Moorschutz global: Eine zentrale Aufgabe in der Klimakrise

Atlas

Moore und andere Feuchtgebiete ermöglichen Artenvielfalt und schützen Mensch und Natur vor Dürre und Überschwemmungen. Sie gehören allerdings zu den am stärksten bedrohten Ökosystemen der Erde. Die Programme zu ihrem Erhalt sind bislang unzureichend.
 

Mooratlas Infografik: Feuchtgebiete, die durch die von 172 Staaten ratifizierte Ramsar-Konvention als schützenswert erklärt werden
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657 Moore mit einer Fläche von über 60 Millionen Hektar sind Ramsar-Gebiete. Das allein gewährt ihnen noch keinen Schutz, aber Aufmerksamkeit der Politik

Unter dem Begriff Feuchtgebiete werden unterschiedliche Lebensräume zusammengefasst: Moore, Feuchtwiesen, Sumpfgebiete, Auen, Flüsse, Seen, Mangroven – und sämtliche Küstengebiete. Allen Feuchtgebieten gemeinsam ist ihr Reichtum an Wasser. Sie werden auch als Nieren der Erde bezeichnet, denn als natürliche Filter nehmen sie Pestizide und andere Chemikalien auf und entfernen Nährstoffe wie Nitrat und Phosphor aus dem Wasser. Feuchtgebiete finden sich weltweit auf einer Fläche von mindestens 1,6 Milliarden Hektar. Schon lange sind sie gefährdet – sie verschwinden dreimal schneller als Wälder. Allein seit dem Jahr 1970 wurden 35 Prozent aller Feuchtgebiete zerstört. Entweder gezielt durch Entwässerung, die seit den 1960er-Jahren stark zugenommen hat, oder indirekt durch absinkende Grundwasserspiegel. Die größten Verluste von Feuchtgebieten heute sind zurückzuführen auf nicht-nachhaltige Formen der Land- und Forstwirtschaft, auf Abpumpen von Grundwasser und steigende Wasserverschmutzung. Und auch der Ausbau von Industrie und Infrastruktur trägt zur Zerstörung bei, wegen der jährlich 1 Prozent aller noch existierenden Feuchtgebiete verloren gehen.

Cover Mooratlas

Der Mooratlas 2023

Der Mooratlas beleuchtet in 19 Kapiteln die Folgen der Zerstörung dieser einzigartigen Lebensräume und zeigt die Chancen nasser Moore und ihrer Nutzung für die Gesellschaft auf, um alle Akteur*innen zum Handeln zu ermutigen – „Moor muss nass“!

Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit sind von Feuchtgebieten abhängig und sogar 60 Prozent der Menschheit lebt und arbeitet im Umkreis von Küsten, wo Feuchtgebiete vor Überschwemmungen schützen. Bis zu 5,6 Millionen Liter Hochwasser kann ein Hektar Feuchtgebiet aufnehmen. Die anhaltende Zerstörung von Feuchtgebieten erschwert es, Naturkatastrophen zu bewältigen, deren Zahl sich seit den 1960er-Jahren verzehnfacht hat. Überschwemmungen, Dürren und Stürme machen jedes Jahr bis zu 90 Prozent aller klimabedingten Katastrophen aus – bislang ist davon besonders stark der Globale Süden betroffen. Vor allem Menschen, die in Armut leben müssen, sind Extremwetterereignissen schutzlos ausgeliefert.

Etwa 40 Prozent der weltweit vorkommenden Arten leben und brüten in Feuchtgebieten. Diese Biodiversität steht auf dem Spiel: In den letzten fünf Jahrzehnten sind 81 Prozent der Pflanzen- und Tierarten in Binnenfeuchtgebieten zurückgegangen sowie 36 Prozent der Pflanzen- und Tierarten in Küsten- und Meeresgebieten. Durch die Zerstörung von Feuchtgebieten leidet auch das Klima immens. Denn obwohl sie nur 1 Prozent der gesamten Erdoberfläche inklusive der Ozeane bedecken, speichern Feuchtgebiete ein Fünftel des weltweiten Kohlenstoffs – solange sie intakt sind. Werden Feuchtgebiete trockengelegt, oxidiert der gebundene Kohlenstoff zum Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO₂) und entweicht in die Atmosphäre.

Mooratlas Infografik: Einfluss von Mooren und Feuchtgebieten auf ausgewählte Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen
Im Kampf gegen Ungleichheit und Raubbau haben sich die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Erreichbar sind sie nur mit Moorschutz

Obwohl die vielen Ökosystemleistungen von Feuchtgebieten einen direkten Bezug zum Pariser Klimaabkommen und den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen aufweisen, gibt es bislang nur ein einziges Abkommen, das ihren Schutz in den Mittelpunkt rückt. Diese Ramsar-Konvention hat ihren Ursprung bereits im Jahr 1971 – rechtlich verbindlich ist sie jedoch nicht. Auf freiwilliger Basis gehören der Ramsar-Konvention 172 Staaten an, darunter auch Deutschland. Diese Staaten stellen eine Liste mit international bedeutenden Feuchtgebieten bereit, die ähnlich dem UNESCO-Welterbe schützenswerte Flächen aufführt. 2.471 Gebiete aus der ganzen Welt mit einer Gesamtfläche von 256 Millionen Hektar finden sich aktuell auf dieser Liste wieder – ein Gebiet, das größer ist als Frankreich, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Spanien und Portugal zusammen. 35 dieser Gebiete liegen in Deutschland. Vernachlässigt hat die Ramsar-Konvention jahrzehntelang Moore: Unter den Schutz des Abkommens werden sie vermehrt erst seit zwanzig Jahren gestellt. Mittlerweile machen Moorflächen auf der Ramsar-Liste rund ein Viertel der aufgeführten Feuchtgebiete aus.

Hat es ein Feuchtgebiet auf die Liste geschafft, wird ihm dadurch noch nicht automatisch ein Schutzstatus zuteil. In der EU existieren jedoch vielfältige Richtlinien, die dabei helfen können, solche Gebiete unter besonderen Schutz zu stellen. Sie können zum Beispiel als Naturschutzgebiet eingestuft werden, als Europareservat oder als Flora-Fauna-Habitat (FFH).

Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2021 bis 2030 zur „Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen“ erklärt. Eine Resolution, die Moore in den Fokus nimmt, hat ihre Umweltversammlung (UNEA) zum ersten Mal im Jahr 2019 verabschiedet – und damit den Bemühungen für den globalen Moorschutz neuen Schwung verliehen. Die Mitgliedsstaaten bekunden mit ihr, dem Erhalt, der nachhaltigen Bewirtschaftung und Restauration von Mooren mehr Bedeutung beizumessen. Die Resolution ist allerdings wie auch die Ramsar-Konvention nicht verpflichtend. Genau das fordern jedoch Fachleute: Um Ökosysteme wiederherstellen und schützen zu können, braucht es rechtliche Rahmenbedingungen.