Herabwürdigung und falsche Nutzerkonten. Die unlauteren PR-Praktiken des Energiekonzerns Sev.en energy

Hintergrund

Der sich im Besitz von Pavel Tykač und Jan Dienstl befindliche Energiekonzern Sev.en engery ist nach der ČEZ-Gruppe das zweitgrößte kohlefördernde Unternehmen der Tschechischen Republik. Der Betrieb mehrerer Kohlekraftwerke und Tagebaue, die zur Klimakrise beitragen und jedes Jahr für mehr als zehntausend vorzeitige Todesfälle im Land mitverantwortlich zeichnen, sind jedoch nicht die einzigen schwarzen Flecken auf der weißen Weste des Konzerns. Bekannt ist er nämlich auch für die unlauteren PR-Praktiken, mit denen er Kritikern aus den Reihen der Umweltbewegung und Zivilgesellschaft zu schaden versucht.

Power Plant in Czech Republic

Erstmals mediale Aufmerksamkeit erregten die Aktivitäten des Konzerns 2017. Damals deckte Greenpeace eine von einer PR-Agentur der Sev.en energy betriebene Troll-Farm auf. Enthüllt wurden dabei mehr als zwanzig gefälschte Facebook-Konten, mit deren Hilfe bereits seit 2013 versucht wurde, das Image der Braunkohle aufzupolieren und die Aktivitäten von Sev.en energy in ein positives Licht zu rücken.

Diese Troll-Konten verwendeten geklaute Profilfotos und freundeten sich mehr oder weniger ausschließlich untereinander an. Sie beteiligten sich aktiv allerlei Diskussionen zum Thema Braunkohle und Energiewirtschaft, und das nicht nur auf Facebook, sondern auch in den Online-Kommentarspalten der meistgelesenen tschechischen Tageszeitungen. Es blieb jedoch nicht beim bloßen Kommentieren. Mithilfe dieser falschen Identitäten startete die von Sev.en energy engagierte PR-Agentur mehrere Blogs auf den Online-Seiten wichtiger tschechischen Medien, auf denen sie regelmäßig vielgelesene, als Beiträge normaler Bürger getarnte Artikel posteten.

Zu deren Hauptthemen gehörte die Erweiterung des größten tschechischen Tagebaus ČSA in der Nähe von Most, in dessen Zuge das Dorf Horní Jiřetin abgebaggert werden sollte, aber auch Kritik an Erzeugern erneuerbarer Energien sowie Beschwerden über die Aktivitäten von Umweltorganisationen. Die über sechzig Artikel wurden mehrere zehntausend Mal aufgerufen. Ein besonderes As im Ärmel der PR-Agentur war dabei das Profil eines gewissen Jiří Rákos, das nach den Enthüllungen von Greenpeace in Kvítek Medový (dt. Honigblume) umgenannt wurde.

Diesem Profil gelang es über lange Zeit hinweg, jede Verbindung mit der Troll-Farm zu bestreiten und sich als anerkannter Energie-Experte auszugeben. Mit seinen social media-Aktivitäten und vorgeblichen (in Wirklichkeit von der PR-Agentur gut vorbereitet) Experten-Argumenten drang es auch in mehrere Fachmedien vor. So erschien beispielsweise einer seiner Artikel auf dem Fachserver oenergetice.cz. Regelmäßig übernommen wurden die Artikel aus der Troll-Farm von Sev.en energy auch vom Server iuhlí.cz, der ebenfalls enge Verbindungen zum Konzern hat, sich aber als unabhängiges, über die Braunkohle-Wirtschaft berichtendes Portal ausgibt.

2017, also nach der Entlarvung des Troll-Netzwerks durch Greenpeace, hörten die Aktivitäten der Fake-Profile vorübergehend auf. Die PR-Agenturen begannen, stärker im Verborgenen zu agieren und Petr Dušek, ein bis dahin verdeckter Mitarbeiter der Agentur Olmer AD wurde zum offiziellen Pressesprecher des ebenfalls zu Sev.en energy gehörenden Braunkohlekraftwerks Chvaletice. Aus dieser Position heraus versuchte er, medial gegen die Schülerbewegung Fridays for Future zu hetzen, die sich im Frühjar 2019 in Tschechien formiert hatte.

Dieser Versuch stieß jedoch auf den Widerstand der Zeitschrift Reflex, bzw. eines ihrer damals wichtigsten Kommentatoren, Jiří X. Doležal. Anstatt die Propaganda von Sev.en energy zu wiederholen, verfasste er einen Artikel mit dem treffenden Titel „Wie sich ein PR-Agent bei der Kritik an Klimaatkivisten die Finger am Holocaust verbrannte“, in dem er Petr Dušeks Manipulationsversuche beschrieb. Einmal mehr bot dieser Artikel detaillierte Einblicke in die Methoden, mit denen Sev.en energy gegen seine Kritiker vorgeht.

„Greenpiss“ oder „Geisterbewegung“?

Das sichtbarste und medial meistdiskutierte Beispiel für die unredlichen PR-Praktiken von Sev.en energy ist das Facebook-Profil „Hnutí DUCHA“ (dt: „Geisterbewegung“, früher „Greenpiss“). Es hat schon jetzt sechzehneinhalb Tausend Follower und ist äußerst aktiv. Wichtigster Inhalt ist die Beleidigung und Herabwürdigung von Umweltorganisationen und Einzelpersonen aus der Klimabewegung (auch ich selbst bin einige Male zur Zielscheibe geworden).

„Hnutí DUCHA“ gibt sich von Anfang an als unabhängiges und humoristisches Satire-Profil aus. Ganz zu Anfang posteten die Betreiber sogar einige Male einen gegen Geflüchtete und Bürgerkriegsflüchtlinge gerichteten fremdenfeindlichen Beitrag, der viel Aufmerksamkeit erregte und der Seite tausende Follower einbrachte. Diese Posts sind in jüngster Zeit verschwunden. Ganz offenbar zielten sie einzig und allein darauf, Follower aus einer bestimmten Zielgruppe anzusprechen.

Damals noch unter dem Namen „Greenpiss“ hat die Seite im Juni 2019 erstmals die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen, als der Server Aktuálně ihre Verbindung zu Pavel Tykačs Sev.en energy bzw. zu der von seiner Firma engagierten PR-Agentur Olmer AD aufdeckte. Die endgültige Bestätigung, dass Sev.en energy hinter Greenpiss steht, brachte schließlich ein Server-Fehler bei Facebook, in dessen Zuge für kurze Zeit die Profile der hinter einzelnen Seiten stehenden Personen sichtbar waren.

Wie sich herausstellte, wird die Seite von Radek Kovanda betrieben wird, der früher für die Server G.cz und muzivcesku.cz tätig gewesen ist. Wie der Sever-Fehler bei Facebook außerdem enthüllte, verwaltet Kovanda gleichzeitig auch die offizielle Online-Präsenz des ebenfalls Pavel Tykač und Jan Dienstl gehörenden Kraftwerks Chvaletice. Auf Nachfragen von Aktuálně bestätigte er die Verbindungen der Website zu Sev.en energy sogar. Mittlerweise ist die „Greenpiss“-Seite nicht mehr verfügbar; die Betreiber haben ihren Namen in „Hnutí DUCHA“ (dt. „Geisterbewegung“) geändert, womit der Name der Umweltorganisation „Hnutí Duha – Friends of the Earth of the Czech Republic“ („Regenbogen-Bewegung – Friends of the Earth of the Czech Republic“) parodiert werden soll.

Es steht also fest, dass Sev.en energy im Kampf um den Erhalt des eigenen Geschäftsmodells nicht vor unehrenhaften und unredlichen und zum Teil sogar ausgesprochen geschmacklosen Praktiken zurückschreckt. Die Beleidigung, Herabwürdigung und Verächtlichmachung ihrer Kritiker sollten in keiner PR-Firma zum Portfolio gehören, ganz gleich, in welcher Branche sie agiert. Nichtsdestotrotz werden wir diese Aktivitäten wohl noch eine Weile ertragen müssen. Mindestens jedenfalls bis zum dem Zeitpunkt, an dem die Förderung von Braunkohle und anderer fossiler Brennstoffe endgültig eingestellt wird und diese Firmen ihre gesellschaftliche Macht verlieren.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf Tschechisch auf der Webseite unseres Auslandsbüros in Prag.