Heiko Mikolajczak, Ruhr-Universität Bochum

Wie unterscheiden sich Menschen in der Wahrnehmung und Verarbeitung von gesellschaftlichen Krisen (am Beispiel der Klimakrise)? Welche Rolle spielen positives und negatives Zukunftsdenken dabei für die Wahrnehmung und Verarbeitung von gesellschaftlichen Krisen?

Die Umweltpsychologie möchte den Anspruch eines transformativen Paradigmas gerecht werden, welches Wissen über Barrieren, Transformationspfade und Ziele der sozial-ökologischökonomischen Transformation bereitstellt. Bislang ist ihr das leider nicht ausreichend geglückt. Die aktuelle Forschungslandschaft bringt neue theoretische Ansätze hervor, die bislang unberücksichtigte psychologische Grundlagenforschung versucht mit transformationswissenschaftlichen Fragestellungen zu verknüpfen. In meiner Dissertation verfolge ich genau solch einen Ansatz: Ich beleuchte, wie sich Menschen in der Wahrnehmung und Regulation von gesellschaftlichen Krisen unterscheiden.

Gesellschaftliche Krisen können in Menschen den Wunsch nach Wandel, Erneuerung und Innovation oder auch den nach Sicherheit und Bewahrung auslösen. Dystopischen und utopischen Erzählungen werden dabei eine zentrale Rolle in der Kritik der aktuellen Gesellschaft zugeschrieben. Ich untersuche, ob man diese Erkenntnisse auf psychologische Forschung übertragen kann. Dazu stelle ich die Frage, wie Menschen sich in ihrem sozioemotionalen Umgang mit gesellschaftlichen Krisen unterscheiden. Ich nehme an, dass gesellschaftliche Krisen unser Bedürfnis nach einem positiven Zukunftsblick frustrieren. Weiterhin gehe ich davon aus, dass Menschen dazu verschiedene Formen des Zukunftsdenkens, z.B. Gleichgültigkeit gegenüber der Zukunft, blinden Optimismus, dystopisches Zukunftsdenken oder utopisches Zukunftsdenken anwenden und diese unterschiedlich stark mit Verleugnung oder Engagement zusammenhängen. Hierbei spielen sowohl philosophische Theorien zur Dialektik von Hoffnung und Verzweiflung und Erkenntnisse aus psychologischer Forschung zu Emotions- und Selbstregulation eine Rolle, um zu überprüfen, ob diese verschiedenen Formen des Zukunftsdenken motivationale Funktionen erfüllen. Zur Klärung dieser Fragen wende ich Interviewmethoden und Skalenkonstruktion als methodische Strategien an.

Weitergehend nehme ich eine längsschnittliche quantitative Forschungsperspektive ein, um zu erforschen, welche Merkmale von Menschen und die Stabilität oder Veränderlichkeit von Zukunftsdenken erklären und unter welchen kommunikativen Bedingungen welche Form des Zukunftsdenkens wahrscheinlicher auftritt. Als Prädiktoren nehme ich dazu unter anderem den Grad der Erfüllung von psychologischen Grundbedürfnissen (Verbundenheit, Autonomie, Kompetenz sowie Verletzlichkeit) und das Glücksverständnis einer Person in den Blick. Ein tieferes Verständnis der Stabilität und Veränderlichkeit von Zukunftsdenken würde das Erstellen von Guidelines zur Krisen- und Transformationskommunikation ermöglichen, die Policymaker*innen und anderen gesellschaftlichen Akteuren*innen (z.B. soziale Bewegungen) eine evidenzbasierte Orientierung bieten sollen.

Als Zielvision verfolge ich herauszufinden, mit welcher Form der Transformations- und Krisenkommunikation ein sozial geteilter Hoffnungshorizont entsteht, der Menschen dazu einlädt, an einer neuen positiven Vision der Zukunft mitzuwirken. Für das kollektive Weben neuer Geschichten und Narrative ist es wichtig, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre psychologischen Grundbedürfnisse kommunikativ zu wahren und die Unterschiedlichkeit von Menschen als eine Ressource für systemische Innovation zu sehen. So können wir gemeinsam dazu beitragen, dass die gesellschaftliche Vision einer nachhaltigen Welt als schrittweiser, inklusiver und friedlicher Wandel gelingt.