Verstärkte Umweltbesteuerung als Lösungsansatz für die Wirtschafts- und Finanzkrise

Eine CO2-Steuer ist eine Möglichkeit, gezielt den Klimawandel zu bekämpfen, sofern die Emissionen der jeweiligen Steuerzahler nicht schon vom Emissionshandel der EU abgedeckt werden. Eine solche Steuer hat die EU-Kommission am 13. April 2011 vorgeschlagen.  Foto: Rhiannon Fionn Lizenz: CC-BY-NC-SA Original: Flickr

30. November 2012
Kai Schlegelmilch
Einige Staaten innerhalb der EU sind in einer schweren Wirtschafts- und zugleich Finanzkrise. Sie müssen einerseits für Wirtschaftswachstum sorgen, um Arbeitsplätze zu sichern und schaffen. Doch sie benötigen auch dringend mehr Geld, das sie durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen beschaffen müssen. Einige Länder haben bereits Ausgaben gekürzt, oft zulasten der Sozialsysteme, was verständlicherweise heftige Proteste nach sich zog und nach wie vor für Unruhen sorgt. Viel zu selten wurden dabei  Subventionen gekürzt, die der Umwelt schaden. Es fehlt sogar an einer Fokussierung auf umweltschädliche Maßnahmen beim Subventionsabbau. Diese sollten daher als erstes gezielt identifiziert und gekürzt werden.

Die meisten Staaten stellen jedoch fest, dass ihre bisherigen Kürzungen noch nicht reichen, um den Finanzbedarf zu decken. Daher sind notgedrungen auch Steuererhöhungen unumgänglich. Diese haben aber – wenn das Aufkommen lediglich zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet wird und nicht durch Senkung anderer Abgaben oder gezielte Investitionsprogramme zurückgegeben wird – mehr oder weniger negative Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Notwendige Steuererhöhungen

Welche Art von Steuererhöhungen haben aber die geringsten Nachteile auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzsicherung?  Eine neue Studie gibt eine klare Antwort auf diese Frage: Erhöhungen der Energie- und CO2-Steuern haben die geringsten negativen Auswirkungen verglichen mit der Erhöhung anderer indirekter (z.B. Mehrwertsteuer) oder direkter (z.B. Einkommensteuer) Steuern. Darüber hinaus führen Energie- und CO2-Steuern dazu, dass Kohlendixoid-Emissionen sinken und Energieeffizienzen steigen. So werden Kosten eingespart und zugleich der Wettbewerb gestärkt. Kein Wunder, dass der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (1999 – 2005) den Ansatz explizit unterstützt.

In der Tat sind bereits mehrere Staaten diesem Ansatz gefolgt. Griechenland hat beispielsweise seine Kraftstoffsteuern deutlich erhöht. Irland hat eine Flugticketabgabe und auch eine CO2-Steuer eingeführt. Spanien will ab 2013 eine höhere Energiebesteuerung umsetzen. Es geht also in die richtige Richtung und die Staaten erkennen und realisieren zunehmend die Vorteile einer verstärkten Umweltbesteuerung gegenüber anderen negativer wirkenden Steuerarten.

Ein bunter Strauß an Möglichkeiten: Umweltsteuern

Die Palette der Optionen bei der Auswahl der Umweltsteuern ist sehr groß. Eine verbindliche Regelung auf EU-Ebene wäre bei der Umsetzung und späteren Verplanung der Mittel sehr sinnvoll, allerdings ist eine solche aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit sehr schwierig durchzusetzen. Die derzeitigen Überlegungen zu einer Fiskalunion und einer möglichen EU-Vertragsänderung stellt allerdings eine gute Chance dar, dies zu ändern, zumindest etwas zu lockern.

Folgende umweltpolitisch und fiskalisch sinnvolle Optionen stehen zur Verfügung:

CO2-Steuer

Eine CO2-Steuer ist eine naheliegende Möglichkeit, gezielt den Klimawandel zu bekämpfen, sofern die Emissionen der jeweiligen Steuerzahler nicht schon vom Emissionshandel der EU abgedeckt werden. Eine solche Steuer hat die EU-Kommission am 13. April 2011 vorgeschlagen. Sie sieht eine Umstellung der Energiebesteuerung in Abhängigkeit von Energieverbrauch und CO2-Emissionen anstelle von Litern und Kubikmetern vor. Es läge also sehr nahe, diesen Vorschlag zu unterstützen und auch schon in nationales Recht umzusetzen, wie in einigen nordischen Staaten schon lange geschehen, einschließlich jüngst auch in Irland. Die Mitgliedstaaten könnten damit insgesamt rund 40 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Das entspräche ca. einem Drittel des gesamten EU-Budgets, in das diese Einnahmen alternativ auch  fließen könnten.

Flugticketabgabe/Besteuerung der Flugtreibstoffe

Mit einer Flugticketabgabe wird der Abflug aus einem EU-Staat finanziell belastet. Das Vereinigte Königreich, Frankreich, Deutschland, Österreich und Irland haben bereits eine solche Abgabe eingeführt. Als Alternative kommen eine Besteuerung der Flugtreibstoffe oder eine Flugwegemaut in Frage. In Europa besteuern bisher lediglich die Niederlande und Norwegen Kerosin auf ihren Inlandsflügen. EU-weit sind mehrere Initiativen aufgrund der für alle fiskalischen Maßnahmen erforderlichen Einstimmigkeit gescheitert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich mehrere Staaten für eine Flugticketabgabe entschieden haben, die unabhängig von anderen Staaten eingeführt werden kann und wenig Verzerrungen zur Folge hat.

Kernbrennstoffsteuer

Eine Steuer auf Kernbrennstoffe ist eine weitere Steuerbasis, mit der zumindest ein kleiner Teil der Risiken und Kosten, die mit der Nutzung der Atomenergie verbunden sind, etwas ausgeglichen werden könnte. Bisher gibt es diese nur in Deutschland, Niederlande und Schweden, außerhalb Europas aber auch in Japan.

Ausbau des Emissionshandels

Die Einnahmen aus einer stärkeren Versteigerung von Emissionsrechten im Rahmen des EU-Emissionshandels könnten ebenfalls in die öffentlichen Haushalte fließen. Eine andere Möglichkeit, wie von der EU-Kommission erst am 14. November 2012 vorgeschlagen, ist die faktische Verknappung der Emissionszertifikate, so dass die Preise auf dem Emissionshandelsmarkt anziehen würden. Bei der in regelmäßigen Abständen stattfindenden Erstauktionierungen der Zertifikate könnte der Staat so höhere Einnahmen erzielen.

Finanztransaktionsteuer

Eine Finanztransaktionsteuer sollte auf finanzielle Transaktionen, die durch den Spekulationscharakter mancher Geschäfte zur Banken-, Wirtschafts- und Finanzkrise beigetragen haben, erhoben werden. Einige Staaten haben mit einer Bankenabgabe bereits einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Immerhin elf EU-Mitgliedstaaten haben sich kürzlich bereit erklärt, diese gemeinsam einzuführen.

Endliche Rohstoffe besteuern


Auf lange Sicht muss man dazu kommen, alle geförderten oder importierten endlichen, später auch erneuerbare Rohstoffe einer Abgabe zu unterwerfen, um so ihren effizienten Einsatz und das Recycling zu stärken. Als erster Schritt auf diesem Weg liegt die Ausweitung der Energiebesteuerung auch auf die nicht-energetische Nutzung derselben nahe, sprich für sämtliche Kunststoffe, die auch aus Erdöl hergestellt werden. In einem weiteren Schritt sollte sie Baustoffe umfassen, um dann schrittweise weitere mineralische Rohstoffe einzuschließen.

Umweltbesteuerungen bieten somit eine Vielzahl von konkreten Umsetzungspunkten, wie Staaten einerseits ihre öffentlichen Finanzen verbessern können ohne andererseits Wirtschaft und Jobs wesentlich zu gefährden. Auf alle Fälle – und nur das ist in der jetzigen Zeit entscheidend und relevant – mit weniger Gefahren für das Wachstum als durch andere Steuererhöhungen. Die Fortsetzung einer Finanzpolitik, die diese Erkenntnis nicht umsetzt, können wir uns weder umwelt- noch finanzpolitisch weiter leisten.

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Kai Schlegelmilch ist ehrenamtlicher stellvertretender Vorsitzender des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und Vizepräsident von Green Budget Europe (GBE).

Englische Version des Artikels.

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Die EU steckt nicht nur in einer Schuldenkrise, sondern auch in einer Vertrauens- und Demokratiekrise. Gerade jetzt ist eine breite öffentliche Debatte über alternative Vorschläge zur Zukunft Europas gefragt. Die Heinrich-Böll-Stiftung möchte mit dem Webdossier zu dieser Debatte beitragen.