Isabell Braunger, Technische Universität Berlin

Wie überwinden wir "deep incumbency"? Eine Analyse des deutschen Erdgaseinstiegs infolge des geplanten Kohleausstiegs

In meiner Forschungsarbeit gehe ich der Frage nach, welcher Funktionslogik das von der Forschung als Hürde für eine wirkliche Transformation identifizierte Phänomen der "deep incumbency" folgt und welche Strategien es gibt, diese Hürde zu überwinden. Deep incumbency wird von Andy Stirling (2018) definiert als: Dynamiken, durch die eine Pfadabhängigkeit aufgrund sozialer, wirtschaftlicher, kultureller, politischer, diskursiver, kognitiver und technischer (und weiterer materieller Phänomene) Interaktionen auf der Grundlage bestehender Machtasymmetrien reproduziert wird. Meine Untersuchung konzentriert sich auf das Fallbeispiel des deutschen Kohleausstiegs und des damit verbundenen Gas Lock-ins, sowie auf Gegenstrategien.

In meinen ersten beiden Publikationen untersuche ich, wie der Kohleausstieg in Deutschland zu einem Gas Lock-in führt. Um die Komplexität des untersuchten Gegenstandes überschaubar zu halten, fokussiere ich mich in der Analyse auf die infrastrukturelle (technische) und diskursive Ebene des Prozesses. Am Beispiel der drei geplanten LNG Terminals in Deutschland untersuche ich, wie die politische Unterstützung für die Projekte geschaffen wurde und wie einzelne Akteure darauf Einfluss nehmen konnten. Auf diskursiver Ebene   untersuche ich, wie der Diskurs nach dem Abschlussbericht der KoKo genutzt wird, um den Erdgaseinstieg zu legitimieren. In den beiden darauffolgenden Publikationen beschäftige ich mich mit zwei Strategien, wie deep incumbency auf kultureller, kognitiver und sozialer Ebene begegnet werden kann. Zum einen beschäftige ich mich damit, welche Rolle Genderstereotype bei der Potentialein- bzw. Überschätzung von "carbondioxide removal" (CDR) Technologien in ökonomischen Szenarien von Energiesystemen spielen und ob deren Überwindung zu einer Versachlichung der Debatte zu geoengineering führt. Zum anderen zeige ich am Beispiel des Akteurs "Ende Gelände" welchen Einfluss soziale Bewegungen auf die Transformation haben.