Nachhaltige Stadt- und Verkehrsplanung

Hintergrund

Wer die Verkehrswende in den Städten schaffen will, braucht gute Konzepte und einen langen Atem. Aber wer lokale Strukturen konsequent verändern will, muss eine Reihe von rechtlichen und bürokratischen Hindernissen überwinden.

Kommunale Verkehrswende. Stadtplanung und Verkehrsplanung für die nachhaltige Stadt. Foto Stadtplanungsplan

Städte sind dynamische Orte der Bewegung – der physischen, sozialen und geistigen Mobilität. Schon deshalb sind Stadtentwicklungsplanung und Verkehrsplanung eng miteinander verzahnt. Wer etwa Städte durch raumgreifende suburbane Zersiedelung in die Fläche wachsen lässt, erzeugt damit nicht nur ein höheres Verkehrsaufkommen und verteuert die Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel, sondern verbaut sich auch jene urbane Mobilität der kurzen Wege, die Städte zu kulturellen Innovationszentren macht.

Auf der anderen Seite stellt die Verdichtung der Städte eine große Herausforderung für die Planung dar: Denn die räumlichen Ressourcen sind begrenzt. Die kommunale Verkehrswende kann daher nur gelingen, wenn diese effizient für eine nachhaltige Mobilität genutzt werden. Deshalb rückt etwa das Parkraummanagement als besonders effektive Stellschraube für die Kommunen in den Mittelpunkt. „Man kommt nicht daran vorbei: Wer Alternativen zum Auto will, muss die überproportional großen Flächen, die der ruhende Verkehr einnimmt, reduzieren und für die dringend benötigten Radwege, Straßenbahntrassen oder Busspuren bereitstellen“, so Wolfgang Aichinger im Gespräch mit der Heinrich-Böll-Stiftung, Verkehrsplaner und Projektleiter beim Berliner Thinktank „Agora Verkehrswende“.

Allerdings bremst der Gesetzgeber die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen kommunalen Mobilität noch zu oft aus. „Die Autozentrierung ist in den rechtlichen Grundlagen wie der Straßenverkehrsordnung zementiert“, so Aichinger.

Zwei Zukunftstrends in der Stadt- und Verkehrsplanung

Weitet man den Blick auf allgemeine Trends in der Verkehrsplanung, so zeichnen sich zwei Tendenzen ab, die das Bild unserer Städte in den kommenden Jahrzehnten prägen werden: Zum einen sind wir Zeuge einer technologischen Dynamik, wie sie es in der Mobilität seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat: Die Digitalisierung ermöglicht die datengestützte Verkehrslenkung, autonome Fahrzeuge erobern den Straßenraum und die E-Mobilität weckt die Hoffnung auf einen von erneuerbaren Energien angetriebenen Verkehr.

Zum anderen entwickelt sich das zunehmend populäre Leitbild der „healthy streets“: Quartiere, die zu aktiver Bewegung einladen, eine entspannte und sichere Mobilität durch Rad- und Fußverkehr bieten und weitgehend frei vom motorisierten Individualverkehr sind. „Wie die Stadt der Zukunft aussieht, ist noch nicht abzusehen“, so Aichinger. „Aber die technikgläubige Seite ist bisher den Beweis schuldig geblieben, dass neue Technologien das Verkehrsaufkommen nicht noch weiter verstärken.“ Dieser Gefahr müsse man gegebenenfalls mit fiskalischen Instrumenten begegnen – wie höheren Parkgebühren oder einer Art City-Maut, etwa für Leerfahrten von autonomen Fahrzeugen.

Nachhaltige urbane Verkehrsplanung

Eine Methode der modernen, umweltschonenden Verkehrsplanung sind die von der Europäischen Union entwickelten „Sustainable Urban Mobility Plans“ (SUMP), die Stadtmobilitätspläne. Sie haben zum Ziel, die Zugänglichkeit des Stadtgebietes durch qualitativ hochwertige, nachhaltige Mobilitätsangebote und Transportmöglichkeiten zu verbessern. Die Planung soll eine ausgeglichene Entwicklung der verschiedenen Verkehrsträger – Straßenverkehr, Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV – fördern und so zu einer Verkehrsverlagerung hin zum Umweltverbund führen.

Die für Verkehrsplanung zuständige kommunale Behörde soll mit anderen kommunalen Behörden, deren Abteilungen, der Lokalpolitik und weiteren relevanten Interessengruppen zusammenarbeiten. So soll sichergestellt werden, dass Verkehrsplaner/innen beispielsweise auch die Raumplanung der Kommune berücksichtigen, um die Wege der Bürger/innen zu ihren Arbeitsplätzen, Einkaufszentren, Ärztehäusern oder Schulen möglichst kurz zu halten. Oder dass die Verkehrsplaner/innen mit der städtischen Umweltbehörde zusammenarbeiten, um die Auswirkungen des Verkehrs durch Abgase und Lärm auf Menschen, Tiere und Pflanzen zu reduzieren.

Andererseits soll es auch mehr Austausch und Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und relevanten Behörden auf Kreis- oder Landesebene geben. Das ist besonders wichtig, um Projekte zu realisieren, die nicht an der Stadtgrenze enden, wie beispielsweise Radschnellwege. Dass es in Deutschland noch fast keine Radschnellwege gibt, liegt auch daran, dass die regionale Abstimmung und Koordination oft nicht funktioniert. „Man muss anfangen, Verkehrsplanung und Verkehrsmanagement gemeinsam mit den Umlandgemeinden umzusetzen“, so Aichinger. „Denn der Verkehrskollaps in den Städten wird oft durch den regionalen Pendelverkehr befeuert.“ Allerdings wird eine solche Zusammenarbeit oft durch zersplitterte Zuständigkeiten und Finanzierungsquellen erschwert. Für die Verkehrswende bedarf es einer deutlichen Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs- und Verwaltungsprozessen.

Nicht zuletzt betont das SUMP-Konzept die zentrale Rolle der Evaluation in der Planung: Dazu gehört sowohl die umfassende Analyse des Status quo – wie sie für den Radverkehr zum Beispiel mit einem Bicycle Policy Audit (BYPAD) durchgeführt werden kann – als auch die Festlegung klarer, messbarer Planungsziele, die als Basis für das fortlaufende Ergebnis-Controlling dienen.

Gute Planung braucht gute Strukturen

Wollen Kommunen die Verkehrswende schaffen, müssen sie ihre Planungsstäbe mit entsprechenden Ressourcen ausstatten. Gute Planung braucht Personal mit Expertise und genaue Kenntnis der lokalen städtebaulichen und politischen Verhältnisse. Nur wenn nicht alle Verkehrsprojekte an externe Planungsbüros vergeben werden, kann es zu einem nachhaltigen Wissens- und Kapazitätsaufbau kommen. So ergeben sich Synergien, verkürzte Abstimmungswege und in manchen Fällen gar ein verkehrsplanerisches Kapital: Für Kopenhagen zum Beispiel ist die konsequent aufgebaute Kompetenz in der Radverkehrsplanung inzwischen zu einem Exportschlager geworden, der nebenbei noch zum Stadtmarketing beiträgt.