Alleinerziehende stärken, heißt Kinder stärken

Seit Wochen kündigt Ministerin Schwesig eine Reform des Unterhaltsvorschusses an. Die Reform muss dringend jetzt und unabhängig von haushälterischen Überlegungen angegangen werden, um die Situation von Alleinerziehenden zu verbessern.

Unterhaltsvorschuss
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Das deutsche Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen, kurz Unterhaltsvorschussgesetz, regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Kind eines alleinerziehenden Elternteils eine Unterhaltsleistung als staatliche Sozialleistung erhält.

Seit Wochen kündigt Ministerin Schwesig eine Reform des Unterhaltsvorschusses an. Das Unterhaltvorschussgesetz muss dringend jetzt und unabhängig von haushälterischen Überlegungen angegangen werden, um die Situation von Alleinerziehenden zu verbessern.

Alleinerziehende arbeiten im Durchschnitt mehr als Mütter in Paarbeziehungen. Trotzdem schaffen sie es nicht, dem Teufelskreis der Armut zu entkommen. Denn sie sind häufig, trotzt Erwerbsarbeit, auf zusätzliche Leistungen angewiesen. Oft ist es schon schwer genug, die Miete für eine Familienwohnung alleine zu erwirtschaften oder es fehlen ganztätige Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder in Schule und Kita.

Ein weiterer und sehr gewichtiger Grund, warum viele Alleinerziehende der Armutsfalle nicht entkommen, ist, dass nur die Hälfte von ihnen Kindesunterhalt erhält und ein weiteres Viertel keinen Vollständigen. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass in etwa 75 Prozent der Fälle durch Kindesunterhaltszahlungen weder der angemessene Bedarf eines Kindes gedeckt, noch eine Mindestsicherung erreicht wird. Eigentlich sollte für diese Fälle die familienpolitische Leistung des Unterhaltsvorschusses greifen und das Risiko des ausfallenden Unterhalts von den Alleinerziehenden auf den Staat zu verlagern. Der staatliche Ersatz, der Unterhaltsvorschuss, wird aber nur maximal sechs Jahre und nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes gezahlt. Dadurch verbessert der Unterhaltsvorschuss aber die finanzielle Situation vieler Alleinerziehender nur für sehr kurze Zeit, endet damit abrupt oder sie erhalten ihn gar nicht, weil ihre Kinder das 12. Lebensjahr bereits vollendet haben. Aber gerade wenn Kinder zu Jugendlichen heranwachsen, steigen ihre Wünsche und Bedürfnisse enorm: die getragene Jeans der Schwester ist peinlich und auch ein Handy braucht man, um sich mit seinen Mitschüler/innen über die Hausaufgaben austauschen zu können oder einfach nur dazuzugehören. Diese Absurdität kann man keiner und keinem Alleinerziehenden vermitteln.

Deshalb muss der Unterhaltsvorschuss dringend gemeinsam mit dem Kinderzuschlag zu einer Leistung umgewandelt werden, die das sächliche Existenzminimum der Kinder und Jugendlichen dauerhaft abdeckt. Diese Verbesserungen gibt es nicht umsonst. Hinzu kommen die Probleme bei der derzeitigen Finanzierung des Unterhaltsvorschusses:  Wenn der Staat in Vorleistung zum ausfallenden Unterhalt geht, versucht er, es auf dem Weg des Rückgriffs die Mittel beim anderen Elternteil zurückzuholen. Die Einnahmen durch den Rückgriff sind aber sehr gering. Ebenfalls beteiligen sich die Länder an der Finanzierung des Unterhaltsvorschusses. Es müssen daher neue Wege gefunden werden, um die richtigen Anreize zu setzen und die Rückholquote von säumigen Unterhaltszahlenden zu verbessern. Wie Frau Prof. Dr. Wersig in ihrer Studie zeigt, ist dies nicht alleine durch eine Verbesserung der Rückholquoten zu erreichen. Es können jedoch Misssstände aufgedeckt und Verbesserungen angestrebt werden. Richtungsweisend sind spezialisierte Einheiten bei der Finanzverwaltung. Darüber hinaus braucht es genügend und qualifiziertes Personal, um den Rückgriff engagiert und effizient zu betreiben. Als ein Vorbild für Deutschland könnte auch der Child Maintenance Service sein, wie er in Großbritannien existiert. Der Child Maintenance Service ist eine staatliche Agentur, die die Berechnung und ggf. die Durchsetzung von Unterhaltsverpflichtungen übernimmt.

Überlegungen gibt es auch dahingehend, weitere Einsparungen durch die Abschaffung der Vorrangigkeit des Unterhaltsvorschusses zu betreiben. Dies wäre jedoch ein falsches Signal. Den Unterhaltvorschuss bekommen Alleinerziehende nämlich nicht, weil sie arm sind, sondern weil der andere Elternteil sich nicht an der Existenzsicherung des Kindes beteiligt.

Seit Wochen kündigt Ministerin Schwesig nun eine Reform des Unterhaltsvorschusses an. Diese Ankündigungen dürfen nicht im Sande verlaufen. Alleinerziehende leisten enorm viel. Sie brauchen daher unsere besondere Unterstützung. Die Reform des Unterhaltsvorschusses muss daher dringend jetzt und unabhängig von haushälterischen Überlegungen angegangen werden.

Dr. Franziska Brantner, MdB , Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik Bündnis 90/ Die Grünen und Vorsitzende der Familienpolitischen Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung