Zivilgesellschaft: Engagement, das zusammenhält

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In Ehrenämtern und über unbezahlte Frei­willigenarbeit stiften Bürgerinnen und Bürger Geld, Zeit, Güter und Ideen für das Gemeinwohl. Sie leisten damit einen Beitrag zum Zusammenhalt, den der Staat allein nicht erbringen kann, und stärken so die Demokratie.

Sozialatlas Infografik: Die Zahl der Mitglieder und Mitarbeitenden von gemeinnützigen Organisationen steigt, auch das Spendenaufkommen wächst weiter
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Mehr als ein Drittel aller Bürgerinnen und Bürger engagiert sich in einem Ehrenamt.

Bürgerschaftliches Engagement funktioniert nach anderen Regeln als Staat, Wirtschaft oder Familie. Man versteht darunter ein individuelles Handeln, das sich durch Freiwilligkeit, fehlende persönliche materielle Gewinnabsicht und eine Ausrichtung auf das Gemeinwohl auszeichnet. Das kann durch das Spenden von Zeit, Geld, Ideen oder materiellen Gütern geschehen. Vom Gesangsverein oder der freiwilligen Feuerwehr über die Aufräumarbeit nach Naturkatastrophen bis hin zu Bewegungen wie Fridays for Future oder der „Tafel“: Ehrenamt, Sach- und Geldspenden oder das Gründen von Stiftungen stellen typische Formen des privaten gemeinwohlorientierten Handelns dar.

Ein Drittel der Deutschen in Ehrenämtern

In Deutschland sind unbezahlte freiwillige und ehrenamtliche Arbeit weit verbreitet. Rund 31 Millionen ­Menschen und damit mehr als ein Drittel aller Deutschen haben 2021 ihre wertvolle Lebenszeit gespendet: Fast 60 Prozent tun dies bis zu zwei Stunden pro Woche, 18 Prozent mehr als sechs Stunden. Dabei sagen 94 Prozent der Engagierten, dass sie beim Engagement auch Spaß haben wollen. Knapp dahinter folgen als Motive: anderen Menschen helfen, ­etwas für das Gemeinwohl tun, Gesellschaft mitgestalten und mit Menschen zusammenkommen.

Cover Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022 bringt Übersicht in die Komplexität des Sozialsystems, zeigt seine Grundlagen und Perspektiven. So wird sichtbar, dass der soziale Zusammenhalt auf einer Kooperation von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft beruht – und seine Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann.

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Ob als Dienstleistung, Hilfe und Selbsthilfe oder über Freiwilligenagenturen – die Gesellschaft profitiert von Angeboten, die von staatlichen Institutionen zu erbringen in dem Umfang, aber auch in der Art und Weise nicht möglich wären.

Doch Engagement wirkt auch indirekt, es verdichtet das Geflecht sozialer Kontakte und stärkt so den sozialen Zusam­menhalt in der Gesellschaft. Das ist die Grundlage einer auf Vertrauen angewiesenen offenen Gesellschaft. Je mehr freiwillig Engagierte es in einer Gesellschaft gibt, desto mehr Vertrauen in Nachbarn und Fremde entsteht. Korruption und Verbrechen haben es dadurch schwerer als in Gesellschaften, in der sich Zusammengehörigkeitsgefühl eher entlang der Achsen familiärer, politischer und wirtschaftlicher Macht ausbildet.

Mehr Vereine und Stiftungen

Diese Organisationswelt ist ein maßgeblicher und stark anwachsender Teil der Zivilgesellschaft: Gab es 1995 noch knapp 417.000 eingetragene Vereine, waren es 20 Jahre später schon 604.000 – fast 50 Prozent mehr. Die Zahl der Stiftungen stieg von 10.500 im Jahr 2001 auf rund 21.800 kaum 20 Jahre später, also mehr als das Doppelte. Diese Organisationen werden durch eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen unterstützt, aber auch reguliert, insbesondere über steuer- und körperschaftsrechtliche Bestimmungen. Mitgliedsbeiträge, Spenden, Projektgelder können eingenommen, vermehrt und müssen verwaltet, Mitarbeitende eingestellt werden. Oft akzeptieren die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Non-Profit-Einrichtungen eine geringe Arbeitsplatzsicherheit und Bezahlung. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind hier etwa doppelt so häufig anzutreffen wie in der Gesamtwirtschaft, zugleich liegt die Teilzeitbeschäftigung fast 20 Prozentpunkte über dem Durchschnitt.

Sozialatlas Infografik: Die junge Generation organisiert Hilfe und Protest digital – vier Beispiele
Fast die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, nämlich 45 Prozent, engagieren sich ein bis zwei Stunden pro Woche, fünf Prozent sogar sechs bis elf Stunden.

Engagement ist die Säule der Demokratie

Darüber hinaus gibt es zivilgesellschaftliches Engagement in weniger formalisierten Zusammenschlüssen oder in Form informeller Aktivitäten außerhalb von Orga­nisationen. Es findet eher spontan im Alltag statt, ist in der Regel zeitlich und räumlich begrenzt sowie zumeist personell − zum Beispiel an die Nachbarschaft oder den Bekanntenkreis − gebunden. Zuletzt passierte dies eindrucksvoll nach der schweren Hochwasserkatastrophe 2021 in Rheinlandpfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen.

Bürgerschaftlich Engagierte können erwarten, dass ihre Belange, Probleme und Lösungsvorschläge im öffentlichen Raum ernst genommen werden. Die Breite der Zivilgesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements ist für sie unverzichtbar für das Gedeihen der Demokratie und die ­Abwehr antidemokratischer Kräfte.