Martin Suchrow, Leibniz Universität Hannover

Internalisierung externer Kosten und negativer externer Effekte als staatliche Aufgabe am Beispiel unsicherer Produktionsbedingungen in internationalen Lieferketten

In den globalen Wertschöpfungsketten, in denen rund 80 % der in Deutschland verkauften Waren produziert werden, werden die Menschenrechte von Mitarbeiter:innen und Drittbetroffenen verletzt. Besonders Fälle in denen aufgrund von nicht eingehaltenen Arbeits- und Gebäudesicherheitsstandards Menschen ums Leben gekommen sind oder schwer verletzt wurden, scheinen (auf den ersten Blick) leicht vermeidbar. Weithin bekannt ist und beispielhaft steht dafür der Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Savar, Bangladesch im Jahr 2013 mit mehr als 1.100 Toten. Das Gebäude stürzte ein, weil der Bau und die Bauerweiterungen statisch nicht hinreichend überprüft worden waren. Doch damit ist neben dem individuellen Leid der Betroffenen und ihren Angehörigen auch ein enormer wirtschaftlicher Schaden verbunden. Die öffentlich finanzierte Versorgung der Verletzten, die langfristig verlorene Arbeitskraft der Verstorbenen und die geminderte Arbeitskraft der Verletzten, das verlorene Wissen, um nur einiges zu nennen, müssen von der Gesellschaft in Bangladesch kompensiert werden. Dabei ist das Unglück von Rana Plaza kein Einzelfall. Besondere Aufmerksamkeit erlangen zwar die „spektakulären“ Fälle, doch die alltäglichen Verletzungen sind für den Großteil der – nach Schätzung von WHO und ILO – 1,78 Millionen Menschen, die pro Jahr aufgrund ihrer Arbeit versterben. 

Während die öffentliche Debatte zur Internalisierung von externen Kosten, die durch den Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre verursacht werden, weit fortgeschritten ist (EU ETS, CBAM, nationaler „CO2-Preis“), wurde dieser Ansatz für weitere Bereiche, in denen externe Kosten entstehen, bisher nicht betrachtet.

In der Arbeit wird vorgeschlagen, dass das Konzept der Internalisierung externer Kosten auch in Bezug auf externe Kosten, die in internationalen Lieferketten aufgrund von unsicheren Produktionsbedingungen entstehen, fruchtbar gemacht werden kann. Ausgangspunkt der Arbeit ist die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung externer Kosten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen für die juristische Anwendung genutzt werden. Darauf aufbauend soll untersucht werden, ob für den deutschen oder europäischen Gesetzgeber eine Handlungspflicht zur Internalisierung externer Kosten besteht. Weiter sollen die Handlungsmöglichkeiten zur Internalisierung untersucht und bewertet werden. Der Fokus liegt dabei auf den bereits umgesetzten Mechanismen zur Internalisierung im Bereich Umwelt und Verkehr. Aus diesen Erkenntnissen sollen Ansatzpunkte und Bewertungskriterien für eine Regelung entwickelt werden, deren Ziel die Internalisierung externer Kosten ist, die aufgrund von unsicheren Gebäudesicherheitsstandards in internationalen Lieferketten entstehen.