Svea Hammerle, Humboldt-Universität zu Berlin

Fotoalben deutscher Soldaten vom Überfall auf Polen 1939

Am 1. September 1939 überfiel das nationalsozialistische Deutsche Reich ohne vorherige Kriegserklärung sein Nachbarland Polen. Auf den knapp fünfwöchigen Krieg folgten mehr als fünf Jahre brutaler Besatzungszeit mit fast 5,7 Millionen Opfern, darunter rund 3 Millionen Jüdinnen und Juden. Durch die Linsen ihrer Kameras verewigten die am 1. September 1939 in Polen einmarschierenden deutschen Soldaten ihre Wahrnehmung des Kriegseinsatzes, des fremden Landes, der christlichen und jüdischen Bevölkerung Polens sowie der soldatischen Gemeinschaft. Nach Ende der Kampfhandlungen arrangierten sie diese fotografischen Erinnerungen in Fotoalben. Durch die soziale Praktik des Einklebens von Abzügen in die Alben, durch ihr Arrangement und durch kommentierende Bildunterschriften verliehen die Autoren den Fotografien eine zweite Bedeutungsebene – die Alben wurden zum Narrativraum für die subjektive Konstruktion der Erinnerung an den Krieg. Das Promotionsprojekt stellt das (Soldaten-)Fotoalbum ins Zentrum der Untersuchung und geht der Narrativität dieser Quellengattung nach. Hierbei soll herausgearbeitet werden, welche Fotografien für die Präsentation im Album ausgewählt, wie sie miteinander in Bezug gestellt und welche Motive nachträglich entfernt wurden. Es wird analysiert, ob und wie Bildunterschriften den Bildsinn überformen können und ob das Arrangement im Album ein Narrativ vermitteln kann, selbst wenn Bildunterschriften fehlen. Zudem wird der Frage nachgegangen, an welches Publikum sich die Fotoalben richteten und wo sie als Medien der Erinnerung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit zu verorten sind. Im nächsten Schritt werden Einzelbilder mithilfe der seriell-ikonografischen Methode analysiert und mit Blick auf wiederkehrende Bildmotive und fotografische Codes ausgewertet, um Rückschlüsse auf die Mentalität und ideologische Prägung der Wehrmachtssoldaten zu ziehen. So kann aufgezeigt werden, welche Situationen und Motive von den Soldaten in welchem Umfang fotografiert wurden. Herauszuarbeiten ist, welche Vorurteile, Selbst- und Fremdbilder visuell vermittelt und welche antisemitischen und antislavischen Motive der NS-Propaganda fotografisch reproduziert wurden. Ausgewählte Fotografien und Alben werden zudem als visuelle Quellen der Ereignisgeschichte und des militärischen Geschehens ausgewertet und in den größeren Kontext des deutschen Überfalls auf Polen eingeordnet.


Keywords: Visual History, Fotoalbenforschung, Überfall auf Polen 1939