Anna Loffing, Technische Universität Dortmund

Das Potential zivilgesellschaftlicher Konflikte für die Mobilitätswende in ländlichen Räumen

Eine zügige Verkehrs- und Mobilitätswende ist – so besteht in der Forschung ein breiter Konsens – als Bestandteil einer umfassenderen sozial-ökologischen Transformation dringend erforderlich, um die gesetzlich bindenden Klimaziele zu erreichen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Doch nach wie vor besteht eine enorme Kluft zwischen der klimapolitischen Zielsetzung und der tatsächlichen Entwicklung in Deutschland. Angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und der Diskussion um Ölimporte bekommt auch die friedenspolitische Dimension der Verkehrswende eine neue Aktualität.

Doch die konkreten Strategien und Maßnahmen, um diese Vision zu erreichen sind gesellschaftlich stark umkämpft. Gerade im Mobilitätsbereich sind es momentan zivilgesellschaftliche Initiativen, die die Diskussion um die Mobilitäts- und Verkehrswende sowie deren praktische Umsetzung aktiv vorantreiben. Eine zentrale Rolle spielen ländliche Räume, welche besonders stark von den Folgen der Klimakrise betroffen sind. Zwar bekommen ländliche Räume zunehmend mehr Aufmerksamkeit in Politik, Literatur und Medien, allerdings besteht nach wie vor ein großer Forschungsbedarf – gerade aus einer differenzierten, kritischen, disziplinenübergreifenden Perspektive. Die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen ländlichen Mobilität steht vor besonderen Herausforderungen aufgrund siedlungsstruktureller und demographischer Gegebenheiten sowie einer besonders starken Autoabhängigkeit der Bevölkerung. Zugleich liegen hier besondere Bedingungen für politische und planerische Prozesse vor, Governance gestaltet sich unter Umständen anders als in Metropolen und auch die Dynamik zivilgesellschaftlicher Aktivitäten ist in vielen ländlichen Orten durch spezielle Faktoren geprägt.

Es zeichnet sich eine vielschichtige und komplexe Konfliktlandschaft ab. In der Planung werden Konflikte häufig als Störfaktor gesehen oder es gibt Bestrebungen, diese in einem harmonischen Konsens zu überwinden. Die Dissertation folgt der These, dass eine offene, konstruktive Austragung von Konflikten notwendig ist, um deren Potential für gesellschaftliche Veränderungen auszuschöpfen. Die agonistische Konflikttheorie hat hierfür wichtige Ansätze formuliert. Allerdings besteht eine Lücke, was die konkrete Umsetzbarkeit in der Raumplanung angeht. Die Anwendung eines qualitativ orientierten Case Study Research Designs ermöglicht es, in drei Fallbeispiele einzutauchen und deren vielfältige Facetten aus verschiedenen Blickwinkeln zu untersuchen. Untersucht werden ausgewählte Konflikte unter zentraler Beteiligung der Zivilgesellschaft, bei denen es um eine tatsächliche oder vorgesehene Umverteilung von Ressourcen (z.B. Raum, finanzielle Mittel) im Zusammenhang mit konkreten mobilitätsbezogenen Maßnahmen geht (z.B. Reaktivierung von Bahnstrecken, Radentscheid, Straßenausbau).

Das Dissertationsvorhaben ist primär in der Raumplanung verankert, folgt planungstheoretischen Ansätzen und schlägt eine Brücke zur sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung. Im Kern geht es um die folgenden forschungsleitenden Fragestellungen:

Welche Rolle spielen Konflikte mit der Zivilgesellschaft in der Mobilitäts- und Verkehrswende in ländlichen Räumen?

a) Wie gestalten sich in den Fallbeispielen die jeweiligen zivilgesellschaftliche Mobilitätskonflikte?

b) Welche dahinter liegenden Mechanismen der Konfliktverarbeitung sind zu identifizieren, die die Mobilitäts- und Verkehrswende in ländlichen Räumen bestimmen?

c) Inwiefern kann die Raumplanung das Potential dieser zivilgesellschaftlichen Konflikte für eine nachhaltige Mobilitäts- und Verkehrswende in ländlichen Räumen nutzen? (Planungstheoretische Einordnung)