Simon Wehden, Technische Universität Berlin

Rolle des Handwerks in der Großen Transformation in Deutschland

Die Zeit zur Lösung der globalen ökologischen Probleme drängt und erfordert einen tiefgreifenden, konzertierte Umbau unserer Gesellschaft (Große Transformation) anhand zwei ökologischer Leitlinien: Vermeidung von und Anpassung an Umweltwandel. Das deutsche Handwerk hat dabei eine Schlüsselposition inne: Die knapp 1 Mio. Handwerksbetriebe beschäftigen 5,5 Mio. Menschen (2016) und sind häufig direkt in die Umsetzung von Transformationsmaßnahmen (z.B. der Wärme-, Energie-, Produktions-, Ernährungswende oder Kreislaufwirtschaft) involviert oder von ihnen betroffen. Wesentliche politische Vorhaben wie die Wende hin zur Kreislaufwirtschaft, die „Renovierungswelle“ zur flächendeckenden energetischen Gebäudesanierung oder dezentralisierte Photovoltaikinstallation sind ohne das Handwerk nicht umsetzbar. Nichtsdestotrotz existiert bis heute kaum Forschung über die Rolle des Handwerks und der Handwerker:innen in der Großen Transformation.

Das Promotionsvorhaben soll zum Schließen dieser Forschungslücke anhand drei Leitfragen beitragen: 1. Wie ist Handwerk in Deutschland in die Nachhaltigkeitstransformation eingebunden und was sind ungenutzte Transformationspotenziale? 2. Welche Faktoren beeinflussen die Transformationsbeiträge des Handwerks? 3. Wie lassen sich die Transformationspotenziale des Handwerks heben? 

Diese Arbeit versteht „Handwerk“ als Gesamtheit der Teilelemente handwerklich produzierender Betriebe, Handwerksinstitutionen und Handwerker:innen, die handwerkstypische Charakteristika oder Anlagen aufweisen. Im Kern handelt es sich um einen eigenständigen Produktionstyp, welcher in Abgrenzung zur industriellen Massenproduktion steht. Kennzeichnendes Merkmal dieses Produktionstyps ist, dass ein:e Handwerker:in, die ihr Gewerk (meisterhaft) gelernt hat, selbstständig die Verantwortung für das Produkt entlang der gesamten Produktionskette von Planung bis Fertigstellung übernehmen kann. Zu dem System „Handwerk“ gehören jedoch ebenso die Handwerker:innen mit ihren Fähigkeiten und Werten sowie für den deutschen Sonderfall die Institutionen der handwerklichen Selbstverwaltung.

Im ersten Schritt des Promotionsvorhabens sollen diese Charakteristika herausgearbeitet und Transformationspotenziale abgeleitet sowie die bereits beobachtbaren und beschriebenen Transformationsbeiträge des Handwerks kategorisiert werden.  Transformationspotenziale definiert diese Arbeit als „Gesamtheit aller vorhandenen und entwickelbaren Mittel zur Ermöglichung, d.h. zur Förderung und Aufrechterhaltung, der Nachhaltigkeitstransformation“. Zudem sollen Faktoren identifiziert werden, die die Entfaltung dieses Potenzials hemmen. Ziel ist die Erarbeitung eines konzeptionellen Rahmenwerks des Handwerks in der Transformation sowie einer multidisziplinären Forschungsagenda.

Im Folgenden, sollen für einzelne Transformationspotenziale die Granularität verfeinert und eine stärkere empirische Grundlage bereitet werden, um das Rahmenwerk zu verbessern und präzisere Aussagen zur politischen Steuerung zu ermöglichen. 

Stichworte: Transformationsforschung, Handwerk, Middle-Out Perspective, KMU