Kommunizieren für die Verkehrswende

Praxistipp

Auf dem Weg zur kommunalen Verkehrswende ist professionelle Kommunikation ein mächtiges Werkzeug, das viel zu wenig genutzt wird.

Kommunale Verkehrswende. Praxistipps für die Kommunikation für die Verkehrswende. Foto einer Menschengruppe

Kommunikation kann dazu dienen, eine gewünschte Verhaltensänderung der Bürger/innen zu forcieren, Mitstreiter/innen für die Verkehrsberuhigung einer Straße zu gewinnen oder den Einwohnern und Einwohnerinnen der Stadt eine neue Verordnung zu erklären. Doch wenn man Menschen von einer Verhaltensänderung überzeugen möchte, geht das nicht über Nacht. Denn wer sich über Jahre an eine Verhaltensweise gewöhnt hat, wie den morgendlichen Gang zum eigenen Auto mit anschließender Fahrt zur Arbeit, wird sich schwertun, diese abzulegen.

Mit langfristiger Kommunikation in mehreren Stufen kann man mit dieser Routine brechen. Das zeigte das Bundesumweltministerium erfolgreich mit seiner Kampagne „Kopf an: Motor aus“. Die Kampagne wollte Menschen auf Kurzstrecken zum Umstieg auf das Fahrrad bewegen, setzte auf ein psychologisches Konzept aus der Suchtprävention, das transtheoretische Modell. In einer ersten Phase weckte die Kampagne in zahlreichen Kommunen in ganz Deutschland, darunter Karlsruhe, Aufmerksamkeit durch Plakat-Aktionen mit irritierenden, provozierenden Botschaften. In einer nächsten Phase folgten Aktionen, die einfache und verständlich Optionen für den Umstieg auf das Rad aufzeigten. In der abschließenden Phase gab es Streicheleinheiten für all jene, die den Umstieg gewagt hatten. Denn Dankesaktionen und bestärkende Botschaften sorgen für eine Verstetigung des neu gelernten Verhaltens.

Bürger/innen einbeziehen

Mithilfe von Beteiligungsprozessen können Bürger/innen eingebunden werden, die an der Gestaltung ihrer Heimatstadt mitwirken wollen. Da bei solchen Prozessen nur ein kleiner Teil der Bevölkerung erreicht wird, ist eine weitergehende Kommunikations- und Kampagnenarbeit notwendig, um relevante Teile der Bevölkerung zu einer Verhaltensänderung zu bewegen und damit dem politischen Vorstoß die wichtigen Anfangserfolge, aber auch den langen Atem zu verschaffen.

Hier können die klassischen Werkzeuge der Kampagnenarbeit genutzt werden: Von der Entwicklung einer einheitlichen Designsprache über Online-Maßnahmen und Social Media, von den vielfältigen Werkzeugen der Pressearbeit bis zu Printmaterialien, Give-aways oder Aktionen, von der Identifizierung von „Quartiersbotschafterinnen und -botschaftern“ vor Ort bis zum „InstaWalk“, einem Spaziergang, der über das soziale Medium Instagram bebildert wird, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Mit einer einheitlichen Designsprache punktet das Angebot „einfach Mobil“ der badischen Stadt Offenburg. Mobilitätsstationen, Teilautos, -fahrräder und -pedelecs sowie die Internetseite laufen unter dem Claim „einfach Mobil“, sind einheitlich in den Farben Weiß, Grün, Gelb gestaltet und mit derselben Wort-Bild-Marke gekennzeichnet. Dadurch werden die ausleihbaren Verkehrsmittel als zusammengehöriges, kombinierbares Mobilitätsangebot aus einer Hand wahrgenommen.

Das Paradebeispiel für emotionale Kommunikation über die sozialen Medien ist die Kampagne „Weil wir dich lieben“ der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Mit kreativen Bildern sowie witzigen Videos und Posts auf den Social-Media-Plattformen Instagram, YouTube, Facebook und Twitter inszeniert die BVG Bus- und Bahnfahren in Berlin als Erlebnisreise durch die Stadt. Das neue Image: Bus- und Bahnfahren mit der BVG ist cool und sexy. Die Kampagne hat großen Erfolg: Allein die YouTube-Videos wurden bisher rund 34 Millionen mal geklickt.

Bei Social-Media-Maßnahmen, aber auch beim Einsatz anderer Kommunikationskanäle gilt: Wenn man eine Verhaltensänderung bei möglichst vielen Menschen erzielen möchte, sie beispielsweise zum Umstieg vom Auto auf ÖPNV oder Fahrrad bewegen will, ist es am sinnvollsten, sich an die „Zielgruppe der Willigen“ zu wenden. Die Kommunikation muss sich also an diejenigen richten, die für das Thema empfänglich sind und bestenfalls schon gelegentlich mit dem Bus oder dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Denn es gibt einen Bevölkerungsanteil von 20 bis 25 Prozent, der seinen fahrbaren Untersatz liebt und nicht auf diesen verzichten möchte. Sich an diesen Menschen festzubeißen, ist vergebliche Mühe. Eine weitere Bevölkerungsgruppe sind diejenigen 10 bis 15 Prozent, die ihre Wege ohnehin schon regelmäßig mit dem Fahrrad, Bus und Bahn zurücklegen. Sie müssen nicht mehr überzeugt werden.

Framing, Nudging, Storytelling

Die heutige Kommunikationswelt ist komplex – um Informationen aufnehmen zu können, müssen Menschen Ankerpunkte geboten bekommen, die eine Einordnung ermöglichen. Die Lernpsychologie zeigt klar, dass sich dazu Geschichten, Storys, als Werkzeuge eignen. Mit deren Hilfe lernen wir schneller und dauerhafter als auf deduktive Weise. Gute Geschichten verinnerlichen wir leichter als abstrakte Informationen. Sie sind menschlich, nachvollziehbar, nah an der eigenen Lebenswelt, man kann sich besser damit identifizieren.

Von ebenso zentraler Bedeutung ist es, die eigenen Botschaften in einen Rahmen, einen Frame, einzubinden. Wir Menschen haben das Verlangen danach, Informationen, Sachverhalte, Ereignisse in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. „Frames führen also dazu, dass sich einzelne Worte über das aufgerufene singuläre Konzept hinaus auf unsere Wahrnehmung der Welt auswirken!“, schreibt die Linguistin und Autorin Elisabeth Wehling in ihrem Standardwerk zum politischen Framing. Spricht man etwa von der Klimaerwärmung, dann assoziieren wir allzu schnell wohlige Temperaturen am Kamin. Das Wort „Klimaerhitzung“ hingegen ordnet den Begriff in eine Umgebung ein, die so gar nicht angenehm erscheint, sondern Stress produziert.

Das bedeutet für die kommunale Praxis, dass es nicht ausreicht, isolierte gute Storys über mehr Fahrrad oder mehr Carsharing zu kreieren. Vielmehr muss ein gesamter Rahmen für nachhaltige, neue Mobilität entwickelt werden, in den die Menschen die einzelnen Maßnahmen einordnen können. Viel zu oft wird in Medien oder offiziellen Statements einfach nur nach Verkehrsträgern geordnet und vom Auto- und Bahnfahren, Radeln oder Zu-Fuß-Gehen gesprochen wie von unterschiedlichen Disziplinen. Es geht darum, den Boden für eine Zukunft zu bereiten, in der Mobilität als umfassende Dienstleistung (Mobility as a Service) verstanden wird.

Ein Beispiel für einen Frame aus dem Bereich Stadt- und Verkehrsplanung ist die „autogerechte Stadt“. In den 1950er- und 60er-Jahren war der Begriff positiv besetzt. Die autogerechte Stadt galt als modern und fortschrittlich. Sie hatte durch den Bau von breiten Straßen, Innenstadtringen und Parkplätzen das Verkehrschaos durch die zunehmende Motorisierung in der Nachkriegszeit in den Griff bekommen. Heute wird die autogerechte Stadt kritisch gesehen. Ein in der heutigen Zeit positiver besetzter Frame ist die lebenswerte „Stadt für Menschen“. Hier ist der Autoverkehr deutlich reduziert und nimmt wenig Raum ein, die Luft ist sauber, der Verkehr ist sicher und leise. Dank gut ausgebautem Rad-Netz und ÖPNV-Netz bleiben die Menschen dennoch mobil.

Ein dritter Kernbegriff neben Framing und Storytelling ist das Nudging. Dabei geht es darum, Verhaltensänderungen durch kleine praktische Anreize zu erzielen – durch positive und unbewusste Steuerung. Die Menschen werden dabei nicht zu bestimmten Aktionen genötigt. Vielmehr bieten kleine Stupser (Nudges) die Motivation dafür, sich auf bestimmte – in unserem Fall nachhaltige – Weise zu verhalten. Ein Beispiel sind etwa Fußgängertreppen, die bei Betreten Töne produzieren: ein einfacher Reiz, der den Spieltrieb befriedigt und Menschen auf die Nutzung der Rolltreppe verzichten lässt.

Buchtipps

  • Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht.
  • Thaler, Richard; Sunstein, Cass R. (2010): Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt.

Dieser Artikel besteht aus Auszügen aus dem „böll.brief, Grüne Ordnungspolitik #7, Bitte wenden!“, den Michael Adler und Robert Sedlak von der Kommunikationsagentur tippingpoints verfasst haben.