Zoë Luise Tappeiner, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 2 GG der 1950er Jahre im historischen Kontext

Das Dissertationsvorhaben beschäftigt sich mit den beiden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts „BVerfGE 3, 225“ vom 18. Dezember 1953 und „BVerfGE 10, 59“ vom 29. Juli 1959.

Die beiden Entscheidungen stellen den Ausgangspunkt der Dogmatik des Art. 3 Abs. 2 GG dar. Zudem bilden sie die Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Familienrecht und gelten insofern bis heute als Meilensteine.

Die beiden Entscheidungen sollen allerdings nicht nur juristisch besprochen, sondern umfassend im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte, den historischen Kontext und ihre Fortwirkung bis heute analysiert werden. Dabei lieget der Fokus der Arbeit auf den Hintergründen der Beschwerden und Gerichtsvorlagen, den Schritten der Entscheidungsbildung innerhalb des Senats und der Rezeption der Urteile. Grundlage der Betrachtung sind die nach Ablauf der 60-jährigen Sperrfrist erst seit Kurzem zugänglichen Gerichtsakten aus dem Bundesarchiv in Koblenz. Diese erlauben einen Blick hinter die Kulissen der abschließenden Urteile.

Anhand der darin enthaltenen Urteilsentwürfe, Stellungnahmen und Aufzeichnungen der mündlichen Verhandlungen lässt sich der Entscheidungsfindungsprozess erstmals umfassend rekonstruieren. Mit Hilfe weiterer Primärquellen aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv und dem Archiv der deutschen Frauenbewegung soll Netzwerken in den Senat und dem Verdacht einer strategischen Prozessführung durch die Frauenverbände nachgegangen werden. Die Entscheidungen sollen also nicht nur als juristische, sondern auch als historische Quellen verstanden und kontextualisiert werden.

 Die Erkenntnisse aus der zeitgenössischen Diskussion um den Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG sollen auch für die heutige Gleichberechtigungsdebatte fruchtbar gemacht werden kann. Insbesondere soll das Frauenbild des Gerichts zu dieser Zeit beleuchtet und in Kontrast zu der heutigen Rechtsprechung gesetzt und auf wiederkehrende Argumentationsmuster aufmerksam gemacht werden. Losgelöst von einzelnen Erkenntnissen soll die Dissertation einen neuen Blick auf die Entscheidungsfindung innerhalb des Senats ermöglichen und daran mitwirken, die Grundlage für archivgestützte Aktenforschung zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts der 1950er Jahre zu schaffen.