Juliane Kucharzewski, Universität Potsdam

Ohne Frauen wäre deutscher Widerstand gegen den Nationalsozialismus kaum möglich gewesen. Trotzdem wird er in Forschung und Wissenschaft, der Erinnerungskultur und populärkulturellen Referenzen überwiegend mit Männern assoziiert.
Wie deutscher Widerstand definiert wird, ist abhängig von der eingenommenen Perspektive und der Relevanz, die der forschungstheoretische Schwerpunkt verschiedenen Akteuren und Akteurinnen jeweils zuordnet. Dabei exkludieren oder marginalisieren bisherige Definitionen die Rolle von Frauen, deren Handlungsmächte und Wichtigkeit. Sie werden übersehen und – bewusst oder unbewusst – unsichtbar gemacht.

Prominente Gruppierungen wie der sogenannte Kreisauer Kreis oder das Netzwerk um das Attentat vom 20. Juli 1944 werden synonymhaft mit – zumeist männlichen – Hauptcharakteren in Verbindung gebracht. Ihre Ehefrauen und Lebenspartnerinnen entfallen der Betrachtung. Eine Problemstellung, der bis dato nicht die verdiente Aufmerksamkeit gewidmet wird, denn die Ehefrauen waren bei weitem nicht nur stumme Nebencharaktere. Was bisher fehlt, ist die fundierte Erforschung der tatsächlichen Beteiligung von Ehefrauen zur damaligen Zeit und die Diskursanalyse zu(un)gunsten ihrer Anerkennung im Nachgang. Während ihre Männer hingerichtet wurden, sind einige von ihnen zwar verhaftet, gefoltert, zu Zuchthaus- oder Konzentrationslagerstrafen verurteilt worden – bezeichnenderweise unter dem Begriff „Sippenhaft“ – ein Großteil jedoch wurde am Leben und in Freiheit gelassen. Dabei waren viele der Ehefrauen in alle Geschehnisse, Zusammenhänge und Personenverbindungen eingeweiht. Sie waren bei Treffen anwesend, tauschten sich mit den Beteiligten aus und besprachen mit Ehemännern und engen Vertrauten ihre Ansichten und Einschätzungen. All das ist in Memoiren, Briefen und Tagebüchern belegt. Noch mehr als das waren Frauen dafür zuständig, ein „Bild der Häuslichkeit“ nach außen zu suggerieren, um die Widerstandsaktivitäten, die sich intern abspielten, geheim zu halten. Ehefrauen fielen in eine Doppelfunktion, in der sie den Widerstand unterstützten und zeitgleich ihre Familie versorgen mussten. Dass sie sich selbst auch später noch als weniger aktiv und relevant wahrnahmen, resultiert aus ihrer eigenen sozialen Prägung, Rollenerwartungen und dem Frauenbild der Zeit.

Es besteht ein Spannungsfeld aus real-nachweisbarer Wirkung, zurückhaltender Selbstwahrnehmung und verdrängender Erinnerungskultur, das es aufzubrechen gilt, um ein vollständiges Bild des deutschen Widerstandes und dem Anteil der Ehefrauen zu erarbeiten. Eine Spirale aus verstrickten, sich gleichzeitig bedingenden und bekämpfenden Ideologien, Rollenklischees und daraus folgender mangelnder historischer Aufarbeitung, die Ausgangspunkt wissenschaftlicher Forschung des Promotionsprojektes sein soll. All dies ist bis in das heute gängige Bild der Ehefrauen eingedrungen, was es endlich vollständig darzustellen gilt.