagebau­minen am Bergkamm des Simandou-­Gebirges wird unweigerlich das Ökosystem und die natürlichen Lebensräume zerstören und den örtlichen Gemeinschaften schaden.

Das Thema der COP 15 «Ökologische Zivilisation: für eine gemeinsame Zukunft für alles Leben auf Erden» klingt zwar hoffnungsvoll, doch wenn China keine Maßnahmen ergreift, die negativen ökosystemischen Auswirkungen seiner BRI jenseits der eigenen Grenzen einzudämmen, steht weiterhin ein großes Fragezeichen hinter der Frage, ob wir eine Welt für alles Leben auf Erden schaffen – und ein harmonisches ökolo­gisches Zusammenleben von menschlicher Zivilisation und anderen Arten erreichen können.


Zhang Jingjing ist Gründerin und geschäfts­­führende Direktorin des China Accountability Project und Dozentin für Rechtswissenschaften an der University of Maryland (Francis King Carey School of Law).

«Der Atewa Range Forest in Ghana ist nicht nur eine wichtige Wasserquelle für die Bevölkerung, sondern auch Heimat vieler endemischer und seltener Arten. Neben seiner reichen biologischen Vielfalt verfügt der Wald jedoch auch über bedeutende Gold- und Bauxitvorkommen.»

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