Jahresbericht 2011 der Heinrich-Böll-Stiftung

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Jahresbericht 2011 der Heinrich-Böll-Stiftung

7. Mai 2012

Vorwort

Mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie ist Deutschland zum globalen Vorreiter für die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energie geworden. Ein Erfolg dieses Projekts kann die ökologische Transformation des Wirtschaftssystems über Deutschland hinaus beflügeln. Die Heinrich-Böll-Stiftung begleitet diesen Prozess national wie international. Wir geben Anstöße für den Umbau: für zukunftsfähige Mobilitätskonzepte, für die Erneuerung unserer Städte und für einen nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen. Wir unterstützen Menschen, die sich gegen Fehlentwicklungen stemmen und für Alternativen eintreten – ob in der Landwirtschaft, im Bergbau- oder im Energiesektor. Die Ressourcen-, Klima- und Ernährungskrisen verschärfen sich wechselseitig. Wir suchen deshalb mit unseren Partnerinnen und Partnern nach neuen transdisziplinären Strategien.

Europa wird von einer hartnäckigen Finanz- und Schuldenkrise erschüttert. Sie stellt die Mitgliedsstaaten wie die europäischen Institutionen vor gewaltige Herausforderungen. Während die Finanzmärkte kurzfristig reagieren, sind transnationale Entscheidungsprozesse langwierig. Wie können wir die Europäische Union handlungsfähiger machen und zugleich die Transparenz europäischer Politik verbessern? „Mehr Europa“ und mehr demokratische Beteiligung müssen Hand in Hand gehen. Das ist auch das beste Gegenmittel gegen populistische Bewegungen, die sich gegen die europäische Integration wie gegen die Rechte von Minderheiten wenden. Grund genug für uns, unser Engagement für ein vereintes, demokratisches Europa zu verstärken.

Die Umbrüche in der arabischen Welt, in Libyen, Tunesien und Ägypten bedeuten eine historische Zäsur. Dies gilt sowohl für deren innere Verfasstheit, für die internationale Zusammenarbeit als auch für die Politik der arabischen Länder untereinander. Die Massenproteste in Tunis und Kairo haben die alten Regime hinweggefegt und das Tor zu einer demokratischen Entwicklung der Region aufgestoßen. Gleichzeitig wird deutlich, wie langwierig und kompliziert die politische, soziale und ökonomische Modernisierung der arabischen Welt sein wird. Die aktuellen Entwicklungen nehmen großen Einfluss auf unsere Arbeit vor Ort und in Deutschland. Wir informieren mit Analysen aus und zu der Region und unterstützen demokratische Kräfte vor Ort. Wir bauen zudem mit Vertretungen in Ägypten, Tunesien und Marokko unsere Präsenz aus.

Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht und Sexualität sind weltweit noch immer an der Tagesordnung. In Deutschland und in vielen Regionen der Welt arbeiten wir mit mutigen Partnerinnen und Partnern für eine geschlechtergerechte Gesellschaft und zum Schutz sexueller Minderheiten zusammen. Wir bündeln Kräfte, bauen vorhandene Netzwerke aus und erschließen neue. Auch über dieses Engagement legt dieser Bericht Zeugnis ab.
Das Wissen und das Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Fundament für unsere erfolgreiche Arbeit. Sie wird bereichert durch vielfältiges ehrenamtliches Engagement: in den Fachbeiräten und Fachkommissionen, dem Frauenrat, dem Aufsichtsrat, der Mitgliederversammlung und der Grünen Akademie. Allen, die zur Wirksamkeit der Heinrich-Böll-Stiftung beigetragen haben, gilt unser herzlicher Dank.

Berlin, im April 2012
Ralf Fücks  Barbara Unmüßig
Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

Jahresbericht 2011 der Heinrich-Böll-Stiftung
   
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Erscheinungsdatum 7. 2012
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Auf einen Blick

Demokratie und Menschenrechte (S. 4)

Der Arabische Frühling steht für den großen Wunsch der Menschen nach Freiheit. Doch der Wechsel von einem autokratischen Regime zu einer Demokratie vollzieht sich nicht von heute auf morgen. Es müssen entsprechende Institutionen aufgebaut, Korruption bekämpft und alte Herrschaftsstrukturen aufgelöst werden. Wir unterstützen die Gesellschaften auf ihrem schwierigen Weg in Richtung Demokratie – in der arabischen Welt, aber auch anderswo. Im Jahr 2011 waren wir mit entsprechenden Projekten u.a. in Afghanistan, Pakistan, Myanmar, Mexiko, Südafrika oder Russland aktiv.

Europapolitik (S. 18)

Die Europäische Union steht an einem Scheideweg. In der aktuellen Finanzkrise wird sich zeigen, wie weit die EU noch zukunftsfähig ist. Eine Expertenkommission hat in unserem Auftrag konkrete Handlungsvorschläge für die Zukunft der EU erarbeitet. Mehr Europa und mehr Demokratie wagen – so lautet das Fazit. Als Think tank unterstützen wir den europäischen Einigungsprozess und entwickeln Visionen für ein zukunftsfähiges Europa. Populistischen Bestrebungen, die die europäische Solidarität untergraben, arbeiten wir entgegen.

Globalisierung und Nachhaltigkeit (S. 22)

Die Energiewende in Deutschland zeigt: auch ein hochindustrialisiertes und exportorientiertes Land kann auf erneuerbare Energien umsteigen. Seit Jahren engagieren wir uns für einen globalen Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft und für eine ressourcenschonende, nachhaltige Entwicklung. Trotz der vielfältigen Krisen tut sich die Weltgemeinschaft schwer, entsprechend zu handeln. Wir begleiten daher internationale Verhandlungen kritisch, analysieren die Ergebnisse, klären auf und geben Impulse für mehr Ökologie, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit – zuletzt u.a. im Bereich der Klimafinanzierung und dem gefährlichen Abbau von Teersanden.

Die große Transformation – Green New Deal (S. 32)

Unser derzeitiges Wirtschaften bedroht nicht nur Klima und Umwelt, sondern auch Wohlstand und Zivilisation. Wenn wir nicht noch schlimmere Krisen und Konflikte in Kauf nehmen wollen, müssen wir in den kommenden Jahren umsteuern. Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag. Mit einem „Green New Deal“ wollen wir die ökologische Transformation unseres Wirtschaftssystems möglich machen. Im Jahr 2011 haben wir dazu zahlreiche Diskussionen und Fachgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik veranstaltet.

Außen- und Sicherheitspolitik (S. 36)

Von einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ist die Europäische Union noch weit entfernt. Will sie auch in Zukunft eine tragende Rolle bei der Lösung globaler Herausforderungen übernehmen, müssen ihre Mitgliedsländer gemeinsame Leitlinien für eine „Weltinnenpolitik“ entwerfen. Mit unserer Arbeit wollen wir dies voranbringen und Raum bieten für den internationalen Austausch über sicherheitspolitische Fragen. Themenschwerpunkte waren im Jahr 2011 u.a. die Bilanz nach zehn Jahren 9/11, der Wandel in der arabischen Welt und der ungelöste Israel-Palästina-Konflikt.

Geschlechterpolitik / LGBTI (S. 40)

Die Gleichberechtigung aller Menschen ist unabdingbar für eine funktionierende Demokratie. Ein besonderes Anliegen ist uns die Förderung der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe von Frauen und die Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersex (LBGTI). Im Jahr 2011 veranstalteten wir entsprechend die Konferenz „Women, Religion and Politics“ in Pakistan und unterstützten Programme zum Schutz sexueller Minderheiten in Israel, der Türkei und dem arabischen Raum.

Gunda-Werner-Institut (S. 42)

Das Gunda-Werner-Institut (GWI) bündelt Themen und aktuelle Fragestellungen rund um Geschlechterpolitik und fördert so die Auseinandersetzung um Feminismus und Geschlechterdemokratie. Im vergangenen Jahr begleitete es die Frauenfußball-WM mit vielfältigen Aktivitäten: der Kampagne GENDER KICKS, einer bundesweiten Veranstaltungsreihe, und einem Green Ladies Lunch. Zum 100. Jubiläum des Internationalen Frauentags stellte das GWI (un)bezahlte Haus- und Pflegearbeit zur Diskussion.

Bildung, soziale Teilhabe und Aufstieg (S. 44)

Seit Jahren setzen wir uns für eine Politik der sozialen Durchlässigkeit ein, die faire Aufstiegschancen ermöglicht und strukturelle Blockaden – etwa durch Diskriminierung und herkunftsbedingte Benachteiligung – auflöst. Die besonderen Chancen liegen im Zugang zu Bildung und Kommunikation, in der Stärkung der Eigeninitiative und der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten. Im Jahr 2011 diskutierten wir das Verhältnis von gesellschaftlicher Dynamik und sozialem Ausgleich, veröffentlichten eine Studie zu Migrantinnen und Migranten in der Kommunalpolitik und resümierten 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei.

Studien- und Promotionsförderung (S. 48)

Köpfe für die Zukunft! Wie auch in den Vorjahren haben wir studierende und promovierende Fach- und Führungskräfte gefördert, die in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft Verantwortung übernehmen können. Mit der Förderung des internationalen Austauschs, des interkulturellen Dialogs und der Vernetzung leisten wir einen Beitrag zur internationalen Verständigung.

Kunst, Kultur und Öffentlichkeit (S. 52)

In Krisenzeiten kommt der Kunstszene eine besondere Bedeutung zu: Fotografien, Filme, Videoinstallationen, Theater, Performances, Literatur – sie alle lassen scheinbar Alltägliches und oft Besprochenes neu wahrnehmen und überdenken. Wir fördern daher Kunst und Kultur als Ausdrucksform gesellschaftlicher Selbstverständigung und Reflexion. Besondere Aufmerksamkeit schenken wir den Veränderungen in der politischen Öffentlichkeit und den Medien in Zeiten des Internets. Im vergangenen Jahr veranstalteten wir u.a. eine Ausstellung über neue religiöse Bewegungen in Metropolen, drei Filmfestivals und die Fachtagung „netz:regeln“.

Heinrich-Böll-Haus Langenbroich (S. 58)

In vielen Ländern sind Künstlerinnen und Künstler durch ihren Einsatz für die Freiheit Repressionen ausgesetzt. Mit unserem Stipendienprogramm im Heinrich-Böll-Haus Langenbroich bieten wir Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit, für einige Zeit ungestört und finanziell abgesichert arbeiten zu können. Im Jahr 2011 begrüßten wir Künstler aus dem arabischen Raum, aus Belarus, Russland, Serbien und China in Langenbroich.

Green Campus – Weiterbildung, Politik, Management (S. 60)

Unter dem Dach von Green Campus vereinen sich die Weiterbildungsangebote der Heinrich-Böll-Stiftung und ihrer Landesstiftungen im Bereich Politikmanagement. Ziel ist es, ehrenamtlich Aktiven und Profis das Rüstzeug für eine erfolgreiche politische Arbeit zu vermitteln. Im Jahr 2011 bot Green Campus wieder das Politikmanagementzertifikat an. Voraussetzung dafür ist der Besuch eines Seminars mit gut 20 thematisch und methodisch aufeinander abgestimmten Modulen aus den Bereichen Kommunikation, Medien und Organisation.

Archiv Grünes Gedächtnis (S. 61)

Das Archiv dient der historischen Überlieferungen der Partei Bündnis 90/Die Grünen und sammelt Quellen zur Geschichte der Neuen Sozialen Bewegungen. Alle Unterlagen stehen der interessierten Öffentlichkeit und der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung. Darüber hinaus veranstaltet das Archiv u.a. Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und macht so grüne Geschichte lebendig.

Rückblick 2011 (S. 62)

Im Jahr 2011 konnten wir zwei langjährigen Wegbegleitern gratulieren: Bahman Nirumand zum 75. Geburtstag und Milan Horacek zu seinem wohlverdienten Ruhestand. Auch unser Vorstand Ralf Fücks feierte seinen 60. Geburtstag. Navid Kermani bekam den Hannah-Arendt-Preis und Dorota Kedzierzawska den Friedensfilmpreis der Berlinale, dessen Preisgeld die Stiftung stellt. Mit Wangari Maathai und Vaclav Havel verloren wir zwei großartige Menschen, die uns über viele Jahre sehr verbunden waren.

Stiftungsmanagement (S. 64)

Wir finanzieren uns fast ausschließlich aus öffentlichen Zuwendungen. Im Jahr 2011 standen uns rund 44,6 Millionen Euro zur Verfügung. Knapp die Hälfte wurde für Projekte der internationalen Zusammenarbeit verwendet. Der ordnungsgemäße Umgang mit unseren finanziellen Mitteln wird alljährlich von einem Wirtschaftsprüfer geprüft. Auch im Jahr 2011 kam es zu keinerlei Beanstandung.

 
 

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Produktdetails
Veröffentlichungsdatum
7. Mai 2012
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung
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