Vorbereitungen auf das Medium der Zukunft

Online-Journalismus polarisiert. Die einen sind begeistert von den Möglichkeiten, die das Internet bietet: multimediale Aufbereitung von Informationen, schnelle Interaktion mit Leser/innen, das Recherche-Eldorado der sozialen Medien. Andere sorgen sich eher: Es gebe wenig überzeugende Konzepte für eine zukunftsfähige Finanzierung von qualitativ hochwertigem Netz-Journalismus, argumentieren sie. Der Zeitdruck bei der Arbeit steigt, Print-Redaktionen können aber trotzdem kaum mehr Leute einstellen. Und während Kolumnist/inn/en, Verleger/innen und Leser/innen diskutieren, entwickelt sich das Medium selbst fort: durch mobile Zugangsmöglichkeiten, eine rasant wachsende Zahl von Anwendungen und die stetigen Innovationen von Kommunikationsdiensten wie Facebook, Twitter und Co.

Bei der Schreibwerkstatt für die Stipendiat/inn/en des Programms „Medienvielfalt, anders“ in Bielefeld sollten wir uns nicht nur im Schreiben für Online-Medien üben. Zunächst ging es um grundsätzliche Fragen: Was unterscheidet Online- von Print-Journalismus? Wie wird sich das Berufsbild der Journalistin bzw. des Journalisten verändern? Kann man mit der Bereitstellung von Informationen im Internet überhaupt Geld verdienen?

Seminarleiterin Steffi Dobmeier ist sowohl im gedruckten als auch im Online-Journalismus versiert: von der Arbeit als Politikredakteurin bei der Zeitung „Thüringer Allgemeine“ wechselte sie in die Online-Redaktion der taz, für die sie heute als Chefin vom Dienst arbeitet. Sie hält wenig von einer ablehnenden Haltung gegenüber dem neuen Medium. Stattdessen plädiert sie für die Ausschöpfung der vielen Möglichkeiten, die das Internet Journalist/inn/en bietet: Recherche, Gestaltung, Austausch. Das bereichere die journalistische Arbeit, so Dobmeier.

Als wichtigste Merkmale des Online-Journalismus sind Punkte wie diese zu nennen: höhere Geschwindigkeit, mit der Artikel veröffentlicht werden, die Möglichkeit, einen Text durch Bildstrecken, Links, Video- und Audiomaterial anzureichern, schnelle Rückmeldung durch Leser/innen und den potentiell unbegrenzten Raum im World Wide Web. In drei Kleingruppen und später in der großen Runde beschäftigten wir uns intensiver mit Fragen nach der Zukunft der Zeitungen, Finanzierungsmöglichkeiten für Online-Journalismus und neuen Anforderungen an die Ausbildung und den Arbeitsalltag von Journalist/inn/en.

Am Samstagmorgen verglichen wir einzelne Online-Medien. Worin unterscheiden sich taz.de und Tagesschau.de? Was ist spezifisch an Bild.de, was an Stern.de? Nutze ich lieber Spiegel-Online oder  Zeit-Online? Welche Multimedia-Angebote haben die Nachrichtenseiten? Wie übersichtlich sind sie, wie gut können die Nutzer/innen durch sie navigieren?

Mit der Theorie im Kopf gestalteten wir ab Mittag selbst Online-Inhalte: ein Online-Dossier „Crossing Germany – Bewegungen und Räume der Migration“.  Dazu hatten wir im Vorfeld des Seminars bereits Texte an Steffi Dobmeier geschickt: Recherchen aus einem Auffanglager für Asylbewerber/innen in Niedersachsen, ein Interview mit einem geflohenen kurdischen Künstler, eine Reportage über den Streit zum Bau einer Moschee in Frankfurt.

Steffi Dobmeier hatte die Texte bereits redigiert, lobte, kritisierte, machte Verbesserungsvorschläge: Was wird wie verständlicher? Wie kann man einen Text noch besser aufbauen? Wie ist die Sprache? Im Anschluss machten wir unsere Texte „fit fürs Netz“: Titel, Teaser und Zwischenüberschriften finden, relevante Links und Bilder suchen, Infokästen erstellen.

Steffi Dobmeier gelang es, Vorurteile gegenüber dem Online-Journalismus auszuräumen und aufzuzeigen, welche Chancen das Internet für Journalist/inn/en bietet. Durch die Übungen am eigenen Text sind wir nun ein bisschen besser vorbereitet – auf das, was die Arbeit für das Medium der Zukunft ausmacht.

Die Beiträge des Seminars sind hier zu finden: http://www.migration-boell.de/web/migration/46_3222.asp.