COP27: Ein Wendepunkt für Klima und Menschenrechte

Analyse

Diese Analyse umreißt die wichtigsten kritischen Bereiche der bevorstehenden Klimaverhandlungen in Sharm El-Sheikh und die wichtigsten Forderungen der Zivilgesellschaft im Vorfeld der Eröffnungssitzung der COP27.

COP27: Sharm El Sheikh

Die Auswirkungen der Klimakrise - von beispiellosen Überschwemmungen in Pakistan und anhaltenden Dürren in Afrika hin zu verheerenden Waldbränden in Europa und intensiveren Stürmen in Nordamerika - wüten auf der ganzen Welt. Jedes dieser Ereignisse unterstreicht, dass die Klimakrise eine Menschenrechtskrise ist.

Menschenrechte und zivilgesellschaftlicher Raum

Bei der COP26 gingen Zehntausende von Aktivist*innen und führende Vertreter*innen der Zivilgesellschaft auf die Straße, als Greta Thunberg erklärte, dass "die eigentliche Arbeit außerhalb dieser Hallen beginnt". Ihre Botschaft ist unverändert: Die Regierungen müssen den Klimawandel als den Notfall behandeln, der er ist, und ihre Antworten müssen die Menschenrechte und die Rechte künftiger Generationen respektieren und schützen.

Die COP27 in Sharm El-Sheikh, Ägypten, ist die erste COP außerhalb Europas seit sechs Jahren. Sie sollte den Verschmutzernationen die Gelegenheit geben, Erfahrungen und Positionen betroffener Communities aus erster Hand zu hören und zu sehen. Doch der afrikanische Kontinent hat sich zu einer der größten Spielwiesen für eine neokoloniale Ausdehnung der Öl- und Gasinfrastruktur entwickelt, und dies wurde zum großen Teil durch die Unterdrückung zivilgesellschaftlicher Räume begünstigt.

Die ägyptische Regierung ist berüchtigt für ihre Eskalation der Menschenrechtskrise, die sich aus der Niederschlagung von Protesten und der systematischen Unterdrückung abweichender Meinungen speist. Ägyptische Gruppen, von einer Vielzahl internationaler Organisationen unterstützt, prangern das brutale Vorgehen des Landes gegen die Zivilgesellschaft an. Jüngste Berichte von Menschenrechtsgruppen zeigen, wie es um die Menschenrechte bestellt ist: Restriktionen werden genutzt, um Umwelt- und Klimagruppen ins Visier zu nehmen, regimekritische Stimmen werden unterdrückt, und Frauen, Mädchen und LGBTIQ+-Personen werden diskriminiert.

Da die notwendige Arbeit, die Menschenrechte immer wieder in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen, offene zivilgesellschaftliche Räume erfordert, besteht Anlass zu besonderer Sorge darüber, was während - und nach - der COP27 passieren könnte. Daher müssen Regierungen, UN-Organisationen und die Zivilgesellschaft lautstark die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen fordern – angefangen bei, aber nicht nur, Alaa Abdel Fattah, dessen starke Stimme für die Demokratie kurz vor dem Erlöschen steht – und alle Augen darauf richten, ob und wie die Beteiligung von Zivilgesellschaft und breiterer Öffentlichkeit gewährleistet oder eingeschränkt wird. Es gibt auch Bedenken in Bezug auf die Sicherheit, die Notwendigkeit der Solidarität mit ägyptischen Aktivist*innen und die Frage, ob es im Rahmen der COP27 überhaupt eine Aussicht auf rechtsbasierte Entscheidungen gibt, die auf wirksame Lösungen abzielen.

Folglich müssen internationale Institutionen, Regierungen und Teilnehmer*innen der Zivilgesellschaft die Verbindung zwischen Klimagerechtigkeit, Menschenrechten und zivilgesellschaftlichem Raum herstellen, aus mehreren zentralen Gründen:

1. Die Herstellung dieser Verbindung ist eine wichtige Lebensader für die ägyptische Zivilgesellschaft und Zehntausende von politischen Gefangenen im Land.

2. So bald werden nicht wieder so viele Augen und so viel öffentlicher Druck auf die ägyptische Regierung gerichtet sein. Daher ist dies eine äußerst seltene Gelegenheit, die ägyptische Zivilgesellschaft im Vorfeld und während der COP27 dabei zu unterstützen, die Menschenrechtsverletzungen des ägyptischen Regimes ans Licht zu bringen und sich für mehr bürgerliche Freiheiten im Land einzusetzen.

3. Auch nach der COP27 sind diese Themen immens wichtig für die Stärkung von wirksamem Klimaschutz. Dazu gehören a) die Widerstandsbemühungen von Communities, die an vorderster Front von der Expansion fossiler Brennstoffe betroffen sind und die deren Ausbau wirksam gebremst haben, und b) die Sicherung des individuellen Zugangs zu rechtlichem Schutz, der zu einigen wegweisenden Gerichtsurteilen mit realen Folgen für die Politiken und das Verhalten von Regierungen und Unternehmen geführt hat.

Auf der Agenda stehen mehrere Gelegenheiten für die Staaten, diese Verbindung herzustellen. Dazu gehören die laufende, erste globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake, GST), bei der der Stand der Umsetzung des Pariser Abkommens evaluiert wird. Hier können - und sollten - die Vertragsparteien selbstbestimmte Klimamaßnahmen von Gemeinschaften fördern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind oder deren Rechte durch eine rücksichtslose Politik bedroht sind, die unter dem Deckmantel von Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt wird.

Fossile Brennstoffe: Krieg, Profite und der Weg aus der Abhängigkeit

36. Fordert die Vertragsparteien auf, die Entwicklung, den Einsatz und die Verbreitung von Technologien sowie die Verabschiedung politischer Maßnahmen zu beschleunigen, um den Übergang zu emissionsarmen Energiesystemen zu vollziehen, unter anderem durch die rasche Ausweitung des Einsatzes von Maßnahmen zur sauberen Stromerzeugung und Energieeffizienz, einschließlich einer Beschleunigung der Bemühungen in Richtung eines schrittweisen Abbaus ungeminderter Kohlekraft und die schrittweise Abschaffung ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe, bei gleichzeitiger gezielter Unterstützung der Ärmsten und Schwächsten im Einklang mit den nationalen Gegebenheiten und in Anerkennung der Notwendigkeit der Unterstützung einer gerechten Transition.
Der erste jemals in einem Beschluss der COP angenommene Absatz, der die Notwendigkeit des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen anerkennt. (eigene Übersetzung)

Das Schweigen der UNFCCC zu fossilen Brennstoffen endete mit dem Glasgow Climate Pact. Trotz dieses Fortschritts und der Veröffentlichung zahlreicher Berichte, die die Notwendigkeit und Machbarkeit eines raschen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen belegen, zeigt sich jetzt, dass die Länder und Institutionen ihre Zusagen nicht einhalten oder sie zurücknehmen.

Die illegale Invasion Russlands in der Ukraine sollte ein Weckruf für die Staaten sein, gefährlichen Diktaturen nicht mehr durch den Kauf fossiler Brennstoffe zu finanzieren und stattdessen den Übergang zu einer nicht-fossilen Zukunft beschleunigen. Stattdessen hat der Krieg in Europa zu einem neokolonialen Ansturm auf Gas unter anderem auf dem afrikanischen Kontinent geführt. Die europäischen Länder mit hohen Emissionen suchen nach neuen Lieferquellen, z. B. durch Abkommen mit Ägypten, dem Gastgeberland der COP27, sowie mit dem Senegal und Israel. Andere Staaten loten Partnerschaften mit autoritären Regimen aus und ignorieren dabei deren Menschenrechtsbilanz, um mehr von ihren fossilen Brennstoffen zu bekommen. Währenddessen profitieren die fossilen Unternehmen von dem Boom und fahren satte Gewinne ein, während Millionen Menschen auf der ganzen Welt Schwierigkeiten haben, überhaupt Zugang zu Energie zu erhalten oder sich diese zu leisten. Und Finanziers drohen damit, aus Institutionen auszusteigen, die für mehr Rechenschaftspflichten beim Klima sorgen sollen, wie etwa die Glasgow Financial Alliance for Net Zero.

Staatliche und zivilgesellschaftliche Impulse für den Ausstieg

Einige Staaten und zivilgesellschaftliche Gruppen üben weiterhin Druck auf die bei der COP27 versammelten Länder aus und fordern sie auf, sich zu einem uneingeschränkten und sofortigen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen zu verpflichten, indem sie alle neuen Investitionen in Öl, Gas und Kohle stoppen und die Produktion schnell und kontrolliert zurückfahren. Drei Kampagnen, die auf der COP27 im Vordergrund stehen werden, zeugen davon:

1. Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) - Eine Koalition von Regierungen, die auf der COP26 ins Leben gerufen wurde, gab im September eine Erklärung ab, in der sie die Notwendigkeit bekräftigte, Klima- und Energiesicherheit durch massive Investitionen in flexible, effiziente und erneuerbare Energiesysteme zu gewährleisten. Solche klaren Bekenntnisse zu dem, was der UN-Generalsekretär den "moralischen und ökonomischen Wahnsinn" von Investitionen in neue fossile Brennstoffe genannt hat, sind begrüßenswert. Doch echte Führungsstärke erfordert mehr: Die BOGA muss von einer ehrgeizigen Initiative zu einer ehrgeizige Maßnahmen werden.

2. Don't Gas Africa - In den letzten Monaten haben sich die afrikanische Zivilgesellschaft und internationale Verbündete zusammengetan, um sich gegen das Gerangel um den Zugang zu den fossilen Energieressourcen des Kontinents zu wehren, den Mythos zu entlarven, dass fossile Brennstoffe für die "Entwicklung" in den Gastländern und den lokalen Gemeinschaften unverzichtbar sind, und um von den größten Verschmutzern dezentrale erneuerbare Energien, Energiezugang und eine angemessene Finanzierung zu fordern. Die Forderungen und Bedarfe der afrikanischen Bevölkerung müssen bei allen Gesprächen über die Öffnung des Kontinents für neue Öl- und Gasinfrastrukturen im Vordergrund stehen. Ihre Perspektiven bilden den konkreten Kontext für Diskussionen über finanzielle Verpflichtungen, globale Solidarität, Entschädigung und Wiedergutmachung.

3. Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty (FFNPT) - Die Kampagne, die die Regierungen  auffordert, die Ausweitung von Öl, Gas und Kohle zu stoppen und einen globalen, gerechten Übergang zu einer Zukunft ohne Fossile zu bewerkstelligen, wächst weiter. Inzwischen haben sich mehr als 60 Städte der Kampagne angeschlossen, und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Europäische Parlament unterstützen sie. Auf der UN-Generalversammlung im September forderte Vanuatu als erstes Land einen internationalen Vertrag. Bald darauf folgten Timor-Leste und Tuvalu. Neuseeland bot seine grundsätzliche Unterstützung für den Vorschlag an.

Den Blick weiten: Jenseits von Energie

Bei den Verhandlungen über die Fossilen müssen auch der derzeitige Verbrauch und der für die nächsten Jahrzehnte prognostizierte Bedarf an petrochemischen Produkten, einschließlich Kunststoffen, Pestiziden und Düngemitteln, berücksichtigt werden. Diese Themen werden zwar oft als getrennt voneinander betrachtet, sind aber eng miteinander verbunden, und die Suche nach Lösungen für diese Krisen erfordert das gedankliche Aufbrechen von Silos. Die bei der COP27 versammelten Regierungen können und müssen diese Herausforderungen angehen, indem sie sich mit der gesamten fossilen Wirtschaft auseinandersetzen. Sie können:

1. Den Verbrauch fossiler Brennstoffe durch eine Verringerung der Plastikproduktion reduzieren. Ein neuer Bericht zeigt, dass die Kunststoffproduktion der größte industrielle Verbraucher von Öl und Gas in der EU ist. Eine drastische Verringerung der Produktion von Plastik wird sich daher umfassend auf das Klima, die Umwelt und den Frieden auswirken.

2. Den Grundstein für die Zusammenarbeit mit dem künftigen internationalen Plastik-Abkommen legen. Zwei Wochen nach der COP27 werden die Staaten die erste Verhandlungsrunde für ein internationales Plastik-Abkommen beginnen. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit wird die Entwicklung von Kooperationsmechanismen zwischen diesem zukünftigen Instrument und anderen multilateralen Abkommen, einschließlich der UN-Klimarahmenkonvention sein. In Anbetracht des kurzen Zeitrahmens für diese Verhandlungen muss die COP27 die Diskussion darüber beginnen, wie dieser neue, wichtige Rechtsrahmen den Übergang weg von Produkten auf Basis fossiler Brennstoffe beschleunigen kann.

3. Für den Zusammenhang zwischen Klima und Kunststoffen sensibilisieren. Das Sponsoring der COP27 durch Coca-Cola ist zwar ein eklatanter Versuch von Greenwashing durch einen der weltweit führenden Produzenten von Einwegplastik, bietet aber die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Plastik eine der am schnellsten wachsenden Quellen von Treibhausgasemissionen ist. Daran kann gezeigt werden, dass die einzige praktikable Lösung für die Plastikkrise in einer dringenden und absoluten Verringerung der Plastikproduktion besteht.

4. Die Aufmerksamkeit auf die industrielle Landwirtschaft lenken – und dabei gleichzeitig Giftstoffe und die Fossilen ansprechen. Wie Kunststoffe sind auch synthetische Stickstoffdünger fossile Petrochemikalien, die ein umweltschädliches industrielles Landwirtschafts- und Lebensmittelproduktionssystem stützen, das Ökosysteme und Artenvielfalt zerstört.

Keine Zeit verschwenden: Falsche Lösungen bringen uns nicht voran

Je mehr sich die Auswirkungen der Klimakrise verschärfen, desto dringender wird Handeln notwendig. Während viele sich mit den echten Lösungen befassen, wie z. B. die Produktion von und die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu reduzieren und die erneuerbaren Energien zu fordern, setzen andere auf "Netto-Null"-Versprechen, die sich auf Kompensationsmärkte stützen, oder sie rufen verstärkt nach vermeintlichen technologischen Lösungen mit dem Argument, dass angesichts der eskalierenden Krise „alle Optionen auf dem Tisch“ sein müssten. Doch viele dieser so genannten Klimalösungen sind Tricks, die "business as usual" bei der Produktion und Nutzung der Fossilen ermöglichen soll.

Die wissenschaftliche Grundlage des jüngsten IPCC-Berichts ist eindeutig: Es gibt Wege zur Eindämmung des Klimawandels, die den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C begrenzen können, ohne dass unbewährte, teure und riskante Technologien wie die Kohlendioxidabscheidung (Carbon Dioxide Removal - CDR) und die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage - CCS) eingesetzt werden. Pfade, bei denen diese Technologien zum Einsatz kommen, verzögern den notwendigen Ausstieg aus den Fossilen und erhöhen das Risiko einer Überschreitung des 1,5-Grad-Limits und der damit verbundenen weiteren unumkehrbaren Schäden („temperature overshoot“). Der IPCC-Bericht macht deutlich, dass CCS zu den kostspieligsten Optionen mit dem geringsten Potenzial zur Emissionsreduzierung bis 2030 gehört - dem kritischsten Zeitraum zur Abwendung einer katastrophalen Erwärmung. CCS und CDR stellen auch ein erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt dar und gefährden zahlreiche Ziele der nachhaltigen Entwicklung und die Gewährleistung vieler Menschenrechte.

Dennoch haben regionale und nationale politische Entscheidungsträger*innen im letzten Jahr stark auf Projekte gesetzt, die CCS, CDR und andere falsche Lösungen beinhalten. In den USA sieht der Inflation Reduction Act von 2022 massive neue Subventionen für CCS vor. In der EU werden derweil rechtliche Rahmenbedingungen für die Zertifizierung von CO2-Entfernung aus der Atmosphäre und freiwillige Märkte zur Schaffung einer größeren Bandbreite von Kohlenstoffkompensationen entworfen.

Diese politischen Bemühungen werden von einer Fülle von Netto-Null-Zusagen von Ländern und Unternehmen in aller Welt begleitet. Wie die oben beschriebenen Technofixes sind auch diese Zusagen oft nichts anderes als grüngewaschene Ablenkungsmanöver, welche die Illusion vermitteln, dass es möglich sei, die Umwelt zu verschmutzen, solange Emissionsreduktionen woanders eingekauft werden. Die Verrechnung von Emissionen führt jedoch nicht zum Ende der fossilen Brennstoffe, das zur Eindämmung der Klimakrise erforderlich ist. Es ist zentral, dass sich die Weltgemeinschaft auf echte Null-Emissionen und Null-Entwaldung zubewegt. Immer mehr Richter*innen entscheiden, dass sich Regierungen nicht auf unausgegorene Technologien, Kompensationen und ferne Versprechen verlassen können, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, sondern dass ihre Sorgfaltspflicht dringende Maßnahmen zur Emissionsreduzierung durch verlässliche Politiken erfordert.

Öl, Gas und Kohle sind nicht mit einer sicheren, klimagerechten Zukunft vereinbar und können das auch niemals sein. Um sicherzustellen, dass die UN-Klimarahmenkonvention nur Klimaschutzmaßnahmen ergreift, die die Ursachen der Klimakrise sinnvoll angehen, müssen dringend alle Schlupflöcher geschlossen werden, die die weitere Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe ermöglichen. Alle Diskussionen, Prozesse und Mechanismen, die auf der COP27 geschaffen werden, um den Mangel an Ambition und Fortschritt zu beheben, einschließlich des Mitigation Work Programme, des Global Stocktake und des Artikels 6.4, der einen neuen Marktmechanismus im Rahmen des Pariser Abkommens schafft, müssen darum:

  1. Auf fossile Brennstoffe und die Notwendigkeit ihres schnellen Ausstiegs verweisen.
  2. Spekulative und unbewährte Technologien, einschließlich CCS, Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (Carbon Capture, Utilisation and Storage - CCUS) und CDR ausschließen.
  3. Euphemismen und Qualifizierungen zurückweisen, die die Illusion aufrechterhalten, dass wir weiterhin Öl, Gas oder Kohle nutzen können, z. B. indem wir Ausnahmen für "CO2-verminderte" fossile Brennstoffe zulassen (im Englischen: „abated“ – in aller Regel eine Chiffre für CCS).
  4. Den Verschmutzern die Verwendung von Kompensationen oder technologischer CO2-Entfernung anstelle der dringend notwendigen Maßnahmen zum Ausstieg aus den Fossilen und der Reduktion der Emissionen untersagen. Zu den Beispielen einer Kooptierung des Pariser Abkommens durch die Industrie gehören die laufenden Versuche, die Kohlenstoffmärkte so zu erweitern, dass sie zusätzlich zu Emissionsreduktionen auch Entfernung von CO2 („carbon removals“) einschließen, oder private Initiativen, die CO2-Entfernung aus der Atmosphäre und solares Geoengineering fördern.   

Neben der Illusion, dass fossile Brennstoffe gekoppelt mit diesen Technofixes nachhaltig sein könnten, werfen viele der oben genannten Technologien und potenziellen Schlupflöcher auch echte Menschenrechtsprobleme auf, die angegangen werden müssen. Wenn die Vertragsparteien beispielsweise bei der Operationalisierung des "Sustainable Development Mechanism“ (SDM) des Pariser Abkommens vorangehen, müssen sie strenge Regeln aufstellen, um die Zusammenarbeit bei bewährten Lösungen zu ermöglichen, die die Menschenrechte, einschließlich der Rechte indigener Gemeinschaften, wirksam schützen.

Verluste und Schäden: Es ist Zeit, dass die Verursacher*innen zahlen

Die Welt hat planetarische Grenzen überschritten und riskiert großmaßstäbliche, abrupte und unumkehrbare Umweltveränderungen. Dies zeigt sich in massiven, eskalierenden Wetterextremen, die schnell und auch langsam eintreten und tiefgreifende Konsequenzen für die Menschenrechte haben. Die Auswirkungen der sich verschärfenden Klimaverhältnisse zeigen, dass eine solide Finanzierung für die Anpassung, für den Klimaschutz und die Bewältigung von Verlusten und Schäden erforderlich ist. Diese Notwendigkeit ist ein häufiges, wenn auch bisher unzureichend anerkanntes Thema der Klimaverhandlungen und wird nach der COP26 erneut auf der Tagesordnung der COP27 stehen.

Rechenschaftspflicht außerhalb der UNFCCC

Vor fast 30 Jahren haben die kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern (Small Island Developing States, SIDS) die Notwendigkeit erkannt, dass die durch die Klimakrise verursachten Schäden gelindert werden müssen. Seitdem wurde diese Forderung mehrfach im Rahmen verschiedener UN-Klimaabkommen anerkannt. Trotzdem weigern sich die größten Verschmutzer*innen immer noch, ihrer Verantwortung nachzukommen und die Länder des globalen Südens zu unterstützen. Wie der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Klimawandel in seinem Bericht an die UN-Generalversammlung feststellte, „haben die großen Verursacherländer ihre Pflicht zur Zusammenarbeit im Einklang mit den Grundsätzen der internationalen Kooperation aufgegeben".

Infolgedessen wenden sich immer mehr betroffene Völker, Gruppen und Länder an das UN-Menschenrechtssystem und die Gerichte, um Rechenschaft zu fordern. Zu den jüngsten Beispielen gehören:

● Die bahnbrechende Entscheidung des UN-Menschenrechtsausschusses von September 2022, in der festgestellt wurde, dass die Untätigkeit Australiens beim Klimaschutz gegen die Menschenrechte der Torres-Strait-Islanders verstößt;

● Ein Antrag von Jugendlichen aus dem Pazifikraum, der nun von der Regierung von Vanuatu unterstützt wird, soll ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zu klimabezogenen Menschenrechtsverpflichtungen erwirken; und

● die Klagen eines peruanischen Landwirts gegen den deutschen Stromkonzern RWE und von Bürgern der indonesischen Insel Pari gegen den Schweizer Zementkonzern Holcim.

Auf diese Weise werden die Verpflichtungen von Staaten und Großverursachern von Kohlenstoffemissionen zur Wiedergutmachung klimabedingter Schäden deutlich. Es wird immer klarer, dass diese historischen Verursacher*innen finanzielle Mittel für Verluste und Schäden bereitstellen müssen, die insbesondere im globalen Süden schon längst auftreten. Gleichzeitig müssen sie ihre bestehenden Verpflichtungen zur Finanzierung von Klimaschutz und Anpassungsstrategien erfüllen.

Finanzierung neu überdenken: Ein Lackmustest für COP27

Gegen Ende der COP26 wurde die Frage der Finanzierung von Schäden und Verlusten zu einem der Hauptpunkte der Verhandlungen. Die Länder des globalen Südens, unterstützt von der Zivilgesellschaft, schlugen die Einrichtung einer Loss and Damage Finance Facility vor. Die Industrieländer ignorierten diese Forderung vollkommen. Letztendlich wurde als Kompromiss der Glasgow-Dialog eingerichtet – ein Dreijahresprogramm – allerdings ein Programm ohne klaren Arbeitsplan oder beabsichtigtes Ergebnis. Es ist daher nicht zu erwarten, dass es den betroffenen Communities wirklich helfen wird.

Trotz der Bemühungen der Industrieländer, das Thema in früheren Verhandlungen zu torpedieren, stehen Verluste und Schäden nun zum ersten Mal auf der offiziellen (wenn auch vorläufigen) Tagesordnung. Alle Regierungen, einschließlich derer, die versucht haben, das Thema zu umgehen (wie die USA und die EU), müssen sich nun an den Diskussionen beteiligen, um entscheidende Schritte zur Schaffung eines wirksamen finanziellen Unterstützungsmechanismus im Rahmen des Klimaregimes zu unternehmen. Die internationale Zivilgesellschaft hat dies zu einem Lackmustest für den Erfolg der COP27 gemacht. Es gibt bereits konkrete, umsetzbare Vorschläge, die die Bedeutung der Einrichtung einer prinzipienbasierten Fazilität zur Finanzierung von Schäden und Verlusten betonen, ähnlich jener, die auf der COP26 vorgeschlagen wurde. Das Europäische Parlament hat sich den Entwicklungsländern angeschlossen und unterstützt diese Maßnahme. Ziel ist es, dass die Fazilität bis zur COP29 funktionsfähig ist.

In der Zwischenzeit muss ein unmittelbarer Weg gefunden werden, um für den globalen Süden finanziellen Spielraum zu schaffen, was die Verknüpfung von Klimagerechtigkeit und Schuldengerechtigkeit einschließt. Zu den möglichen Instrumenten gehören ein umfassender Schuldenerlass, die Verbesserung der Qualität der Klimafinanzierung, die derzeit größtenteils in Form von Darlehen erfolgt, und spezielle Finanzierungsprogramme. Schottland und Dänemark haben sich für Letzteres eingesetzt und damit Druck auf andere reiche Länder ausgeübt, ihren gerechten Anteil an der finanziellen Unterstützung zu leisten. Die Millionen, die diese Länder auf den Tisch gelegt haben, sind zwar lobenswert, reichen aber bei weitem nicht aus, um den Hunderten von Milliarden - ja sogar Billionen - an klimabedingten Verlusten und Schäden gerecht zu werden. Auch wenn die Industrieländer in erster Linie für die Bereitstellung öffentlicher Mittel und die Bewältigung von Verlusten und Schäden verantwortlich sind, gibt es möglicherweise Möglichkeiten, neue und innovative Finanzierungsquellen zu mobilisieren, einschließlich Steuern und Abgaben für die Produzenten fossiler Brennstoffe. Diese Optionen müssen verfolgt werden, um sicherzustellen, dass die Mittel nicht von den Launen der politischen Parteien in den Staaten abhängen, die die größte Verantwortung für die Schäden tragen.

Angesichts der gravierenden Auswirkungen von Verlusten und Schäden auf die Menschenrechte muss die COP27 neue, zusätzliche öffentliche Zuschüsse und bedarfsorientierte Finanzmittel bereitstellen. Diese Finanzströme müssen sowohl auf die Menschen als auch auf die Geschlechter ausgerichtet sein, um sicherzustellen, dass diese Mittel den Gemeinschaften und Menschen, die an der vordersten Front der Klimakrise leben, direkt zugänglich sind.

Im weiteren Verlauf der Gespräche wird es entscheidend sein, Lehren aus früheren Misserfolgen zu ziehen, damit die Industrieländer ihre noch ausstehenden Zusagen erfüllen, die Entwicklungsländer bis 2020 mit 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Das Geld ist da – das zeigen die Ressourcen, die als Reaktion auf Krieg und Pandemie mobilisiert werden konnten, sowie die enormen Gewinne der fossilen Industrie. Die Regierungen müssen die Klimakrise endlich als den Notfall behandeln, der sie ist. Diese Lehren sollten auch in die laufenden Diskussionen auf der COP27 über ein neues kollektives quantifiziertes Ziel (New Collective Quantified Goal, NCQG) zur internationalen Klimafinanzierung nach 2025 einfließen, das neben Klimaschutz und Anpassung auch die Finanzierung von Verlusten und Schäden ansprechen soll.